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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895.

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§ 22. Die Polizeistrafe.
gegen sprechen wir diese Absicht allgemein ab und lassen nur den
umgekehrten Gegenbeweis zu4.

2. Auch die Polizeierlaubnis verflicht sich mit dem
Polizeistrafrechtssatz. Ist die Strafbestimmung an den Ungehorsam
gegen einen Polizeibefehl geknüpft, so ist ihre Wirksamkeit von selbst
bedingt durch das Nichtvorhandensein der etwa vorbehaltenen Erlaubnis.
Daran ist nichts Besonderes.

Es kann aber der Polizeistrafrechtssatz, auch wo er unmittelbar
an einen bezeichneten Thatbestand die Strafe knüpft, den Erlaubnis-
vorbehalt in sich aufnehmen. "Wer ohne polizeiliche Erlaubnis dies
oder jenes thut, wird bestraft", so lautet eine häufig gebrauchte Formel.

In der unmittelbaren Verpönung liegt, wie wir gesehen haben,
kein Befehl; die Erlaubnis kann also hier nicht die Entbindung von
einem Befehle bedeuten. Die Strafbestimmung knüpft sich immer nur
an die Missbilligung eines gewissen Thatbestandes. Von dieser Miss-
billigung und folglich Verpönung können aber zugleich Ausnahmen
gemacht sein; es wird z. B. gesagt: "wer, ausser in Notfällen, dies
oder jenes thut", soll bestraft werden. Wird nun die Missbilligung
einem selbständigen Akt überlassen, so erhält sie die Gestalt
eines Polizeibefehls (oben S. 308); wird die Schaffung der Ausnahme
von der Missbilligung einem selbständigem Akte überlassen, so erhält
sie die Gestalt einer Polizeierlaubnis. Da die Missbilligung die Be-

4 Rosin, Pol.Verord. S. 46; Schwarze, Stf.G.B. 5. Aufl. S. 934. Loe-
ning,
V.R.S. 235 Note 3, will im Gegensatze dazu aus solchen Erwähnungen polizei-
licher Anordnungen im Reichsstrafgesetz immer eine Delegation des Verordnungs-
rechts entnehmen. Er beruft sich auf die süddeutschen Gesetzgebungen, welche
bei Einführung des Stf.G.B. sich begnügten, die Behörden zu bestimmen, von welchen
die in den betreffenden §§ des Stf.G.B. vorgesehenen Polizeiverordnungen erlassen
werden sollten. Allein darin liegt ja eben die selbständige gesetzliche Ermächtigung.
Das Verhalten dieser Gesetzgebungen wäre beweiskräftig in Loenings Sinn, wenn
sie über diesen Punkt ganz geschwiegen hätten, weil die gesetzliche Ermächtigung
schon im Reichsgesetz enthalten, die etwa erforderliche Bezeichnung der zuständigen
Behörden aber einfach durch Ausführungsverordnung auf Grund des Reichsgesetzes
hätte ergehen können. Loening findet einen Beweis für seine Auffassung ausser-
dem noch in § 145 Stf.G.B.: "Wer die vom Kaiser zur Verhütung des Zusammen-
treffens von Schiffen auf der See ... erlassenen Vorschriften übertritt u. s. w.",
worin ja unzweifelhaft eine Ermächtigung des Kaisers zur Polizeiverordnung ge-
geben ist. Allein hier liegt die Sache auch ganz anders; es handelt sich nicht um
eine reichsgesetzliche Ermächtigung für die Landesbehörden. Zwischen dem Kaiser
und dem Reichsgesetz ist das Verhältnis das nämliche wie zwischen den Gliedern
der vollziehenden Gewalt des Einzelstaates und dem Landesgesetz, und es treten
die entsprechenden Auslegungsgrundsätze in Anwendung, die wir oben zuerst er-
wähnten.

§ 22. Die Polizeistrafe.
gegen sprechen wir diese Absicht allgemein ab und lassen nur den
umgekehrten Gegenbeweis zu4.

2. Auch die Polizeierlaubnis verflicht sich mit dem
Polizeistrafrechtssatz. Ist die Strafbestimmung an den Ungehorsam
gegen einen Polizeibefehl geknüpft, so ist ihre Wirksamkeit von selbst
bedingt durch das Nichtvorhandensein der etwa vorbehaltenen Erlaubnis.
Daran ist nichts Besonderes.

Es kann aber der Polizeistrafrechtssatz, auch wo er unmittelbar
an einen bezeichneten Thatbestand die Strafe knüpft, den Erlaubnis-
vorbehalt in sich aufnehmen. „Wer ohne polizeiliche Erlaubnis dies
oder jenes thut, wird bestraft“, so lautet eine häufig gebrauchte Formel.

In der unmittelbaren Verpönung liegt, wie wir gesehen haben,
kein Befehl; die Erlaubnis kann also hier nicht die Entbindung von
einem Befehle bedeuten. Die Strafbestimmung knüpft sich immer nur
an die Miſsbilligung eines gewissen Thatbestandes. Von dieser Miſs-
billigung und folglich Verpönung können aber zugleich Ausnahmen
gemacht sein; es wird z. B. gesagt: „wer, auſser in Notfällen, dies
oder jenes thut“, soll bestraft werden. Wird nun die Miſsbilligung
einem selbständigen Akt überlassen, so erhält sie die Gestalt
eines Polizeibefehls (oben S. 308); wird die Schaffung der Ausnahme
von der Miſsbilligung einem selbständigem Akte überlassen, so erhält
sie die Gestalt einer Polizeierlaubnis. Da die Miſsbilligung die Be-

