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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895.

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Die Polizeigewalt.

Die Amtshandlung des Vollstreckungsbeamten wird für die Frage
der Strafbarkeit des Widerstandes in gewissen Fällen noch als recht-
mässig angesehen, wo sie an sich nicht rechtmässig ist. Der Wider-
standleistende muss bestraft werden, weil sie rechtmässig ist im Sinne
des § 113, und gleichwohl kann sie im Beschwerdeverfahren oder
Verwaltungsstreitverfahren angefochten und rückgängig gemacht, kann
der Staat mit einer Entschädigung belastet werden, weil sie nicht
rechtmässig ist.

Der Grund dieser zwiespältigen Beurteilung ist der nämliche, der
auch bei der Frage der civilrechtlichen Haftung des Beamten eine
Abweichung von den allgemeinen Grundsätzen des Deliktsrechtes er-
zeugt hat (oben § 17, I n. 1).

Die Bestrafung des Widerstandes ist angesehen als ein besonderer
Schutz, der dem handelnden Beamten gewährt wird. Dieser Schutz
wird ihm entzogen, wenn er rechtswidrig handelt. Aber im Interesse
des Dienstes selbst darf ihm nicht angerechnet werden die Rechts-
widrigkeit, der ihn gerade die Pflicht seines Amtes besonders aussetzt;
auch in dieser Beziehung trägt er, wie wir es oben ausdrückten, nicht
die Gefahr der Amtsführung. Wesentlich ist also nur, dass es über-
haupt noch eine Amtshandlung des Vollstreckungsbeamten sei, also
innerhalb der allgemeinen Grenzen seiner Zuständigkeit sich bewege3.
Die etwa dabei unterlaufene Rechtswidrigkeit schadet nichts, wenn sie
die Folge ist eines amtlichen Irrtums oder Befehls.

1. Die Rechtswidrigkeit der Amtshandlung ist gedeckt, derart
dass diese dem Widerstande gegenüber als eine rechtmässige gilt,
wenn die Rechtswidrigkeit nur beruht auf einem Irrtum, dem der

3 Bei der zweiten Beratung des § 113 im Nordd. Reichstag hatte man be-
schlossen, die Strafbarkeit des Widerstandes allein davon abhängen zu lassen, dass
der Beamte, "innerhalb seiner Zuständigkeit" gehandelt habe; die dritte Lesung
hat dann ohne sachliche Begründung den Ausdruck "rechtmässige Amtshandlung"
dafür gesetzt. Verhandlungen 1870 I S. 430, II S. 1169; vgl. auch die Ausführungen
des Abg. Planck daselbst I S. 429. -- Die Voraussetzung der allgemeinen Zu-
ständigkeit fehlt, wenn der Beamte aus seinem örtlichen Bezirk herausgreift, oder
in einen anderen Verwaltungszweig hinein: Oppenhoff, Stf.G.B. zu § 113 n. 10;
Olshausen, Stf.G.B. zu § 113 n. 13 a; Binding, Stf.R. I S. 741. Desgleichen
bei Missbrauch des Amtes in eignem oder Parteiinteresse (O.Tr. 10. März 1869),
sowie bei den im engeren Sinne so genannten Ausschreitungen: Misshand-
lungen und Beleidigungen gelegentlich der Amtsthätigkeit. Diese sind nicht deshalb
von der Autorität des Amtes nicht gedeckt, weil sie strafbar sind, sondern umgekehrt:
sie sind strafbar, weil sie aus der allgemeinen Natur der Amtshandlung heraus und
damit unter das gemeine Strafrecht fallen; Hiller, Rechtmässigkeit der Amtshand-
lungen S. 85, 86.
Die Polizeigewalt.

Die Amtshandlung des Vollstreckungsbeamten wird für die Frage
der Strafbarkeit des Widerstandes in gewissen Fällen noch als recht-
mäſsig angesehen, wo sie an sich nicht rechtmäſsig ist. Der Wider-
standleistende muſs bestraft werden, weil sie rechtmäſsig ist im Sinne
des § 113, und gleichwohl kann sie im Beschwerdeverfahren oder
Verwaltungsstreitverfahren angefochten und rückgängig gemacht, kann
der Staat mit einer Entschädigung belastet werden, weil sie nicht
rechtmäſsig ist.

Der Grund dieser zwiespältigen Beurteilung ist der nämliche, der
auch bei der Frage der civilrechtlichen Haftung des Beamten eine
Abweichung von den allgemeinen Grundsätzen des Deliktsrechtes er-
zeugt hat (oben § 17, I n. 1).

Die Bestrafung des Widerstandes ist angesehen als ein besonderer
Schutz, der dem handelnden Beamten gewährt wird. Dieser Schutz
wird ihm entzogen, wenn er rechtswidrig handelt. Aber im Interesse
des Dienstes selbst darf ihm nicht angerechnet werden die Rechts-
widrigkeit, der ihn gerade die Pflicht seines Amtes besonders aussetzt;
auch in dieser Beziehung trägt er, wie wir es oben ausdrückten, nicht
die Gefahr der Amtsführung. Wesentlich ist also nur, daſs es über-
haupt noch eine Amtshandlung des Vollstreckungsbeamten sei, also
innerhalb der allgemeinen Grenzen seiner Zuständigkeit sich bewege3.
Die etwa dabei unterlaufene Rechtswidrigkeit schadet nichts, wenn sie
die Folge ist eines amtlichen Irrtums oder Befehls.

