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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895.

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Geschichtliche Entwicklungsstufen.

Mit der Ausbildung des Polizeistaates verlieren diese einzelnen
Rechte ihre Bedeutung; sie verschwinden hinter der Allgewalt des Staates.
Dafür tritt jetzt die im Fiscus gegebene juristische Person, die
Trägerin der dem Staatszwecke gewidmeten Vermögensrechte mehr
in den Vordergrund. Die Staatsidee scheidet das Vermögen des Fiscus
vom Privatvermögen, Schatullgeld u. s. w. des Landesherrn. Der
landesherrliche Fiskus verwaltet dieses Vermögen durch die dazu be-
stimmten Beamten und verteidigt es vor Gericht in Rechtsstreitigkeiten
mit den Unterthanen als Prozesspartei. Er ist jetzt eine Seite
des Staates, aber diese Seite des Staates ist anerkannt und ausge-
bildet als juristische Person, bevor noch der Staat im übrigen als
juristische Person gedacht wurde. Der Fiskus steht neben dem
Fürsten und seinen Behörden, welche die öffentliche Gewalt ausüben,
vertritt sie in allen civilrechtlichen Vermögensverhältnissen, welche
sich daran knüpfen18.

Nun bricht aber immer deutlicher die Anschauung durch, dass
auch für die Summe der Hoheitsrechte oder vielmehr jetzt die all-
gemeine hoheitliche Macht der Staat in aller Form als das Rechts-
subjekt zu denken ist, für welches sie ausgeübt wird; er ist juristische
Person auch als Ausgangspunkt der öffentlichen Gewalt.

Dadurch erhalten wir von selbst zwei Rechtssubjekte neben
einander, in welche der Staat juristisch zerlegt ist: einerseits den
alten Fiskus, den Staat als Erwerbsgesellschaft oder juristische

Hoheitsrechte bestehen, ist der Fiskus auch bei Cramer, Wetzl. Nebenst. IV S. 66;
dadurch eben kommt es, dass "causae fiscales a causis principum privatis et propriis
differiren". Häberlin, St.R. II S. 238 ff., giebt die Geschichte. "In älteren
Zeiten glaubte man, dass nur der Kaiser einen fiscus haben könne" (S. 240). Es
handelt sich eben immer nur um die "Rechte des fiscus". Ebenso Klüber,
Öff. R. S. 700 ff., wo das jus fisci gar als ein besonderes Hoheitsrecht erscheint.
Zöpfl, St.R. II § 458 II bezeichnet den fiscus als "eine Behörde, welche die
Rechte des Staates als Staatskasse ausübt". Die Ausdrucksweise wird allerdings
immer seltsamer.
18 Die Verbindung civilrechtlicher juristischer Personen mit öffentlicher Ver-
waltung wiederholt sich mannigfach in kleineren Kreisen unterhalb der Staats-
gewalt. Das Genauere über diese Entwicklung in der Lehre von den jurist. Per-
sonen des öff. R. -- Über den Fiskus als den Vertreter des Königs und der Be-
hörden in civilrechtlichen Verhältnissen: Preuss. Kab.Ord. 4. Dez. 1831; Oppen-
hoff,
Ress.Verh. S. 39; Koch, Komment. zum A.L.R. II S. 404; Braunschw.
Landschaftsordnung § 198. Diese Vertretung bedeutet wesentlich eine civilrecht-
liche Haftung. Der Fiskus seinerseits wird wieder von den Behörden vertreten, in
dem Sinne, dass sie der juristischen Person vorstehen. Der Doppelsinn des Wortes
lässt die Sache oft wie eine gegenseitige Vertretung erscheinen. So z. B. bei Koch
a. a. O. S. 404 und S. 405.
Geschichtliche Entwicklungsstufen.

Mit der Ausbildung des Polizeistaates verlieren diese einzelnen
Rechte ihre Bedeutung; sie verschwinden hinter der Allgewalt des Staates.
Dafür tritt jetzt die im Fiscus gegebene juristische Person, die
Trägerin der dem Staatszwecke gewidmeten Vermögensrechte mehr
in den Vordergrund. Die Staatsidee scheidet das Vermögen des Fiscus
vom Privatvermögen, Schatullgeld u. s. w. des Landesherrn. Der
landesherrliche Fiskus verwaltet dieses Vermögen durch die dazu be-
stimmten Beamten und verteidigt es vor Gericht in Rechtsstreitigkeiten
mit den Unterthanen als Prozeſspartei. Er ist jetzt eine Seite
des Staates, aber diese Seite des Staates ist anerkannt und ausge-
bildet als juristische Person, bevor noch der Staat im übrigen als
juristische Person gedacht wurde. Der Fiskus steht neben dem
Fürsten und seinen Behörden, welche die öffentliche Gewalt ausüben,
vertritt sie in allen civilrechtlichen Vermögensverhältnissen, welche
sich daran knüpfen18.

Nun bricht aber immer deutlicher die Anschauung durch, daſs
auch für die Summe der Hoheitsrechte oder vielmehr jetzt die all-
gemeine hoheitliche Macht der Staat in aller Form als das Rechts-
subjekt zu denken ist, für welches sie ausgeübt wird; er ist juristische
Person auch als Ausgangspunkt der öffentlichen Gewalt.

Dadurch erhalten wir von selbst zwei Rechtssubjekte neben
einander, in welche der Staat juristisch zerlegt ist: einerseits den
alten Fiskus, den Staat als Erwerbsgesellschaft oder juristische

Hoheitsrechte bestehen, ist der Fiskus auch bei Cramer, Wetzl. Nebenst. IV S. 66;
dadurch eben kommt es, daſs „causae fiscales a causis principum privatis et propriis
differiren“. Häberlin, St.R. II S. 238 ff., giebt die Geschichte. „In älteren
Zeiten glaubte man, daſs nur der Kaiser einen fiscus haben könne“ (S. 240). Es
handelt sich eben immer nur um die „Rechte des fiscus“. Ebenso Klüber,
Öff. R. S. 700 ff., wo das jus fisci gar als ein besonderes Hoheitsrecht erscheint.
Zöpfl, St.R. II § 458 II bezeichnet den fiscus als „eine Behörde, welche die
Rechte des Staates als Staatskasse ausübt“. Die Ausdrucksweise wird allerdings
immer seltsamer.
18 Die Verbindung civilrechtlicher juristischer Personen mit öffentlicher Ver-
waltung wiederholt sich mannigfach in kleineren Kreisen unterhalb der Staats-
gewalt. Das Genauere über diese Entwicklung in der Lehre von den jurist. Per-
sonen des öff. R. — Über den Fiskus als den Vertreter des Königs und der Be-
hörden in civilrechtlichen Verhältnissen: Preuſs. Kab.Ord. 4. Dez. 1831; Oppen-
hoff,
Ress.Verh. S. 39; Koch, Komment. zum A.L.R. II S. 404; Braunschw.
Landschaftsordnung § 198. Diese Vertretung bedeutet wesentlich eine civilrecht-
liche Haftung. Der Fiskus seinerseits wird wieder von den Behörden vertreten, in
dem Sinne, daſs sie der juristischen Person vorstehen. Der Doppelsinn des Wortes
läſst die Sache oft wie eine gegenseitige Vertretung erscheinen. So z. B. bei Koch
a. a. O. S. 404 und S. 405.
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[48/0068] Geschichtliche Entwicklungsstufen. Mit der Ausbildung des Polizeistaates verlieren diese einzelnen Rechte ihre Bedeutung; sie verschwinden hinter der Allgewalt des Staates. Dafür tritt jetzt die im Fiscus gegebene juristische Person, die Trägerin der dem Staatszwecke gewidmeten Vermögensrechte mehr in den Vordergrund. Die Staatsidee scheidet das Vermögen des Fiscus vom Privatvermögen, Schatullgeld u. s. w. des Landesherrn. Der landesherrliche Fiskus verwaltet dieses Vermögen durch die dazu be- stimmten Beamten und verteidigt es vor Gericht in Rechtsstreitigkeiten mit den Unterthanen als Prozeſspartei. Er ist jetzt eine Seite des Staates, aber diese Seite des Staates ist anerkannt und ausge- bildet als juristische Person, bevor noch der Staat im übrigen als juristische Person gedacht wurde. Der Fiskus steht neben dem Fürsten und seinen Behörden, welche die öffentliche Gewalt ausüben, vertritt sie in allen civilrechtlichen Vermögensverhältnissen, welche sich daran knüpfen 18. Nun bricht aber immer deutlicher die Anschauung durch, daſs auch für die Summe der Hoheitsrechte oder vielmehr jetzt die all- gemeine hoheitliche Macht der Staat in aller Form als das Rechts- subjekt zu denken ist, für welches sie ausgeübt wird; er ist juristische Person auch als Ausgangspunkt der öffentlichen Gewalt. Dadurch erhalten wir von selbst zwei Rechtssubjekte neben einander, in welche der Staat juristisch zerlegt ist: einerseits den alten Fiskus, den Staat als Erwerbsgesellschaft oder juristische 17 18 Die Verbindung civilrechtlicher juristischer Personen mit öffentlicher Ver- waltung wiederholt sich mannigfach in kleineren Kreisen unterhalb der Staats- gewalt. Das Genauere über diese Entwicklung in der Lehre von den jurist. Per- sonen des öff. R. — Über den Fiskus als den Vertreter des Königs und der Be- hörden in civilrechtlichen Verhältnissen: Preuſs. Kab.Ord. 4. Dez. 1831; Oppen- hoff, Ress.Verh. S. 39; Koch, Komment. zum A.L.R. II S. 404; Braunschw. Landschaftsordnung § 198. Diese Vertretung bedeutet wesentlich eine civilrecht- liche Haftung. Der Fiskus seinerseits wird wieder von den Behörden vertreten, in dem Sinne, daſs sie der juristischen Person vorstehen. Der Doppelsinn des Wortes läſst die Sache oft wie eine gegenseitige Vertretung erscheinen. So z. B. bei Koch a. a. O. S. 404 und S. 405. 17 Hoheitsrechte bestehen, ist der Fiskus auch bei Cramer, Wetzl. Nebenst. IV S. 66; dadurch eben kommt es, daſs „causae fiscales a causis principum privatis et propriis differiren“. Häberlin, St.R. II S. 238 ff., giebt die Geschichte. „In älteren Zeiten glaubte man, daſs nur der Kaiser einen fiscus haben könne“ (S. 240). Es handelt sich eben immer nur um die „Rechte des fiscus“. Ebenso Klüber, Öff. R. S. 700 ff., wo das jus fisci gar als ein besonderes Hoheitsrecht erscheint. Zöpfl, St.R. II § 458 II bezeichnet den fiscus als „eine Behörde, welche die Rechte des Staates als Staatskasse ausübt“. Die Ausdrucksweise wird allerdings immer seltsamer.

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/68>, abgerufen am 22.12.2024.