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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895.

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Die Finanzgewalt.
stehende Steuerpflicht zu ersetzen, als wahre Erleichterung. Inwie-
weit diesem aber die Einrichtung zugänglich ist, an deren Benutzung
das Gesetz seine Wirkung knüpft, das hängt in verschiedenem Masse
von dem Entgegenkommen der Finanzverwaltung ab.

Das Gesetz kann ein Recht auf die Erleichterung gewähren, in
der Weise dass es sie an eine Einrichtung knüpft, die jedem Steuer-
pflichtigen zugänglich gehalten werden muss. Beispiel: der sogenannte
Begleitschein I. Es kann statt dessen der Behörde überlassen, an
geeigneten Orten Einrichtungen zu treffen, durch deren Benützung
die Erleichterung erworben wird. Dahin gehören die öffentlichen
Niederlagen. Die einmal geschaffenen Niederlagen sollen alsdann
Jedermann zur Benützung frei stehen, unter Erfüllung der Bedingungen
der dafür erlassenen Regulative; es kommen die Formen der Benützung
öffentlicher Anstalten darauf zur Anwendung (vgl. Bd. II § 52). Verweige-
rung der Zulassung ist demnach im Gegensatz zum ersten Falle keine
Rechtsverletzung, sondern im Dienstwege zum Austrag zu bringen.
Die geschehene Zulassung aber bewirkt gesetzmässig die Erleichterung.
Endlich kann es der Behörde überlassen sein, den einzelnen Steuer-
pflichtigen den Genuss einer solchen erleichternden Einrichtung nach
freiem Ermessen zu gewähren, zu versagen, zu entziehen. In dieser
Weise ist die Gestattung von Privatlagern geordnet. Das Gesetz
verweist, nachdem es im allgemeinen die Gestattung von solchen zu-
lässt, wegen alles näheren auf die zu erlassenden Regulative, welche
ja schon für sich selbst nicht die Bedeutung von Rechtssätzen haben.
Das Regulativ aber lässt dem freien Belieben der ausführenden Finanz-
behörden den weitesten Spielraum9. Rechtsordnung ist keine in der
Sache. Dass trotzdem im allgemeinen nicht leicht eine Ungerechtig-
keit vorkommt, beruht auf guter Sitte, die ja die Rechtsordnung zeit-
weilig zu ersetzen vermag.

II. Die Stundung der Steuer. Die Entstehung der Steuer-
pflicht bedeutet nicht notwendig auch die gleichzeitige Fälligkeit. Das
Gesetz bestimmt zum Teil von vornherein allgemeine Termine, in
welchen die Erhebung stattfinden soll. So sind die meisten direkten
Steuern in Raten über das Jahr verteilt; für die indirekten bestehen,
wenn sie an einen regelmässigen Geschäftsbetrieb sich anschliessen,
ähnliche Termine10. Unter Stundung der Steuer verstehen wir die

9 Privatlager-Regulativ v. 8. Juni 1888 giebt für die Gewährung gar keine
bindenden Regeln; für die Zurücknahme führt es bloss Beispiele auf, wann dieselbe
"insbesondere" erfolgen kann (§ 11 n. 2).
10 Bayr. Ges. über den Malzaufschlag v. 26. Mai 1868 Art. 43; Reichsges. die
Besteuerung des Tabaks betr. v. 16. Juli 1879 § 19.

Die Finanzgewalt.
stehende Steuerpflicht zu ersetzen, als wahre Erleichterung. Inwie-
weit diesem aber die Einrichtung zugänglich ist, an deren Benutzung
das Gesetz seine Wirkung knüpft, das hängt in verschiedenem Maſse
von dem Entgegenkommen der Finanzverwaltung ab.

Das Gesetz kann ein Recht auf die Erleichterung gewähren, in
der Weise daſs es sie an eine Einrichtung knüpft, die jedem Steuer-
pflichtigen zugänglich gehalten werden muſs. Beispiel: der sogenannte
Begleitschein I. Es kann statt dessen der Behörde überlassen, an
geeigneten Orten Einrichtungen zu treffen, durch deren Benützung
die Erleichterung erworben wird. Dahin gehören die öffentlichen
Niederlagen. Die einmal geschaffenen Niederlagen sollen alsdann
Jedermann zur Benützung frei stehen, unter Erfüllung der Bedingungen
der dafür erlassenen Regulative; es kommen die Formen der Benützung
öffentlicher Anstalten darauf zur Anwendung (vgl. Bd. II § 52). Verweige-
rung der Zulassung ist demnach im Gegensatz zum ersten Falle keine
Rechtsverletzung, sondern im Dienstwege zum Austrag zu bringen.
Die geschehene Zulassung aber bewirkt gesetzmäſsig die Erleichterung.
Endlich kann es der Behörde überlassen sein, den einzelnen Steuer-
pflichtigen den Genuſs einer solchen erleichternden Einrichtung nach
freiem Ermessen zu gewähren, zu versagen, zu entziehen. In dieser
Weise ist die Gestattung von Privatlagern geordnet. Das Gesetz
verweist, nachdem es im allgemeinen die Gestattung von solchen zu-
läſst, wegen alles näheren auf die zu erlassenden Regulative, welche
ja schon für sich selbst nicht die Bedeutung von Rechtssätzen haben.
Das Regulativ aber läſst dem freien Belieben der ausführenden Finanz-
behörden den weitesten Spielraum9. Rechtsordnung ist keine in der
Sache. Daſs trotzdem im allgemeinen nicht leicht eine Ungerechtig-
keit vorkommt, beruht auf guter Sitte, die ja die Rechtsordnung zeit-
weilig zu ersetzen vermag.

