Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895.Die Polizeigewalt. wichtig für solche Gesetzgebungen, welche den Kreis jener Voraus-setzungen enger ziehen oder, wie die bayrische, auf Abwehr von Straf- thaten beschränken. Soweit nach den allgemeinen Regeln (§ 23, III und § 24) Gewaltanwendung überhaupt zulässig ist, ist, wenn der Zweck es erfordert, auch die Freiheit der Person nicht heilig. Es wird also namentlich zur Selbstverteidigung, zur eignen Rettung des Betroffenen Festnahme immer möglich sein. Nur, das ist der grosse Unterschied, die Gewalt ist hier nicht formell geordnet, die Not- wendigkeiten des Zweckes allein rechtfertigen sie auch in ihrer Dauer. Was darüber hinausgeht, ist sofort Unrecht14. 2. Das Eindringen in die Wohnung ist eine Form der Es besteht in dem Eintreten und Verweilen in der fremden Die Gesetzgebung hat auch diese Befugnis nicht der Folgerung 14 Eine allgemeine Dienstanweisung des preussischen Min. d. I. in Min.Bl.
1879 S. 71 bestimmt: "Die Befugnis der Polizeibehörden, Personen, welche nach § 361 u. 362 Stf.G.B. ausweisbar sind, so lange in polizeilicher Haft zu behalten, bis die Vollstreckung der Ausweisung mittelst Transportes durch Einholung der eventuell erforderlichen Zustimmung des Heimatstaates möglich gemacht worden, unterliegt keinem Bedenken. Hierbei kommen nicht bloss die Vorschriften des § 6 Ges. zum Schutze der persönlichen Freiheit v. 12. Febr. 1850, sondern auch diejenigen Befugnisse in Betracht, von welchen der Staat nach völkerrechtlichen Grundsätzen im öffentlichen Interesse gegen Ausländer Gebrauch machen darf". Das Gleiche soll auch bei Bettlern, Vagabunden u. s. w. zur Anwendung kommen, "über deren endgültige Unterbringung noch zu verfügen ist". Die Gewaltanwendung geht hier etwas weit; aber die rechtliche Zulässigkeit kann doch nicht bestritten werden. Die Person selbst stellt in diesen Fällen die Störung der guten Ordnung vor, die vom Schauplatz des freien Gemeinlebens verschwinden soll. Völkerrecht- liche Grundsätze waren dafür allerdings nicht anzurufen; zwischen der Staats- gewalt und dem Einzelnen -- Ausländer, wie Bettler -- gilt nicht Völkerrecht, sondern Verwaltungsrecht. Die Polizeigewalt. wichtig für solche Gesetzgebungen, welche den Kreis jener Voraus-setzungen enger ziehen oder, wie die bayrische, auf Abwehr von Straf- thaten beschränken. Soweit nach den allgemeinen Regeln (§ 23, III und § 24) Gewaltanwendung überhaupt zulässig ist, ist, wenn der Zweck es erfordert, auch die Freiheit der Person nicht heilig. Es wird also namentlich zur Selbstverteidigung, zur eignen Rettung des Betroffenen Festnahme immer möglich sein. Nur, das ist der groſse Unterschied, die Gewalt ist hier nicht formell geordnet, die Not- wendigkeiten des Zweckes allein rechtfertigen sie auch in ihrer Dauer. Was darüber hinausgeht, ist sofort Unrecht14. 2. Das Eindringen in die Wohnung ist eine Form der Es besteht in dem Eintreten und Verweilen in der fremden Die Gesetzgebung hat auch diese Befugnis nicht der Folgerung 14 Eine allgemeine Dienstanweisung des preuſsischen Min. d. I. in Min.Bl.
