Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895.§ 31. Die Finanzstrafe. Unentschieden ist, ob missbilligt sein soll wegen der Richtungauf Verkürzung der Gefälle, die das Verhalten hätte, oder ohne diese besondere Kennzeichnung. Zunächst soll das Verhalten dafür angesehen werden, dass es diese Richtung habe. Es ist aber der Gegenbeweis offen gelassen, dass im gegebenen Falle äussere Gründe vorliegen, die es unfähig machten, den Erfolg der Verkürzung zu haben, oder dass der Wille fehlte, es dahin zu führen. Wird der Beweis erbracht, so fällt diese besondere Kennzeichnung des Ver- haltens hinweg; es bleibt einfach missbilligt und der Ordnungsstrafe unterworfen; aber es ist nicht als auf Verkürzung gerichtet missbilligt, keine Hinterziehung. Insofern hier offenbar eine Rechtsvermutung mit ins Spiel kommt, 3. Die Hinterziehung bedarf der genaueren Abgrenzung noch Mit diesem zeigt ihr Thatbestand die ausgeprägteste Verwandt- 19 Ganz auf Abwege gerät hier Haelschner, Stf.R. S. 1006. Er meint, es
handle sich bei den Finanzdelikten überhaupt um eine Präsumtion der Schuld und sieht Belege dafür in den hier besprochenen Bestimmungen Zollges. § 137 u. s. w. Ihre Bedeutung bestünde darin, "dass die Straflosigkeit von dem durch den Be- schuldigten zu erbringenden Beweis der Nichtschuld abhängig gemacht wird". Nun fügt er aber selbst hinzu, dass auch bei geliefertem Beweis der Nichtschuld noch Strafe erfolgt, nur eben eine geringere. Da wäre aber doch leicht einzusehen, dass es sich nicht um Strafbarkeit und Straflosigkeit, nicht um Schuld und Nicht- schuld handelt, sondern um zweierlei Vergehen mit zweierlei Schuld: Hinterziehung und Ordnungswidrigkeit, Defraudation und Kontravention. -- Indem Haelschner den Gedanken, dass es sich im § 137 um einen Entlastungsbeweis gegenüber der Strafbarkeit handle, blindlings weiter verfolgt, kommt er dazu, die Grundsätze dieses Paragraphen auch anzuwenden auf die Wechselstempelsteuer, bei welcher doch die zwei Vergehensarten, zwischen welchen der Entlastungsbeweis des § 137 die Grenze zieht, gar nicht unterschieden sind. Er meint, auch bei dieser wäre "die Strafbar- keit durch den Beweis der mangelnden Absicht, die Steuer zu hinterziehen, aus- geschlossen". Das ist offenbar falsch. So leichten Kaufes kommt man auf dem Gebiete des Finanzstrafrechtes überhaupt nicht davon. § 31. Die Finanzstrafe. Unentschieden ist, ob miſsbilligt sein soll wegen der Richtungauf Verkürzung der Gefälle, die das Verhalten hätte, oder ohne diese besondere Kennzeichnung. Zunächst soll das Verhalten dafür angesehen werden, daſs es diese Richtung habe. Es ist aber der Gegenbeweis offen gelassen, daſs im gegebenen Falle äuſsere Gründe vorliegen, die es unfähig machten, den Erfolg der Verkürzung zu haben, oder daſs der Wille fehlte, es dahin zu führen. Wird der Beweis erbracht, so fällt diese besondere Kennzeichnung des Ver- haltens hinweg; es bleibt einfach miſsbilligt und der Ordnungsstrafe unterworfen; aber es ist nicht als auf Verkürzung gerichtet miſsbilligt, keine Hinterziehung. Insofern hier offenbar eine Rechtsvermutung mit ins Spiel kommt, 3. Die Hinterziehung bedarf der genaueren Abgrenzung noch Mit diesem zeigt ihr Thatbestand die ausgeprägteste Verwandt- 19 Ganz auf Abwege gerät hier Haelschner, Stf.R. S. 1006. Er meint, es
handle sich bei den Finanzdelikten überhaupt um eine Präsumtion der Schuld und sieht Belege dafür in den hier besprochenen Bestimmungen Zollges. § 137 u. s. w. Ihre Bedeutung bestünde darin, „daſs die Straflosigkeit von dem durch den Be- schuldigten zu erbringenden Beweis der Nichtschuld abhängig gemacht wird“. Nun fügt er aber selbst hinzu, daſs auch bei geliefertem Beweis der Nichtschuld noch Strafe erfolgt, nur eben eine geringere. Da wäre aber doch leicht einzusehen, daſs es sich nicht um Strafbarkeit und Straflosigkeit, nicht um Schuld und Nicht- schuld handelt, sondern um zweierlei Vergehen mit zweierlei Schuld: Hinterziehung und Ordnungswidrigkeit, Defraudation und Kontravention. — Indem Haelschner den Gedanken, daſs es sich im § 137 um einen Entlastungsbeweis gegenüber der Strafbarkeit handle, blindlings weiter verfolgt, kommt er dazu, die Grundsätze dieses Paragraphen auch anzuwenden auf die Wechselstempelsteuer, bei welcher doch die zwei Vergehensarten, zwischen welchen der Entlastungsbeweis des § 137 die Grenze zieht, gar nicht unterschieden sind. Er meint, auch bei dieser wäre „die Strafbar- keit durch den Beweis der mangelnden Absicht, die Steuer zu hinterziehen, aus- geschlossen“. Das ist offenbar falsch. So leichten Kaufes kommt man auf dem Gebiete des Finanzstrafrechtes überhaupt nicht davon. