Überall also, ob der Einzelfall für sich oder die Gesamtheit der Fälle in einem grossen Massenverfahren behandelt wird, läuft diese Steuerauflage auf einen Verwaltungsakt hinaus. Verwaltungsakte, die sie festsetzen, können bei jeder Steuer, auch bei der indirekten dazwischen vorkommen. Für die direkte ist der Verwaltungsakt be- griffswesentlich und ein notwendiger Bestandteil. Worin besteht diese Notwendigkeit? Was ist seine Bedeutung?
Sie besteht nicht in der Begründung der Steuerpflicht. Die Steuerpflicht erfasst den Unterthanen unmittelbar aus dem Gesetz, in dem Augenblicke, wo der wirksam gewordene Steuerrechtssatz und die Merkmale, an welche er anknüpft, zusammentreffen. Wenn ein auf diese Weise Getroffener bei der allgemeinen Steuerveranlagung übergangen worden ist, so wird es unbedenklich nachgeholt. Wenn er nach jenem Augenblicke verstorben ist, so wird die einmal be- gründete Steuerpflicht gegen seine Erben geltend gemacht, auch wenn die Steuermerkmale bei ihnen nicht mehr zutreffen, Ob und wie weit die Merkmale der Steuerpflicht zur Zeit der Veranlagung vorhanden sind, ist überhaupt gleichgiltig, wenn sie nur vorhanden waren zur Zeit, wo die gesetzliche Steuerpflicht wirken wollte.
Der Veranlagungsbeschluss und seine Kundgabe ist aber auch keine blosse Mahnung, die durch das Gesetz begründete Steuerpflicht zu erfüllen. Die Steuer ist gar nicht immer mit der Kundgabe der Ver- anlagung auch schon fällig. Meist ist sie in abgestuften Zielen zahl- bar, die nicht von dieser Mitteilung ab, sondern nach gesetzlich be- stimmten Terminen rechnen. Der Beschluss ist also weniger als eine Mahnung. Er ist aber auch mehr: die Steuer kann vor der Kund- gabe der Veranlagung nicht bloss nicht beigetrieben, sie kann vorher auch nicht einmal freiwillig bezahlt werden. Die Steuerpflicht wird dadurch erst vollziehbar, der Durchführung und Verwirklichung fähig. Und dann: sie wird so weit vollziehbar, als die Veranlagung sie ausspricht ohne Rücksicht darauf, wie das Gesetz sie etwa anders bestimmt hätte. Eine Mahnung hat keinen eigenen rechtlichen Wert; die Veranlagung wirkt für sich selbst: wer sich beschwert fühlt, kann sich nicht darauf be- schränken, dass er der Veranlagung das Gesetz entgegenhält, er muss eine Abänderung der Veranlagung zu bewirken suchen.
Die Veranlagung soll nur aussprechen, was das Gesetz gewollt hat, aber sie spricht es aus in bindender Weise, so dass sie fortan die Grundlage bildet für den Vollzug. Das ist das Wesen der besondern Art des Verwaltungsaktes, die wir als Entscheidung bezeichnen. Die Eigentümlichkeit der direkten Steuer besteht aber darin, dass sie
§ 27. Die Steuerauflage.
Überall also, ob der Einzelfall für sich oder die Gesamtheit der Fälle in einem groſsen Massenverfahren behandelt wird, läuft diese Steuerauflage auf einen Verwaltungsakt hinaus. Verwaltungsakte, die sie festsetzen, können bei jeder Steuer, auch bei der indirekten dazwischen vorkommen. Für die direkte ist der Verwaltungsakt be- griffswesentlich und ein notwendiger Bestandteil. Worin besteht diese Notwendigkeit? Was ist seine Bedeutung?
Sie besteht nicht in der Begründung der Steuerpflicht. Die Steuerpflicht erfaſst den Unterthanen unmittelbar aus dem Gesetz, in dem Augenblicke, wo der wirksam gewordene Steuerrechtssatz und die Merkmale, an welche er anknüpft, zusammentreffen. Wenn ein auf diese Weise Getroffener bei der allgemeinen Steuerveranlagung übergangen worden ist, so wird es unbedenklich nachgeholt. Wenn er nach jenem Augenblicke verstorben ist, so wird die einmal be- gründete Steuerpflicht gegen seine Erben geltend gemacht, auch wenn die Steuermerkmale bei ihnen nicht mehr zutreffen, Ob und wie weit die Merkmale der Steuerpflicht zur Zeit der Veranlagung vorhanden sind, ist überhaupt gleichgiltig, wenn sie nur vorhanden waren zur Zeit, wo die gesetzliche Steuerpflicht wirken wollte.
