Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.§ 41. Öffentlichrechtliche Eigentumsbeschränkung. Eingriffe dieser Art, die im militärischen Interesse vorgenommenwerden, wenn z. B. im Kriegsfalle die Gebäude und Pflanzungen im Vorlande der Festungswerke der Zerstörung verfallen und sonstige Gewaltmaßregeln an Grundstücken vorgenommen werden, nicht bloß im eigentlichen Rayon, sondern aller Orten, wo es not- wendig erscheint10. Das geht freilich an einem gewissen Punkte über in den eigentlichen Kriegsschaden, der jenseits des Civil- und Ver- waltungsrechts liegt; aber bis dahin erstreckt sich ein weites Feld solcher Einwirkungen, die sich die Prüfung nach diesem Friedens- rechte gefallen lassen müssen und die doch rechtmäßig vorgenommen werden können ohne Rechtstitel. Selbst dauernde Vorrichtungen müssen ohne weiteres ge- Erlaubnisse der Ortspolizeibehörde oder Bezirksregierung mit dieser Kraft aus- gestattet werden. Die Verwaltungsbehörden behalten also in dieser Beziehung die Oberleitung in der Hand. Aber auch das sind keine Verwaltungsakte, die das Grundstück belasten. Der Besitzer erhält in allen Fällen nur eine Benachrichti- gung von den bevorstehenden Störungen. -- Das Rechtsinstitut ist also das alte geblieben mit seiner sogenannten polizeilichen Grundlage, das Gesetz hat seine Eingriffe nur als rechtmäßige ausdrücklich anerkannt und sie mit schützenden Formen umgeben zu Gunsten der Betroffenen. 10 Rayonges. v. 21. Dez. 1871 § 44: "Wird im Falle einer Armierung die Freilegung der Festungsrayons von der Kommandantur angeordnet, so u. s. w." Die Zulässigkeit der Anordnung ist als selbstverständlich vorausgesetzt. Niemand wird zweifeln, daß der Kommandant im Armierungsfalle Zerstörungen von Ge- bäuden und Pflanzungen auch über den Rayon hinaus durchführen lassen kann. Die Zerstörungen im Rayon sind vom Gesetz nur ausgezeichnet durch die Ordnung des Entschädigungsverfahrens; über eine andere Besonderheit vgl. unten Note 14. 11 O.V.G. 11. Jan. 1879 behandelt einen Fall, wo die Gemeinde eine öffent-
liche Laterne auf Privateigentum gesetzt hat. Die Klage wird angesehen als gegen eine "polizeiliche Verfügung" gerichtet. Damit ist bekanntlich gesagt, daß die § 41. Öffentlichrechtliche Eigentumsbeschränkung. Eingriffe dieser Art, die im militärischen Interesse vorgenommenwerden, wenn z. B. im Kriegsfalle die Gebäude und Pflanzungen im Vorlande der Festungswerke der Zerstörung verfallen und sonstige Gewaltmaßregeln an Grundstücken vorgenommen werden, nicht bloß im eigentlichen Rayon, sondern aller Orten, wo es not- wendig erscheint10. Das geht freilich an einem gewissen Punkte über in den eigentlichen Kriegsschaden, der jenseits des Civil- und Ver- waltungsrechts liegt; aber bis dahin erstreckt sich ein weites Feld solcher Einwirkungen, die sich die Prüfung nach diesem Friedens- rechte gefallen lassen müssen und die doch rechtmäßig vorgenommen werden können ohne Rechtstitel. Selbst dauernde Vorrichtungen müssen ohne weiteres ge- Erlaubnisse der Ortspolizeibehörde oder Bezirksregierung mit dieser Kraft aus- gestattet werden. Die Verwaltungsbehörden behalten also in dieser Beziehung die Oberleitung in der Hand. Aber auch das sind keine Verwaltungsakte, die das Grundstück belasten. Der Besitzer erhält in allen Fällen nur eine Benachrichti- gung von den bevorstehenden Störungen. — Das Rechtsinstitut ist also das alte geblieben mit seiner sogenannten polizeilichen Grundlage, das Gesetz hat seine Eingriffe nur als rechtmäßige ausdrücklich anerkannt und sie mit schützenden Formen umgeben zu Gunsten der Betroffenen. 10 Rayonges. v. 21. Dez. 1871 § 44: „Wird im Falle einer Armierung die Freilegung der Festungsrayons von der Kommandantur angeordnet, so u. s. w.“ Die Zulässigkeit der Anordnung ist als selbstverständlich vorausgesetzt. Niemand wird zweifeln, daß der Kommandant im Armierungsfalle Zerstörungen von Ge- bäuden und Pflanzungen auch über den Rayon hinaus durchführen lassen kann. Die Zerstörungen im Rayon sind vom Gesetz nur ausgezeichnet durch die Ordnung des Entschädigungsverfahrens; über eine andere Besonderheit vgl. unten Note 14. 11 O.V.G. 11. Jan. 1879 behandelt einen Fall, wo die Gemeinde eine öffent-