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0477" n="457"/><fw place="top" type="header">§ 31. Die Finanzstrafe.</fw><lb/> Unentschieden ist, ob miſsbilligt sein soll wegen der Richtung<lb/> auf Verkürzung der Gefälle, die das Verhalten hätte, oder ohne<lb/> diese besondere Kennzeichnung. Zunächst soll das Verhalten dafür<lb/> angesehen werden, daſs es diese Richtung habe. Es ist aber der<lb/> Gegenbeweis offen gelassen, daſs im gegebenen Falle äuſsere<lb/> Gründe vorliegen, die es unfähig machten, den Erfolg der Verkürzung<lb/> zu haben, oder daſs der Wille fehlte, es dahin zu führen. Wird der<lb/> Beweis erbracht, so fällt diese besondere Kennzeichnung des Ver-<lb/> haltens hinweg; es bleibt einfach miſsbilligt und der Ordnungsstrafe<lb/> unterworfen; aber es ist nicht als auf Verkürzung gerichtet miſsbilligt,<lb/> keine Hinterziehung.</p><lb/> <p>Insofern hier offenbar eine Rechtsvermutung mit ins Spiel kommt,<lb/> werden wir von diesem Fall noch besonders zu handeln haben<note place="foot" n="19">Ganz auf Abwege gerät hier <hi rendition="#g">Haelschner,</hi> Stf.R. S. 1006. Er meint, es<lb/> handle sich bei den Finanzdelikten überhaupt um eine Präsumtion der Schuld und<lb/> sieht Belege dafür in den hier besprochenen Bestimmungen Zollges. § 137 u. s. w.<lb/> Ihre Bedeutung bestünde darin, „daſs die Straflosigkeit von dem durch den Be-<lb/> schuldigten zu erbringenden Beweis der Nichtschuld abhängig gemacht wird“.<lb/> Nun fügt er aber selbst hinzu, daſs auch bei geliefertem Beweis der Nichtschuld<lb/> noch Strafe erfolgt, nur eben eine geringere. Da wäre aber doch leicht einzusehen,<lb/> daſs es sich nicht um Strafbarkeit und Straflosigkeit, nicht um Schuld und Nicht-<lb/> schuld handelt, sondern um zweierlei Vergehen mit zweierlei Schuld: Hinterziehung<lb/> und Ordnungswidrigkeit, Defraudation und Kontravention. — Indem Haelschner den<lb/> Gedanken, daſs es sich im § 137 um einen Entlastungsbeweis gegenüber der<lb/> Strafbarkeit handle, blindlings weiter verfolgt, kommt er dazu, die Grundsätze dieses<lb/> Paragraphen auch anzuwenden auf die Wechselstempelsteuer, bei welcher doch die<lb/> zwei Vergehensarten, zwischen welchen der Entlastungsbeweis des § 137 die Grenze<lb/> zieht, gar nicht unterschieden sind. Er meint, auch bei dieser wäre „die Strafbar-<lb/> keit durch den Beweis der mangelnden Absicht, die Steuer zu hinterziehen, aus-<lb/> geschlossen“. Das ist offenbar falsch. So leichten Kaufes kommt man auf dem<lb/> Gebiete des Finanzstrafrechtes überhaupt nicht davon.</note>.</p><lb/> <p>3. Die Hinterziehung bedarf der genaueren Abgrenzung noch<lb/> nach einer anderen Seite hin: gegenüber dem Vergehen des <hi rendition="#g">Be-<lb/> truges</hi> nach gemeinem Strafrecht.</p><lb/> <p>Mit diesem zeigt ihr Thatbestand die ausgeprägteste Verwandt-<lb/> schaft. Es handelt sich um eine Vermögensbeschädigung, die einem<lb/> Anderen, dem Staate zugefügt werden soll; der Defraudant beabsichtigt<lb/> dabei einen rechtswidrigen Vorteil für sich; die meisten, nicht alle<lb/> Fälle der Hinterziehung gehen vor sich unter unrichtigen Angaben,<lb/> Verhüllungen der Wahrheit oder rechtswidrigen Nichtenthüllungen,<lb/> ein Irrtum wird erregt oder unterhalten. Hier müſste also die Hinter-<lb/> ziehung in Betrug übergehen oder der Betrug mit ihr konkurrieren;<lb/> wir brauchen uns hier nicht zu entscheiden, ob das eine oder das<lb/> andere der Fall wäre.</p><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [457/0477]
§ 31. Die Finanzstrafe.