1879 S. 71 bestimmt: „Die Befugnis der Polizeibehörden, Personen, welche nach § 361 u. 362 Stf.G.B. ausweisbar sind, so lange in polizeilicher Haft zu behalten, bis die Vollstreckung der Ausweisung mittelst Transportes durch Einholung der eventuell erforderlichen Zustimmung des Heimatstaates möglich gemacht worden, unterliegt keinem Bedenken. Hierbei kommen nicht bloſs die Vorschriften des § 6 Ges. zum Schutze der persönlichen Freiheit v. 12. Febr. 1850, sondern auch diejenigen Befugnisse in Betracht, von welchen der Staat nach völkerrechtlichen Grundsätzen im öffentlichen Interesse gegen Ausländer Gebrauch machen darf“. Das Gleiche soll auch bei Bettlern, Vagabunden u. s. w. zur Anwendung kommen, „über deren endgültige Unterbringung noch zu verfügen ist“. Die Gewaltanwendung geht hier etwas weit; aber die rechtliche Zulässigkeit kann doch nicht bestritten werden. Die Person selbst stellt in diesen Fällen die Störung der guten Ordnung vor, die vom Schauplatz des freien Gemeinlebens verschwinden soll. Völkerrecht- liche Grundsätze waren dafür allerdings nicht anzurufen; zwischen der Staats- gewalt und dem Einzelnen — Ausländer, wie Bettler — gilt nicht Völkerrecht, sondern Verwaltungsrecht. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0386" n="366"/><fw place="top" type="header">Die Polizeigewalt.</fw><lb/> wichtig für solche Gesetzgebungen, welche den Kreis jener Voraus-<lb/> setzungen enger ziehen oder, wie die bayrische, auf Abwehr von Straf-<lb/> thaten beschränken. Soweit nach den allgemeinen Regeln (§ 23, III<lb/> und § 24) Gewaltanwendung überhaupt zulässig ist, ist, wenn der<lb/> Zweck es erfordert, auch die Freiheit der Person nicht heilig. Es<lb/> wird also namentlich zur Selbstverteidigung, zur eignen Rettung des<lb/> Betroffenen Festnahme immer möglich sein. Nur, das ist der groſse<lb/> Unterschied, die Gewalt ist hier nicht formell geordnet, die Not-<lb/> wendigkeiten des Zweckes allein rechtfertigen sie auch in ihrer Dauer.<lb/> Was darüber hinausgeht, ist sofort Unrecht<note place="foot" n="14">Eine allgemeine Dienstanweisung des preuſsischen Min. d. I. in Min.Bl.<lb/> 1879 S. 71 bestimmt: „Die Befugnis der Polizeibehörden, Personen, welche nach<lb/> § 361 u. 362 Stf.G.B. ausweisbar sind, so lange in polizeilicher Haft zu behalten,<lb/> bis die Vollstreckung der Ausweisung mittelst Transportes durch Einholung der<lb/> eventuell erforderlichen Zustimmung des Heimatstaates möglich gemacht worden,<lb/> unterliegt keinem Bedenken. Hierbei kommen nicht bloſs die Vorschriften des<lb/> § 6 Ges. zum Schutze der persönlichen Freiheit v. 12. Febr. 1850, sondern auch<lb/> diejenigen Befugnisse in Betracht, von welchen der Staat nach völkerrechtlichen<lb/> Grundsätzen im öffentlichen Interesse gegen Ausländer Gebrauch machen darf“.<lb/> Das Gleiche soll auch bei Bettlern, Vagabunden u. s. w. zur Anwendung kommen,<lb/> „über deren endgültige Unterbringung noch zu verfügen ist“. Die Gewaltanwendung<lb/> geht hier etwas weit; aber die rechtliche Zulässigkeit kann doch nicht bestritten<lb/> werden. Die Person selbst stellt in diesen Fällen die Störung der guten Ordnung<lb/> vor, die vom Schauplatz des freien Gemeinlebens verschwinden soll. Völkerrecht-<lb/> liche Grundsätze waren dafür allerdings nicht anzurufen; zwischen der Staats-<lb/> gewalt und dem Einzelnen — Ausländer, wie Bettler — gilt nicht Völkerrecht,<lb/> sondern Verwaltungsrecht.</note>.</p><lb/> <p>2. Das <hi rendition="#g">Eindringen in die Wohnung</hi> ist eine Form der<lb/> Gewalt, welche sich mit verschiedenen Arten polizeilicher Thätigkeit<lb/> nebensächlich verbindet, die Hauptthätigkeit, die den Zweck des Ein-<lb/> dringens bildet, mag selbst wieder Gewaltanwendung sein oder nicht.</p><lb/> <p>Es besteht in dem Eintreten und Verweilen in der fremden<lb/> Wohnung ohne den Willen des berechtigten Inhabers. Mit dem still-<lb/> schweigenden Willen des Berechtigten findet allgemein das Eintreten<lb/> statt, soweit die Räume dem ihn betreffenden Verkehre gewidmet<lb/> sind. Das gilt auch zu Gunsten der Polizeibeamten. Diese aber sind<lb/> unter Umständen auch befugt, ohne den Willen des Berechtigten in<lb/> fremde Räume einzudringen und darin zu verweilen.</p><lb/> <p>Die Gesetzgebung hat auch diese Befugnis nicht der Folgerung<lb/> aus den allgemeinen Grundsätzen des Polizeizwanges überlassen,<lb/> sondern formell abgegrenzt. Und zwar ist dies in Anlehnung an die<lb/> strafprozessualen Regeln für die gerichtliche Polizei in der Weise ge-<lb/> schehen, daſs die Grenzen der Befugnis des Eindringens wesentlich<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [366/0386]
Die Polizeigewalt.