II. Die Stundung der Steuer. Die Entstehung der Steuer-
pflicht bedeutet nicht notwendig auch die gleichzeitige Fälligkeit. Das
Gesetz bestimmt zum Teil von vornherein allgemeine Termine, in
welchen die Erhebung stattfinden soll. So sind die meisten direkten
Steuern in Raten über das Jahr verteilt; für die indirekten bestehen,
wenn sie an einen regelmäſsigen Geschäftsbetrieb sich anschlieſsen,
ähnliche Termine10. Unter Stundung der Steuer verstehen wir die

9 Privatlager-Regulativ v. 8. Juni 1888 giebt für die Gewährung gar keine
bindenden Regeln; für die Zurücknahme führt es bloſs Beispiele auf, wann dieselbe
„insbesondere“ erfolgen kann (§ 11 n. 2).
10 Bayr. Ges. über den Malzaufschlag v. 26. Mai 1868 Art. 43; Reichsges. die
Besteuerung des Tabaks betr. v. 16. Juli 1879 § 19.
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[410/0430] Die Finanzgewalt. stehende Steuerpflicht zu ersetzen, als wahre Erleichterung. Inwie- weit diesem aber die Einrichtung zugänglich ist, an deren Benutzung das Gesetz seine Wirkung knüpft, das hängt in verschiedenem Maſse von dem Entgegenkommen der Finanzverwaltung ab. Das Gesetz kann ein Recht auf die Erleichterung gewähren, in der Weise daſs es sie an eine Einrichtung knüpft, die jedem Steuer- pflichtigen zugänglich gehalten werden muſs. Beispiel: der sogenannte Begleitschein I. Es kann statt dessen der Behörde überlassen, an geeigneten Orten Einrichtungen zu treffen, durch deren Benützung die Erleichterung erworben wird. Dahin gehören die öffentlichen Niederlagen. Die einmal geschaffenen Niederlagen sollen alsdann Jedermann zur Benützung frei stehen, unter Erfüllung der Bedingungen der dafür erlassenen Regulative; es kommen die Formen der Benützung öffentlicher Anstalten darauf zur Anwendung (vgl. Bd. II § 52). Verweige- rung der Zulassung ist demnach im Gegensatz zum ersten Falle keine Rechtsverletzung, sondern im Dienstwege zum Austrag zu bringen. Die geschehene Zulassung aber bewirkt gesetzmäſsig die Erleichterung. Endlich kann es der Behörde überlassen sein, den einzelnen Steuer- pflichtigen den Genuſs einer solchen erleichternden Einrichtung nach freiem Ermessen zu gewähren, zu versagen, zu entziehen. In dieser Weise ist die Gestattung von Privatlagern geordnet. Das Gesetz verweist, nachdem es im allgemeinen die Gestattung von solchen zu- läſst, wegen alles näheren auf die zu erlassenden Regulative, welche ja schon für sich selbst nicht die Bedeutung von Rechtssätzen haben. Das Regulativ aber läſst dem freien Belieben der ausführenden Finanz- behörden den weitesten Spielraum 9. Rechtsordnung ist keine in der Sache. Daſs trotzdem im allgemeinen nicht leicht eine Ungerechtig- keit vorkommt, beruht auf guter Sitte, die ja die Rechtsordnung zeit- weilig zu ersetzen vermag. II. Die Stundung der Steuer. Die Entstehung der Steuer- pflicht bedeutet nicht notwendig auch die gleichzeitige Fälligkeit. Das Gesetz bestimmt zum Teil von vornherein allgemeine Termine, in welchen die Erhebung stattfinden soll. So sind die meisten direkten Steuern in Raten über das Jahr verteilt; für die indirekten bestehen, wenn sie an einen regelmäſsigen Geschäftsbetrieb sich anschlieſsen, ähnliche Termine 10. Unter Stundung der Steuer verstehen wir die 9 Privatlager-Regulativ v. 8. Juni 1888 giebt für die Gewährung gar keine bindenden Regeln; für die Zurücknahme führt es bloſs Beispiele auf, wann dieselbe „insbesondere“ erfolgen kann (§ 11 n. 2). 10 Bayr. Ges. über den Malzaufschlag v. 26. Mai 1868 Art. 43; Reichsges. die Besteuerung des Tabaks betr. v. 16. Juli 1879 § 19.

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895, S. 410. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/430>, abgerufen am 23.12.2024.