Der Veranlagungsbeschluſs und seine Kundgabe ist aber auch keine bloſse Mahnung, die durch das Gesetz begründete Steuerpflicht zu erfüllen. Die Steuer ist gar nicht immer mit der Kundgabe der Ver- anlagung auch schon fällig. Meist ist sie in abgestuften Zielen zahl- bar, die nicht von dieser Mitteilung ab, sondern nach gesetzlich be- stimmten Terminen rechnen. Der Beschluſs ist also weniger als eine Mahnung. Er ist aber auch mehr: die Steuer kann vor der Kund- gabe der Veranlagung nicht bloſs nicht beigetrieben, sie kann vorher auch nicht einmal freiwillig bezahlt werden. Die Steuerpflicht wird dadurch erst vollziehbar, der Durchführung und Verwirklichung fähig. Und dann: sie wird so weit vollziehbar, als die Veranlagung sie ausspricht ohne Rücksicht darauf, wie das Gesetz sie etwa anders bestimmt hätte. Eine Mahnung hat keinen eigenen rechtlichen Wert; die Veranlagung wirkt für sich selbst: wer sich beschwert fühlt, kann sich nicht darauf be- schränken, daſs er der Veranlagung das Gesetz entgegenhält, er muſs eine Abänderung der Veranlagung zu bewirken suchen.
Die Veranlagung soll nur aussprechen, was das Gesetz gewollt hat, aber sie spricht es aus in bindender Weise, so daſs sie fortan die Grundlage bildet für den Vollzug. Das ist das Wesen der besondern Art des Verwaltungsaktes, die wir als Entscheidung bezeichnen. Die Eigentümlichkeit der direkten Steuer besteht aber darin, daſs sie
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§ 27. Die Steuerauflage.
Überall also, ob der Einzelfall für sich oder die Gesamtheit der
Fälle in einem groſsen Massenverfahren behandelt wird, läuft diese
Steuerauflage auf einen Verwaltungsakt hinaus. Verwaltungsakte,
die sie festsetzen, können bei jeder Steuer, auch bei der indirekten
dazwischen vorkommen. Für die direkte ist der Verwaltungsakt be-
griffswesentlich und ein notwendiger Bestandteil. Worin besteht diese
Notwendigkeit? Was ist seine Bedeutung?
Sie besteht nicht in der Begründung der Steuerpflicht. Die
Steuerpflicht erfaſst den Unterthanen unmittelbar aus dem Gesetz, in
dem Augenblicke, wo der wirksam gewordene Steuerrechtssatz und
die Merkmale, an welche er anknüpft, zusammentreffen. Wenn ein
auf diese Weise Getroffener bei der allgemeinen Steuerveranlagung
übergangen worden ist, so wird es unbedenklich nachgeholt. Wenn
er nach jenem Augenblicke verstorben ist, so wird die einmal be-
gründete Steuerpflicht gegen seine Erben geltend gemacht, auch wenn
die Steuermerkmale bei ihnen nicht mehr zutreffen, Ob und wie weit
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sind, ist überhaupt gleichgiltig, wenn sie nur vorhanden waren zur
Zeit, wo die gesetzliche Steuerpflicht wirken wollte.
Der Veranlagungsbeschluſs und seine Kundgabe ist aber auch keine
bloſse Mahnung, die durch das Gesetz begründete Steuerpflicht zu
erfüllen. Die Steuer ist gar nicht immer mit der Kundgabe der Ver-
anlagung auch schon fällig. Meist ist sie in abgestuften Zielen zahl-
bar, die nicht von dieser Mitteilung ab, sondern nach gesetzlich be-
stimmten Terminen rechnen. Der Beschluſs ist also weniger als eine
Mahnung. Er ist aber auch mehr: die Steuer kann vor der Kund-
gabe der Veranlagung nicht bloſs nicht beigetrieben, sie kann vorher auch
nicht einmal freiwillig bezahlt werden. Die Steuerpflicht wird dadurch erst
vollziehbar, der Durchführung und Verwirklichung fähig. Und dann:
sie wird so weit vollziehbar, als die Veranlagung sie ausspricht ohne
Rücksicht darauf, wie das Gesetz sie etwa anders bestimmt hätte. Eine
Mahnung hat keinen eigenen rechtlichen Wert; die Veranlagung wirkt
für sich selbst: wer sich beschwert fühlt, kann sich nicht darauf be-
schränken, daſs er der Veranlagung das Gesetz entgegenhält, er muſs
eine Abänderung der Veranlagung zu bewirken suchen.
Die Veranlagung soll nur aussprechen, was das Gesetz gewollt
hat, aber sie spricht es aus in bindender Weise, so daſs sie fortan die
Grundlage bildet für den Vollzug. Das ist das Wesen der besondern
Art des Verwaltungsaktes, die wir als Entscheidung bezeichnen.
Die Eigentümlichkeit der direkten Steuer besteht aber darin, daſs sie
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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895, S. 399. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/419>, abgerufen am 23.12.2024.
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