liche Laterne auf Privateigentum gesetzt hat. Die Klage wird angesehen als gegen eine „polizeiliche Verfügung“ gerichtet. Damit ist bekanntlich gesagt, daß die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0197" n="185"/><fw place="top" type="header">§ 41. Öffentlichrechtliche Eigentumsbeschränkung.</fw><lb/> Eingriffe dieser Art, die im militärischen Interesse vorgenommen<lb/> werden, wenn z. B. im Kriegsfalle die Gebäude und Pflanzungen im<lb/><hi rendition="#g">Vorlande der Festungswerke</hi> der Zerstörung verfallen und<lb/> sonstige Gewaltmaßregeln an Grundstücken vorgenommen werden,<lb/> nicht bloß im eigentlichen Rayon, sondern aller Orten, wo es not-<lb/> wendig erscheint<note place="foot" n="10">Rayonges. v. 21. Dez. 1871 § 44: „Wird im Falle einer Armierung die<lb/> Freilegung der Festungsrayons von der Kommandantur angeordnet, so u. s. w.“<lb/> Die Zulässigkeit der Anordnung ist als selbstverständlich vorausgesetzt. Niemand<lb/> wird zweifeln, daß der Kommandant im Armierungsfalle Zerstörungen von Ge-<lb/> bäuden und Pflanzungen auch über den Rayon hinaus durchführen lassen kann.<lb/> Die Zerstörungen im Rayon sind vom Gesetz nur ausgezeichnet durch die Ordnung<lb/> des Entschädigungsverfahrens; über eine andere Besonderheit vgl. unten Note 14.</note>. Das geht freilich an einem gewissen Punkte über<lb/> in den eigentlichen Kriegsschaden, der jenseits des Civil- und Ver-<lb/> waltungsrechts liegt; aber bis dahin erstreckt sich ein weites Feld<lb/> solcher Einwirkungen, die sich die Prüfung nach diesem Friedens-<lb/> rechte gefallen lassen müssen und die doch rechtmäßig vorgenommen<lb/> werden können ohne Rechtstitel.</p><lb/> <p>Selbst <hi rendition="#g">dauernde Vorrichtungen</hi> müssen ohne weiteres ge-<lb/> duldet werden, wenn der Betrieb einer öffentlichen Anstalt, einer<lb/> öffentlichen Einrichtung sie gerade an dieser Stelle erfordert und eine<lb/> wesentliche Beeinträchtigung des freien Eigentumsgebrauches damit<lb/> nicht verbunden ist. <hi rendition="#g">Postbriefkasten</hi> und <hi rendition="#g">Straßenlaternen</hi><lb/> werden an den Hausmauern angebracht, auch ohne Einwilligung des<lb/> Besitzers. <hi rendition="#g">Straßenschilder</hi> und <hi rendition="#g">Hausnummern</hi> zur besseren<lb/> Ordnung des Straßenwesens werden unbedenklich an die fremden<lb/> Gebäude befestigt, <hi rendition="#g">Telegraphenträger</hi> in die Wände eingelassen;<lb/> die <hi rendition="#g">Telephondrähte,</hi> welche neuerdings so zahlreich den Luft-<lb/> raum der Grundstücke durchkreuzen, wären, privatrechtlich aufgefaßt,<lb/> nichts anderes als ständige Eingriffe und Verletzungen des Eigentums.<lb/> Die Frage nach dem Rechte dazu pflegt kein Bedenken zu machen.<lb/> Doch müssen wir wissen, wie das juristisch zugeht<note xml:id="seg2pn_59_1" next="#seg2pn_59_2" place="foot" n="11">O.V.G. 11. Jan. 1879 behandelt einen Fall, wo die Gemeinde eine öffent-<lb/> liche Laterne auf Privateigentum gesetzt hat. Die Klage wird angesehen als gegen<lb/> eine „polizeiliche Verfügung“ gerichtet. Damit ist bekanntlich gesagt, daß die</note>.</p><lb/> <p> <note xml:id="seg2pn_58_2" prev="#seg2pn_58_1" place="foot" n="9">Erlaubnisse der Ortspolizeibehörde oder Bezirksregierung mit dieser Kraft aus-<lb/> gestattet werden. Die Verwaltungsbehörden behalten also in dieser Beziehung die<lb/> Oberleitung in der Hand. Aber auch das sind keine Verwaltungsakte, die das<lb/> Grundstück belasten. Der Besitzer erhält in allen Fällen nur eine Benachrichti-<lb/> gung von den bevorstehenden Störungen. — Das Rechtsinstitut ist also das alte<lb/> geblieben mit seiner sogenannten polizeilichen Grundlage, das Gesetz hat seine<lb/> Eingriffe nur als rechtmäßige ausdrücklich anerkannt und sie mit schützenden<lb/> Formen umgeben zu Gunsten der Betroffenen.</note> </p><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [185/0197]
§ 41. Öffentlichrechtliche Eigentumsbeschränkung.