1. Die Rechtswidrigkeit der Amtshandlung ist gedeckt, derart
daſs diese dem Widerstande gegenüber als eine rechtmäſsige gilt,
wenn die Rechtswidrigkeit nur beruht auf einem Irrtum, dem der

3 Bei der zweiten Beratung des § 113 im Nordd. Reichstag hatte man be-
schlossen, die Strafbarkeit des Widerstandes allein davon abhängen zu lassen, daſs
der Beamte, „innerhalb seiner Zuständigkeit“ gehandelt habe; die dritte Lesung
hat dann ohne sachliche Begründung den Ausdruck „rechtmäſsige Amtshandlung“
dafür gesetzt. Verhandlungen 1870 I S. 430, II S. 1169; vgl. auch die Ausführungen
des Abg. Planck daselbst I S. 429. — Die Voraussetzung der allgemeinen Zu-
ständigkeit fehlt, wenn der Beamte aus seinem örtlichen Bezirk herausgreift, oder
in einen anderen Verwaltungszweig hinein: Oppenhoff, Stf.G.B. zu § 113 n. 10;
Olshausen, Stf.G.B. zu § 113 n. 13 a; Binding, Stf.R. I S. 741. Desgleichen
bei Miſsbrauch des Amtes in eignem oder Parteiinteresse (O.Tr. 10. März 1869),
sowie bei den im engeren Sinne so genannten Ausschreitungen: Miſshand-
lungen und Beleidigungen gelegentlich der Amtsthätigkeit. Diese sind nicht deshalb
von der Autorität des Amtes nicht gedeckt, weil sie strafbar sind, sondern umgekehrt:
sie sind strafbar, weil sie aus der allgemeinen Natur der Amtshandlung heraus und
damit unter das gemeine Strafrecht fallen; Hiller, Rechtmäſsigkeit der Amtshand-
lungen S. 85, 86.
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[360/0380] Die Polizeigewalt. Die Amtshandlung des Vollstreckungsbeamten wird für die Frage der Strafbarkeit des Widerstandes in gewissen Fällen noch als recht- mäſsig angesehen, wo sie an sich nicht rechtmäſsig ist. Der Wider- standleistende muſs bestraft werden, weil sie rechtmäſsig ist im Sinne des § 113, und gleichwohl kann sie im Beschwerdeverfahren oder Verwaltungsstreitverfahren angefochten und rückgängig gemacht, kann der Staat mit einer Entschädigung belastet werden, weil sie nicht rechtmäſsig ist. Der Grund dieser zwiespältigen Beurteilung ist der nämliche, der auch bei der Frage der civilrechtlichen Haftung des Beamten eine Abweichung von den allgemeinen Grundsätzen des Deliktsrechtes er- zeugt hat (oben § 17, I n. 1). Die Bestrafung des Widerstandes ist angesehen als ein besonderer Schutz, der dem handelnden Beamten gewährt wird. Dieser Schutz wird ihm entzogen, wenn er rechtswidrig handelt. Aber im Interesse des Dienstes selbst darf ihm nicht angerechnet werden die Rechts- widrigkeit, der ihn gerade die Pflicht seines Amtes besonders aussetzt; auch in dieser Beziehung trägt er, wie wir es oben ausdrückten, nicht die Gefahr der Amtsführung. Wesentlich ist also nur, daſs es über- haupt noch eine Amtshandlung des Vollstreckungsbeamten sei, also innerhalb der allgemeinen Grenzen seiner Zuständigkeit sich bewege 3. Die etwa dabei unterlaufene Rechtswidrigkeit schadet nichts, wenn sie die Folge ist eines amtlichen Irrtums oder Befehls. 1. Die Rechtswidrigkeit der Amtshandlung ist gedeckt, derart daſs diese dem Widerstande gegenüber als eine rechtmäſsige gilt, wenn die Rechtswidrigkeit nur beruht auf einem Irrtum, dem der 3 Bei der zweiten Beratung des § 113 im Nordd. Reichstag hatte man be- schlossen, die Strafbarkeit des Widerstandes allein davon abhängen zu lassen, daſs der Beamte, „innerhalb seiner Zuständigkeit“ gehandelt habe; die dritte Lesung hat dann ohne sachliche Begründung den Ausdruck „rechtmäſsige Amtshandlung“ dafür gesetzt. Verhandlungen 1870 I S. 430, II S. 1169; vgl. auch die Ausführungen des Abg. Planck daselbst I S. 429. — Die Voraussetzung der allgemeinen Zu- ständigkeit fehlt, wenn der Beamte aus seinem örtlichen Bezirk herausgreift, oder in einen anderen Verwaltungszweig hinein: Oppenhoff, Stf.G.B. zu § 113 n. 10; Olshausen, Stf.G.B. zu § 113 n. 13 a; Binding, Stf.R. I S. 741. Desgleichen bei Miſsbrauch des Amtes in eignem oder Parteiinteresse (O.Tr. 10. März 1869), sowie bei den im engeren Sinne so genannten Ausschreitungen: Miſshand- lungen und Beleidigungen gelegentlich der Amtsthätigkeit. Diese sind nicht deshalb von der Autorität des Amtes nicht gedeckt, weil sie strafbar sind, sondern umgekehrt: sie sind strafbar, weil sie aus der allgemeinen Natur der Amtshandlung heraus und damit unter das gemeine Strafrecht fallen; Hiller, Rechtmäſsigkeit der Amtshand- lungen S. 85, 86.

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895, S. 360. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/380>, abgerufen am 23.12.2024.