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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895.

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§ 31. Die Finanzstrafe.

Besondere Ordnungen giebt aber das Gesetz für die Fälle, wo
Einer einstehen soll für die Finanzwidrigkeit, die unmittelbar nicht
von ihm selbst ausgeht, der er aber verpflichtet war vorzubeugen.
Hier wird das zugehörige Verschulden mit gesetzlichen Vermutungen
versehen.

Es kommen zweierlei Arten von Verantwortlichkeiten hier in
Betracht.

Die strafrechtliche Verantwortlichkeit eines Unter-
nehmers kann daran geknüpft werden, dass die Finanzwidrigkeit im
Machtbereich seines Unternehmens vor sich geht, in seinem Geschäfts-
betrieb, in seinen Räumlichkeiten. Das bedeutet alsdann die Auf-
erlegung einer Pflicht, die Finanzwidrigkeit zu verhindern. Die Nicht-
erfüllung der Pflicht enthält aber hier das Verschulden, wie es zur
Strafbarkeit vorausgesetzt ist, nur dann, wenn der Unternehmer Kennt-
nis von der Finanzwidrigkeit hatte. Das Gesetz ordnet dafür Ver-
mutungen und zwar bald in strengerem, bald in milderem Sinn. Ent-
weder soll bei vorhandener Finanzwidrigkeit die Kenntnis des Unter-
nehmers angenommen werden, falls nicht das Gegenteil erwiesen ist31.
Oder es wird umgekehrt eine besondere Feststellung des Wissens des
Verantwortlichzumachenden verlangt, wobei alsdann im Zweifel wieder
Freisprechung erfolgen muss32.

Die zweite Art gesetzlicher Vermutungen knüpft sich an die so-
gleich (unter IV n. 1) noch zu besprechende Haftung des Dienst-
herrn für die Geldstrafen, welche seine Untergebenen verwirken. Die
Haftung kann gebunden sein an die Voraussetzung eines eigenen Ver-
schuldens des Herrn. Dieses Verschulden mag dann auf Nichtver-
hindern, Nichtbeaufsichtigen oder schlechte Auswahl der Untergebenen
gegründet werden. Das Gesetz aber ordnet den Beweis durch be-
sondere Regeln, indem es entweder Vermutungen aufstellt für das
Wissen, die Nachlässigkeit des Herrn oder umgekehrt Feststellung
von besonderen Thatsachen fordert, aus denen solches hervorgehen soll33.

31 Spielkartenstempelges. § 10 Abs. 3.
32 Branntweinsteuerges. v. 1887 § 28.
33 Besonders merkwürdig sind die Bestimmungen des Branntweinsteuergesetzes
von 1868 § 66: Der Brennereibesitzer haftet für die Geldstrafen, die seine Ver-
walter oder Gehülfen treffen. Regelmässig muss ihm aber Fahrlässigkeit bei der
Auswahl oder bei der Beaufsichtigung nachgewiesen werden. Als Fahrlässigkeit
gilt schon die wissentliche Anstellung eines wegen Branntweinsteuerdefraudation
Vorbestraften, es sei denn, dass die Finanzbehörde die Anstellung besonders ge-
nehmigt. Ein Brennereibesitzer, der selbst schon wegen absichtlicher Branntwein-
steuerdefraudation bestraft ist, hat gegen sich die Vermutung, bei der Auswahl oder
Binding, Handbuch. VI. 1: Otto Mayer, Verwaltungsr. I. 30
§ 31. Die Finanzstrafe.

Besondere Ordnungen giebt aber das Gesetz für die Fälle, wo
Einer einstehen soll für die Finanzwidrigkeit, die unmittelbar nicht
von ihm selbst ausgeht, der er aber verpflichtet war vorzubeugen.
Hier wird das zugehörige Verschulden mit gesetzlichen Vermutungen
versehen.

Es kommen zweierlei Arten von Verantwortlichkeiten hier in
Betracht.

Die strafrechtliche Verantwortlichkeit eines Unter-
nehmers kann daran geknüpft werden, daſs die Finanzwidrigkeit im
Machtbereich seines Unternehmens vor sich geht, in seinem Geschäfts-
betrieb, in seinen Räumlichkeiten. Das bedeutet alsdann die Auf-
erlegung einer Pflicht, die Finanzwidrigkeit zu verhindern. Die Nicht-
erfüllung der Pflicht enthält aber hier das Verschulden, wie es zur
Strafbarkeit vorausgesetzt ist, nur dann, wenn der Unternehmer Kennt-
nis von der Finanzwidrigkeit hatte. Das Gesetz ordnet dafür Ver-
mutungen und zwar bald in strengerem, bald in milderem Sinn. Ent-
weder soll bei vorhandener Finanzwidrigkeit die Kenntnis des Unter-
nehmers angenommen werden, falls nicht das Gegenteil erwiesen ist31.
Oder es wird umgekehrt eine besondere Feststellung des Wissens des
Verantwortlichzumachenden verlangt, wobei alsdann im Zweifel wieder
Freisprechung erfolgen muſs32.