4 Rosin, Pol.Verord. S. 46; Schwarze, Stf.G.B. 5. Aufl. S. 934. Loe-
ning,
V.R.S. 235 Note 3, will im Gegensatze dazu aus solchen Erwähnungen polizei-
licher Anordnungen im Reichsstrafgesetz immer eine Delegation des Verordnungs-
rechts entnehmen. Er beruft sich auf die süddeutschen Gesetzgebungen, welche
bei Einführung des Stf.G.B. sich begnügten, die Behörden zu bestimmen, von welchen
die in den betreffenden §§ des Stf.G.B. vorgesehenen Polizeiverordnungen erlassen
werden sollten. Allein darin liegt ja eben die selbständige gesetzliche Ermächtigung.
Das Verhalten dieser Gesetzgebungen wäre beweiskräftig in Loenings Sinn, wenn
sie über diesen Punkt ganz geschwiegen hätten, weil die gesetzliche Ermächtigung
schon im Reichsgesetz enthalten, die etwa erforderliche Bezeichnung der zuständigen
Behörden aber einfach durch Ausführungsverordnung auf Grund des Reichsgesetzes
hätte ergehen können. Loening findet einen Beweis für seine Auffassung auſser-
dem noch in § 145 Stf.G.B.: „Wer die vom Kaiser zur Verhütung des Zusammen-
treffens von Schiffen auf der See … erlassenen Vorschriften übertritt u. s. w.“,
worin ja unzweifelhaft eine Ermächtigung des Kaisers zur Polizeiverordnung ge-
geben ist. Allein hier liegt die Sache auch ganz anders; es handelt sich nicht um
eine reichsgesetzliche Ermächtigung für die Landesbehörden. Zwischen dem Kaiser
und dem Reichsgesetz ist das Verhältnis das nämliche wie zwischen den Gliedern
der vollziehenden Gewalt des Einzelstaates und dem Landesgesetz, und es treten
die entsprechenden Auslegungsgrundsätze in Anwendung, die wir oben zuerst er-
wähnten.
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[313/0333] § 22. Die Polizeistrafe. gegen sprechen wir diese Absicht allgemein ab und lassen nur den umgekehrten Gegenbeweis zu 4. 2. Auch die Polizeierlaubnis verflicht sich mit dem Polizeistrafrechtssatz. Ist die Strafbestimmung an den Ungehorsam gegen einen Polizeibefehl geknüpft, so ist ihre Wirksamkeit von selbst bedingt durch das Nichtvorhandensein der etwa vorbehaltenen Erlaubnis. Daran ist nichts Besonderes. Es kann aber der Polizeistrafrechtssatz, auch wo er unmittelbar an einen bezeichneten Thatbestand die Strafe knüpft, den Erlaubnis- vorbehalt in sich aufnehmen. „Wer ohne polizeiliche Erlaubnis dies oder jenes thut, wird bestraft“, so lautet eine häufig gebrauchte Formel. In der unmittelbaren Verpönung liegt, wie wir gesehen haben, kein Befehl; die Erlaubnis kann also hier nicht die Entbindung von einem Befehle bedeuten. Die Strafbestimmung knüpft sich immer nur an die Miſsbilligung eines gewissen Thatbestandes. Von dieser Miſs- billigung und folglich Verpönung können aber zugleich Ausnahmen gemacht sein; es wird z. B. gesagt: „wer, auſser in Notfällen, dies oder jenes thut“, soll bestraft werden. Wird nun die Miſsbilligung einem selbständigen Akt überlassen, so erhält sie die Gestalt eines Polizeibefehls (oben S. 308); wird die Schaffung der Ausnahme von der Miſsbilligung einem selbständigem Akte überlassen, so erhält sie die Gestalt einer Polizeierlaubnis. Da die Miſsbilligung die Be- 4 Rosin, Pol.Verord. S. 46; Schwarze, Stf.G.B. 5. Aufl. S. 934. Loe- ning, V.R.S. 235 Note 3, will im Gegensatze dazu aus solchen Erwähnungen polizei- licher Anordnungen im Reichsstrafgesetz immer eine Delegation des Verordnungs- rechts entnehmen. Er beruft sich auf die süddeutschen Gesetzgebungen, welche bei Einführung des Stf.G.B. sich begnügten, die Behörden zu bestimmen, von welchen die in den betreffenden §§ des Stf.G.B. vorgesehenen Polizeiverordnungen erlassen werden sollten. Allein darin liegt ja eben die selbständige gesetzliche Ermächtigung. Das Verhalten dieser Gesetzgebungen wäre beweiskräftig in Loenings Sinn, wenn sie über diesen Punkt ganz geschwiegen hätten, weil die gesetzliche Ermächtigung schon im Reichsgesetz enthalten, die etwa erforderliche Bezeichnung der zuständigen Behörden aber einfach durch Ausführungsverordnung auf Grund des Reichsgesetzes hätte ergehen können. Loening findet einen Beweis für seine Auffassung auſser- dem noch in § 145 Stf.G.B.: „Wer die vom Kaiser zur Verhütung des Zusammen- treffens von Schiffen auf der See … erlassenen Vorschriften übertritt u. s. w.“, worin ja unzweifelhaft eine Ermächtigung des Kaisers zur Polizeiverordnung ge- geben ist. Allein hier liegt die Sache auch ganz anders; es handelt sich nicht um eine reichsgesetzliche Ermächtigung für die Landesbehörden. Zwischen dem Kaiser und dem Reichsgesetz ist das Verhältnis das nämliche wie zwischen den Gliedern der vollziehenden Gewalt des Einzelstaates und dem Landesgesetz, und es treten die entsprechenden Auslegungsgrundsätze in Anwendung, die wir oben zuerst er- wähnten.

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895, S. 313. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/333>, abgerufen am 23.12.2024.