wichtig für solche Gesetzgebungen, welche den Kreis jener Voraus-
setzungen enger ziehen oder, wie die bayrische, auf Abwehr von Straf-
thaten beschränken. Soweit nach den allgemeinen Regeln (§ 23, III
und § 24) Gewaltanwendung überhaupt zulässig ist, ist, wenn der
Zweck es erfordert, auch die Freiheit der Person nicht heilig. Es
wird also namentlich zur Selbstverteidigung, zur eignen Rettung des
Betroffenen Festnahme immer möglich sein. Nur, das ist der groſse
Unterschied, die Gewalt ist hier nicht formell geordnet, die Not-
wendigkeiten des Zweckes allein rechtfertigen sie auch in ihrer Dauer.
Was darüber hinausgeht, ist sofort Unrecht 14.
2. Das Eindringen in die Wohnung ist eine Form der
Gewalt, welche sich mit verschiedenen Arten polizeilicher Thätigkeit
nebensächlich verbindet, die Hauptthätigkeit, die den Zweck des Ein-
dringens bildet, mag selbst wieder Gewaltanwendung sein oder nicht.
Es besteht in dem Eintreten und Verweilen in der fremden
Wohnung ohne den Willen des berechtigten Inhabers. Mit dem still-
schweigenden Willen des Berechtigten findet allgemein das Eintreten
statt, soweit die Räume dem ihn betreffenden Verkehre gewidmet
sind. Das gilt auch zu Gunsten der Polizeibeamten. Diese aber sind
unter Umständen auch befugt, ohne den Willen des Berechtigten in
fremde Räume einzudringen und darin zu verweilen.
Die Gesetzgebung hat auch diese Befugnis nicht der Folgerung
aus den allgemeinen Grundsätzen des Polizeizwanges überlassen,
sondern formell abgegrenzt. Und zwar ist dies in Anlehnung an die
strafprozessualen Regeln für die gerichtliche Polizei in der Weise ge-
schehen, daſs die Grenzen der Befugnis des Eindringens wesentlich
14 Eine allgemeine Dienstanweisung des preuſsischen Min. d. I. in Min.Bl.
1879 S. 71 bestimmt: „Die Befugnis der Polizeibehörden, Personen, welche nach
§ 361 u. 362 Stf.G.B. ausweisbar sind, so lange in polizeilicher Haft zu behalten,
bis die Vollstreckung der Ausweisung mittelst Transportes durch Einholung der
eventuell erforderlichen Zustimmung des Heimatstaates möglich gemacht worden,
unterliegt keinem Bedenken. Hierbei kommen nicht bloſs die Vorschriften des
§ 6 Ges. zum Schutze der persönlichen Freiheit v. 12. Febr. 1850, sondern auch
diejenigen Befugnisse in Betracht, von welchen der Staat nach völkerrechtlichen
Grundsätzen im öffentlichen Interesse gegen Ausländer Gebrauch machen darf“.
Das Gleiche soll auch bei Bettlern, Vagabunden u. s. w. zur Anwendung kommen,
„über deren endgültige Unterbringung noch zu verfügen ist“. Die Gewaltanwendung
geht hier etwas weit; aber die rechtliche Zulässigkeit kann doch nicht bestritten
werden. Die Person selbst stellt in diesen Fällen die Störung der guten Ordnung
vor, die vom Schauplatz des freien Gemeinlebens verschwinden soll. Völkerrecht-
liche Grundsätze waren dafür allerdings nicht anzurufen; zwischen der Staats-
gewalt und dem Einzelnen — Ausländer, wie Bettler — gilt nicht Völkerrecht,
sondern Verwaltungsrecht.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |