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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

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Das öffentliche Sachenrecht.
Recht. Der denkende Jurist wird aber zur Not auch hier einen still-
schweigenden Vertrag mit umgekehrter Reihenfolge der Erklärungen
herzustellen wissen32.

Wenn man doch schon eines stillschweigenden Vertrages bedarf,
so ist es gewiß richtiger, unmittelbar auf das Ziel loszugehen und
einfach anzunehmen, der Staat habe für den Fall der Verlegung oder
Änderung der Straße den Anliegern Entschädigung ver-
sprochen;
mag man das dann ein Garantieversprechen oder
sonst wie nennen. Daß dieses Versprechen zu Gunsten jedes Rechts-
nachfolgers des ersten Angrenzers wirkt, wäre dagegen ein so großes
Bedenken nicht33.

Der Haupteinwand gegen alle diese Verträge wird aber immer
der sein, daß sie thatsächlich nicht wahr sind. Der Staat, die Ge-
meinde denken gar nicht daran, eine derartige Verpflichtung freiwillig
übernehmen zu wollen. Der Entschädigungsanspruch kann nur un-
mittelbar auf Rechtstatz beruhen. Man würde niemals zu dem Not-
behelf der Annahme solcher Verträge greifen, wenn man nicht eben
noch in völliger Unkenntnis sich befände von dieser rechtssatzmäßigen
Grundlage. Sie ist aber einfach gegeben in unserem Rechtsinstitut
der öffentlichrechtlichen Entschädigung, demselben, welches auch zur
Ausgleichung der bei Ausübung des Gemeingebrauchs erlittenen Nach-
teile zur Anwendung kommt.

verhältnis begründet. Dadurch entstehen "private Benutzungsrechte, welche sich
juristisch als Servituten charakterisieren". Diese Entscheidung erging für das
Gebiet des französischen Rechts; für das des Preuß. Landrechts wird die gleiche
Konstruktion aufgestellt im R.G. 7. März 1882 (Samml. VII S. 213). Auch O.Tr.
10. April 1866 (Str. 62 S. 273) hat sich derselben bedient; vgl. auch die Ent-
scheidung oben Note 30. Bei den Franzosen ist diese Ausdrucksweise von jeher
sehr beliebt: Demolombe XII u. 699; Aubry u. Rau III S. 70. Sie meinen
es nur nicht so ernst damit; vgl. Theorie des Franz. V.R. S. 328 ff.
32 So meint es wohl das Reichsgericht in den soeben angeführten Entschei-
dungen: wenn das Haus schon bestand und die öffentliche Straße nachträglich
hinzukommt, "liegt die Sache nicht wesentlich anders, denn der Hauseigentümer
muß sich in diesem Falle den erwähnten Einschränkungen seines Eigentums unter-
werfen" (Samml. VII S. 213); oder, wie es auch ausgedrückt wird, es tritt das
Haus in diesem Falle "in den begründeten Rechtsnexus ein" (Samml. X S. 272).
Das klingt allerdings etwas dunkel; namentlich der Rechtsnexus scheint ein rich-
tiges juristisches Fabelwesen zu sein.
33 Ein derartiges stillschweigendes Garantieversprechen wird z. B. angenommen
in der Entsch. in Seuff. Arch. XXII S. 144, welche Bekker, Pand. S. 346 zu-
stimmend anführt. Oder man arbeitet gar mit der Fiktion einer gestellten cautio
damni infecti. Beispiele bei Ubbelohde a. a. O. S. 183 ff., der sich mit Recht
gegen diese Künstelei ausspricht.

Das öffentliche Sachenrecht.
Recht. Der denkende Jurist wird aber zur Not auch hier einen still-
schweigenden Vertrag mit umgekehrter Reihenfolge der Erklärungen
herzustellen wissen32.

Wenn man doch schon eines stillschweigenden Vertrages bedarf,
so ist es gewiß richtiger, unmittelbar auf das Ziel loszugehen und
einfach anzunehmen, der Staat habe für den Fall der Verlegung oder
Änderung der Straße den Anliegern Entschädigung ver-
sprochen;
mag man das dann ein Garantieversprechen oder
sonst wie nennen. Daß dieses Versprechen zu Gunsten jedes Rechts-
nachfolgers des ersten Angrenzers wirkt, wäre dagegen ein so großes
Bedenken nicht33.

Der Haupteinwand gegen alle diese Verträge wird aber immer
der sein, daß sie thatsächlich nicht wahr sind. Der Staat, die Ge-
meinde denken gar nicht daran, eine derartige Verpflichtung freiwillig
übernehmen zu wollen. Der Entschädigungsanspruch kann nur un-
mittelbar auf Rechtstatz beruhen. Man würde niemals zu dem Not-
behelf der Annahme solcher Verträge greifen, wenn man nicht eben
noch in völliger Unkenntnis sich befände von dieser rechtssatzmäßigen
Grundlage. Sie ist aber einfach gegeben in unserem Rechtsinstitut
der öffentlichrechtlichen Entschädigung, demselben, welches auch zur
Ausgleichung der bei Ausübung des Gemeingebrauchs erlittenen Nach-
teile zur Anwendung kommt.

verhältnis begründet. Dadurch entstehen „private Benutzungsrechte, welche sich
juristisch als Servituten charakterisieren“. Diese Entscheidung erging für das
Gebiet des französischen Rechts; für das des Preuß. Landrechts wird die gleiche
Konstruktion aufgestellt im R.G. 7. März 1882 (Samml. VII S. 213). Auch O.Tr.
10. April 1866 (Str. 62 S. 273) hat sich derselben bedient; vgl. auch die Ent-
scheidung oben Note 30. Bei den Franzosen ist diese Ausdrucksweise von jeher
sehr beliebt: Demolombe XII u. 699; Aubry u. Rau III S. 70. Sie meinen
es nur nicht so ernst damit; vgl. Theorie des Franz. V.R. S. 328 ff.
32 So meint es wohl das Reichsgericht in den soeben angeführten Entschei-
dungen: wenn das Haus schon bestand und die öffentliche Straße nachträglich
hinzukommt, „liegt die Sache nicht wesentlich anders, denn der Hauseigentümer
muß sich in diesem Falle den erwähnten Einschränkungen seines Eigentums unter-
werfen“ (Samml. VII S. 213); oder, wie es auch ausgedrückt wird, es tritt das
Haus in diesem Falle „in den begründeten Rechtsnexus ein“ (Samml. X S. 272).
Das klingt allerdings etwas dunkel; namentlich der Rechtsnexus scheint ein rich-
tiges juristisches Fabelwesen zu sein.
33 Ein derartiges stillschweigendes Garantieversprechen wird z. B. angenommen
in der Entsch. in Seuff. Arch. XXII S. 144, welche Bekker, Pand. S. 346 zu-
stimmend anführt. Oder man arbeitet gar mit der Fiktion einer gestellten cautio
damni infecti. Beispiele bei Ubbelohde a. a. O. S. 183 ff., der sich mit Recht
gegen diese Künstelei ausspricht.
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[134/0146] Das öffentliche Sachenrecht. Recht. Der denkende Jurist wird aber zur Not auch hier einen still- schweigenden Vertrag mit umgekehrter Reihenfolge der Erklärungen herzustellen wissen 32. Wenn man doch schon eines stillschweigenden Vertrages bedarf, so ist es gewiß richtiger, unmittelbar auf das Ziel loszugehen und einfach anzunehmen, der Staat habe für den Fall der Verlegung oder Änderung der Straße den Anliegern Entschädigung ver- sprochen; mag man das dann ein Garantieversprechen oder sonst wie nennen. Daß dieses Versprechen zu Gunsten jedes Rechts- nachfolgers des ersten Angrenzers wirkt, wäre dagegen ein so großes Bedenken nicht 33. Der Haupteinwand gegen alle diese Verträge wird aber immer der sein, daß sie thatsächlich nicht wahr sind. Der Staat, die Ge- meinde denken gar nicht daran, eine derartige Verpflichtung freiwillig übernehmen zu wollen. Der Entschädigungsanspruch kann nur un- mittelbar auf Rechtstatz beruhen. Man würde niemals zu dem Not- behelf der Annahme solcher Verträge greifen, wenn man nicht eben noch in völliger Unkenntnis sich befände von dieser rechtssatzmäßigen Grundlage. Sie ist aber einfach gegeben in unserem Rechtsinstitut der öffentlichrechtlichen Entschädigung, demselben, welches auch zur Ausgleichung der bei Ausübung des Gemeingebrauchs erlittenen Nach- teile zur Anwendung kommt. 31 32 So meint es wohl das Reichsgericht in den soeben angeführten Entschei- dungen: wenn das Haus schon bestand und die öffentliche Straße nachträglich hinzukommt, „liegt die Sache nicht wesentlich anders, denn der Hauseigentümer muß sich in diesem Falle den erwähnten Einschränkungen seines Eigentums unter- werfen“ (Samml. VII S. 213); oder, wie es auch ausgedrückt wird, es tritt das Haus in diesem Falle „in den begründeten Rechtsnexus ein“ (Samml. X S. 272). Das klingt allerdings etwas dunkel; namentlich der Rechtsnexus scheint ein rich- tiges juristisches Fabelwesen zu sein. 33 Ein derartiges stillschweigendes Garantieversprechen wird z. B. angenommen in der Entsch. in Seuff. Arch. XXII S. 144, welche Bekker, Pand. S. 346 zu- stimmend anführt. Oder man arbeitet gar mit der Fiktion einer gestellten cautio damni infecti. Beispiele bei Ubbelohde a. a. O. S. 183 ff., der sich mit Recht gegen diese Künstelei ausspricht. 31 verhältnis begründet. Dadurch entstehen „private Benutzungsrechte, welche sich juristisch als Servituten charakterisieren“. Diese Entscheidung erging für das Gebiet des französischen Rechts; für das des Preuß. Landrechts wird die gleiche Konstruktion aufgestellt im R.G. 7. März 1882 (Samml. VII S. 213). Auch O.Tr. 10. April 1866 (Str. 62 S. 273) hat sich derselben bedient; vgl. auch die Ent- scheidung oben Note 30. Bei den Franzosen ist diese Ausdrucksweise von jeher sehr beliebt: Demolombe XII u. 699; Aubry u. Rau III S. 70. Sie meinen es nur nicht so ernst damit; vgl. Theorie des Franz. V.R. S. 328 ff.

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/146>, abgerufen am 22.11.2024.