Eingriffe dieser Art, die im militärischen Interesse vorgenommen
werden, wenn z. B. im Kriegsfalle die Gebäude und Pflanzungen im
Vorlande der Festungswerke der Zerstörung verfallen und
sonstige Gewaltmaßregeln an Grundstücken vorgenommen werden,
nicht bloß im eigentlichen Rayon, sondern aller Orten, wo es not-
wendig erscheint 10. Das geht freilich an einem gewissen Punkte über
in den eigentlichen Kriegsschaden, der jenseits des Civil- und Ver-
waltungsrechts liegt; aber bis dahin erstreckt sich ein weites Feld
solcher Einwirkungen, die sich die Prüfung nach diesem Friedens-
rechte gefallen lassen müssen und die doch rechtmäßig vorgenommen
werden können ohne Rechtstitel.
Selbst dauernde Vorrichtungen müssen ohne weiteres ge-
duldet werden, wenn der Betrieb einer öffentlichen Anstalt, einer
öffentlichen Einrichtung sie gerade an dieser Stelle erfordert und eine
wesentliche Beeinträchtigung des freien Eigentumsgebrauches damit
nicht verbunden ist. Postbriefkasten und Straßenlaternen
werden an den Hausmauern angebracht, auch ohne Einwilligung des
Besitzers. Straßenschilder und Hausnummern zur besseren
Ordnung des Straßenwesens werden unbedenklich an die fremden
Gebäude befestigt, Telegraphenträger in die Wände eingelassen;
die Telephondrähte, welche neuerdings so zahlreich den Luft-
raum der Grundstücke durchkreuzen, wären, privatrechtlich aufgefaßt,
nichts anderes als ständige Eingriffe und Verletzungen des Eigentums.
Die Frage nach dem Rechte dazu pflegt kein Bedenken zu machen.
Doch müssen wir wissen, wie das juristisch zugeht 11.
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10 Rayonges. v. 21. Dez. 1871 § 44: „Wird im Falle einer Armierung die
Freilegung der Festungsrayons von der Kommandantur angeordnet, so u. s. w.“
Die Zulässigkeit der Anordnung ist als selbstverständlich vorausgesetzt. Niemand
wird zweifeln, daß der Kommandant im Armierungsfalle Zerstörungen von Ge-
bäuden und Pflanzungen auch über den Rayon hinaus durchführen lassen kann.
Die Zerstörungen im Rayon sind vom Gesetz nur ausgezeichnet durch die Ordnung
des Entschädigungsverfahrens; über eine andere Besonderheit vgl. unten Note 14.
11 O.V.G. 11. Jan. 1879 behandelt einen Fall, wo die Gemeinde eine öffent-
liche Laterne auf Privateigentum gesetzt hat. Die Klage wird angesehen als gegen
eine „polizeiliche Verfügung“ gerichtet. Damit ist bekanntlich gesagt, daß die
9 Erlaubnisse der Ortspolizeibehörde oder Bezirksregierung mit dieser Kraft aus-
gestattet werden. Die Verwaltungsbehörden behalten also in dieser Beziehung die
Oberleitung in der Hand. Aber auch das sind keine Verwaltungsakte, die das
Grundstück belasten. Der Besitzer erhält in allen Fällen nur eine Benachrichti-
gung von den bevorstehenden Störungen. — Das Rechtsinstitut ist also das alte
geblieben mit seiner sogenannten polizeilichen Grundlage, das Gesetz hat seine
Eingriffe nur als rechtmäßige ausdrücklich anerkannt und sie mit schützenden
Formen umgeben zu Gunsten der Betroffenen.
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