Unentschieden ist, ob miſsbilligt sein soll wegen der Richtung
auf Verkürzung der Gefälle, die das Verhalten hätte, oder ohne
diese besondere Kennzeichnung. Zunächst soll das Verhalten dafür
angesehen werden, daſs es diese Richtung habe. Es ist aber der
Gegenbeweis offen gelassen, daſs im gegebenen Falle äuſsere
Gründe vorliegen, die es unfähig machten, den Erfolg der Verkürzung
zu haben, oder daſs der Wille fehlte, es dahin zu führen. Wird der
Beweis erbracht, so fällt diese besondere Kennzeichnung des Ver-
haltens hinweg; es bleibt einfach miſsbilligt und der Ordnungsstrafe
unterworfen; aber es ist nicht als auf Verkürzung gerichtet miſsbilligt,
keine Hinterziehung.
Insofern hier offenbar eine Rechtsvermutung mit ins Spiel kommt,
werden wir von diesem Fall noch besonders zu handeln haben 19.
3. Die Hinterziehung bedarf der genaueren Abgrenzung noch
nach einer anderen Seite hin: gegenüber dem Vergehen des Be-
truges nach gemeinem Strafrecht.
Mit diesem zeigt ihr Thatbestand die ausgeprägteste Verwandt-
schaft. Es handelt sich um eine Vermögensbeschädigung, die einem
Anderen, dem Staate zugefügt werden soll; der Defraudant beabsichtigt
dabei einen rechtswidrigen Vorteil für sich; die meisten, nicht alle
Fälle der Hinterziehung gehen vor sich unter unrichtigen Angaben,
Verhüllungen der Wahrheit oder rechtswidrigen Nichtenthüllungen,
ein Irrtum wird erregt oder unterhalten. Hier müſste also die Hinter-
ziehung in Betrug übergehen oder der Betrug mit ihr konkurrieren;
wir brauchen uns hier nicht zu entscheiden, ob das eine oder das
andere der Fall wäre.
19 Ganz auf Abwege gerät hier Haelschner, Stf.R. S. 1006. Er meint, es
handle sich bei den Finanzdelikten überhaupt um eine Präsumtion der Schuld und
sieht Belege dafür in den hier besprochenen Bestimmungen Zollges. § 137 u. s. w.
Ihre Bedeutung bestünde darin, „daſs die Straflosigkeit von dem durch den Be-
schuldigten zu erbringenden Beweis der Nichtschuld abhängig gemacht wird“.
Nun fügt er aber selbst hinzu, daſs auch bei geliefertem Beweis der Nichtschuld
noch Strafe erfolgt, nur eben eine geringere. Da wäre aber doch leicht einzusehen,
daſs es sich nicht um Strafbarkeit und Straflosigkeit, nicht um Schuld und Nicht-
schuld handelt, sondern um zweierlei Vergehen mit zweierlei Schuld: Hinterziehung
und Ordnungswidrigkeit, Defraudation und Kontravention. — Indem Haelschner den
Gedanken, daſs es sich im § 137 um einen Entlastungsbeweis gegenüber der
Strafbarkeit handle, blindlings weiter verfolgt, kommt er dazu, die Grundsätze dieses
Paragraphen auch anzuwenden auf die Wechselstempelsteuer, bei welcher doch die
zwei Vergehensarten, zwischen welchen der Entlastungsbeweis des § 137 die Grenze
zieht, gar nicht unterschieden sind. Er meint, auch bei dieser wäre „die Strafbar-
keit durch den Beweis der mangelnden Absicht, die Steuer zu hinterziehen, aus-
geschlossen“. Das ist offenbar falsch. So leichten Kaufes kommt man auf dem
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