Die zweite Art gesetzlicher Vermutungen knüpft sich an die so-
gleich (unter IV n. 1) noch zu besprechende Haftung des Dienst-
herrn für die Geldstrafen, welche seine Untergebenen verwirken. Die
Haftung kann gebunden sein an die Voraussetzung eines eigenen Ver-
schuldens des Herrn. Dieses Verschulden mag dann auf Nichtver-
hindern, Nichtbeaufsichtigen oder schlechte Auswahl der Untergebenen
gegründet werden. Das Gesetz aber ordnet den Beweis durch be-
sondere Regeln, indem es entweder Vermutungen aufstellt für das
Wissen, die Nachlässigkeit des Herrn oder umgekehrt Feststellung
von besonderen Thatsachen fordert, aus denen solches hervorgehen soll33.

31 Spielkartenstempelges. § 10 Abs. 3.
32 Branntweinsteuerges. v. 1887 § 28.
33 Besonders merkwürdig sind die Bestimmungen des Branntweinsteuergesetzes
von 1868 § 66: Der Brennereibesitzer haftet für die Geldstrafen, die seine Ver-
walter oder Gehülfen treffen. Regelmäſsig muſs ihm aber Fahrlässigkeit bei der
Auswahl oder bei der Beaufsichtigung nachgewiesen werden. Als Fahrlässigkeit
gilt schon die wissentliche Anstellung eines wegen Branntweinsteuerdefraudation
Vorbestraften, es sei denn, daſs die Finanzbehörde die Anstellung besonders ge-
nehmigt. Ein Brennereibesitzer, der selbst schon wegen absichtlicher Branntwein-
steuerdefraudation bestraft ist, hat gegen sich die Vermutung, bei der Auswahl oder
Binding, Handbuch. VI. 1: Otto Mayer, Verwaltungsr. I. 30
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[465/0485] § 31. Die Finanzstrafe. Besondere Ordnungen giebt aber das Gesetz für die Fälle, wo Einer einstehen soll für die Finanzwidrigkeit, die unmittelbar nicht von ihm selbst ausgeht, der er aber verpflichtet war vorzubeugen. Hier wird das zugehörige Verschulden mit gesetzlichen Vermutungen versehen. Es kommen zweierlei Arten von Verantwortlichkeiten hier in Betracht. Die strafrechtliche Verantwortlichkeit eines Unter- nehmers kann daran geknüpft werden, daſs die Finanzwidrigkeit im Machtbereich seines Unternehmens vor sich geht, in seinem Geschäfts- betrieb, in seinen Räumlichkeiten. Das bedeutet alsdann die Auf- erlegung einer Pflicht, die Finanzwidrigkeit zu verhindern. Die Nicht- erfüllung der Pflicht enthält aber hier das Verschulden, wie es zur Strafbarkeit vorausgesetzt ist, nur dann, wenn der Unternehmer Kennt- nis von der Finanzwidrigkeit hatte. Das Gesetz ordnet dafür Ver- mutungen und zwar bald in strengerem, bald in milderem Sinn. Ent- weder soll bei vorhandener Finanzwidrigkeit die Kenntnis des Unter- nehmers angenommen werden, falls nicht das Gegenteil erwiesen ist 31. Oder es wird umgekehrt eine besondere Feststellung des Wissens des Verantwortlichzumachenden verlangt, wobei alsdann im Zweifel wieder Freisprechung erfolgen muſs 32. Die zweite Art gesetzlicher Vermutungen knüpft sich an die so- gleich (unter IV n. 1) noch zu besprechende Haftung des Dienst- herrn für die Geldstrafen, welche seine Untergebenen verwirken. Die Haftung kann gebunden sein an die Voraussetzung eines eigenen Ver- schuldens des Herrn. Dieses Verschulden mag dann auf Nichtver- hindern, Nichtbeaufsichtigen oder schlechte Auswahl der Untergebenen gegründet werden. Das Gesetz aber ordnet den Beweis durch be- sondere Regeln, indem es entweder Vermutungen aufstellt für das Wissen, die Nachlässigkeit des Herrn oder umgekehrt Feststellung von besonderen Thatsachen fordert, aus denen solches hervorgehen soll 33. 31 Spielkartenstempelges. § 10 Abs. 3. 32 Branntweinsteuerges. v. 1887 § 28. 33 Besonders merkwürdig sind die Bestimmungen des Branntweinsteuergesetzes von 1868 § 66: Der Brennereibesitzer haftet für die Geldstrafen, die seine Ver- walter oder Gehülfen treffen. Regelmäſsig muſs ihm aber Fahrlässigkeit bei der Auswahl oder bei der Beaufsichtigung nachgewiesen werden. Als Fahrlässigkeit gilt schon die wissentliche Anstellung eines wegen Branntweinsteuerdefraudation Vorbestraften, es sei denn, daſs die Finanzbehörde die Anstellung besonders ge- nehmigt. Ein Brennereibesitzer, der selbst schon wegen absichtlicher Branntwein- steuerdefraudation bestraft ist, hat gegen sich die Vermutung, bei der Auswahl oder Binding, Handbuch. VI. 1: Otto Mayer, Verwaltungsr. I. 30

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895, S. 465. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/485>, abgerufen am 01.11.2024.