Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.§ 44. Anstellung im Staatsdienst. hafteste Meinungsverschiedenheit3. Einig ist aber jedenfalls allesdarüber, daß der Akt, wie die Dienstpflicht, die er begründet, dem öffentlichen Rechte angehöre. Damit ist der Boden gegeben, auf dem wir zu bauen haben: wir befinden uns im Gebiete der Ungleichheit der Rechtssubjekte. Das Wirkende bei der Anstellung ist also der Wille des Staates, Die Wirkung tritt ein, wie bei jedem Verwaltungsakt, mit der Die Ernennung soll und kann nicht wie die Berufung zum 3 Eine Zusammenstellung der Litteratur für und wider bei G. Meyer, St.R. § 439 Anm. 15 u. 17. Über die Geschichte der Vertragstheorien vor allem Rehm in Annalen 1884 S. 565 ff. 4 R.B.Ges. § 4: "Jeder Reichsbeamte erhält bei seiner Anstellung eine An- stellungsurkunde". Rehm in Annalen 1885 S. 140 und Laband, St.R. I S. 426, fassen das als eine Formbedingung auf, die bei Meidung der Nichtigkeit ein- gehalten werden müsse. Die Motive zum R.B.G. (Drucks. d. R.T. 1872, I n. 9 S. 31) sagen allerdings: "der Paragraph schließt also die mündliche Bestellung aus". Allein deshalb könnte doch, dem Wortlaut entsprechender, eine bloße Ord- nungsvorschrift gemeint sein, die thatsächlich verhindern wird, daß die Anstellung eine bloß mündliche bleibe. Unmittelbar vorher erklären ja die Motive (S. 30 u. 31): "Über die Form der Anstellung ist es indes nicht nötig, ausdrückliche Vorschriften zu geben". -- In Wirklichkeit wird ja anzunehmen sein, daß die Be- hörden die endgültige Erklärung nur in Form der Aushändigung der Bestallung abgeben wollen; wenn aber einmal doch mündlich oder telegraphisch geradezu ernannt wird, so muß es gelten und die Beurkundung ist nur der Ordnung halber nachzuholen. 5 Anders beim Pflichtehrenamt, oben § 43, II n. 1. Wo eine Ernennung mit
ungewisser Einwilligung einmal vorkommt, ist man sich der Außerordentlichkeit des Vorgehens bewußt; es pflegt dann immer auch eine Art Druck sich damit zu verbinden, eine Anrufung persönlicher Ergebenheit oder des Patriotismus. § 44. Anstellung im Staatsdienst. hafteste Meinungsverschiedenheit3. Einig ist aber jedenfalls allesdarüber, daß der Akt, wie die Dienstpflicht, die er begründet, dem öffentlichen Rechte angehöre. Damit ist der Boden gegeben, auf dem wir zu bauen haben: wir befinden uns im Gebiete der Ungleichheit der Rechtssubjekte. Das Wirkende bei der Anstellung ist also der Wille des Staates, Die Wirkung tritt ein, wie bei jedem Verwaltungsakt, mit der Die Ernennung soll und kann nicht wie die Berufung zum 3 Eine Zusammenstellung der Litteratur für und wider bei G. Meyer, St.R. § 439 Anm. 15 u. 17. Über die Geschichte der Vertragstheorien vor allem Rehm in Annalen 1884 S. 565 ff. 4 R.B.Ges. § 4: „Jeder Reichsbeamte erhält bei seiner Anstellung eine An- stellungsurkunde“. Rehm in Annalen 1885 S. 140 und Laband, St.R. I S. 426, fassen das als eine Formbedingung auf, die bei Meidung der Nichtigkeit ein- gehalten werden müsse. Die Motive zum R.B.G. (Drucks. d. R.T. 1872, I n. 9 S. 31) sagen allerdings: „der Paragraph schließt also die mündliche Bestellung aus“. Allein deshalb könnte doch, dem Wortlaut entsprechender, eine bloße Ord- nungsvorschrift gemeint sein, die thatsächlich verhindern wird, daß die Anstellung eine bloß mündliche bleibe. Unmittelbar vorher erklären ja die Motive (S. 30 u. 31): „Über die Form der Anstellung ist es indes nicht nötig, ausdrückliche Vorschriften zu geben“. — In Wirklichkeit wird ja anzunehmen sein, daß die Be- hörden die endgültige Erklärung nur in Form der Aushändigung der Bestallung abgeben wollen; wenn aber einmal doch mündlich oder telegraphisch geradezu ernannt wird, so muß es gelten und die Beurkundung ist nur der Ordnung halber nachzuholen. 5 Anders beim Pflichtehrenamt, oben § 43, II n. 1. Wo eine Ernennung mit
ungewisser Einwilligung einmal vorkommt, ist man sich der Außerordentlichkeit des Vorgehens bewußt; es pflegt dann immer auch eine Art Druck sich damit zu verbinden, eine Anrufung persönlicher Ergebenheit oder des Patriotismus. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0233" n="221"/><fw place="top" type="header">§ 44. Anstellung im Staatsdienst.</fw><lb/> hafteste Meinungsverschiedenheit<note place="foot" n="3">Eine Zusammenstellung der Litteratur für und wider bei G. <hi rendition="#g">Meyer,</hi> St.R.<lb/> § 439 Anm. 15 u. 17. Über die Geschichte der Vertragstheorien vor allem <hi rendition="#g">Rehm</hi><lb/> in Annalen 1884 S. 565 ff.</note>. Einig ist aber jedenfalls alles<lb/> darüber, daß der Akt, wie die Dienstpflicht, die er begründet, dem<lb/> öffentlichen Rechte angehöre. Damit ist der Boden gegeben, auf dem<lb/> wir zu bauen haben: wir befinden uns im Gebiete der Ungleichheit<lb/> der Rechtssubjekte.</p><lb/> <p>Das Wirkende bei der Anstellung ist also der Wille des Staates,<lb/> der <hi rendition="#g">Verwaltungsakt,</hi> nur bedingt in seiner Gültigkeit von der<lb/> Einwilligung des Unterthanen, über den er ergeht (Bd. I S. 98).</p><lb/> <p>Die Wirkung tritt ein, wie bei jedem Verwaltungsakt, mit der<lb/> Kundgabe, mit der gehörigen Eröffnung an den Ernannten. Üblich<lb/> oder gesetzlich vorgeschrieben ist die Ausfertigung einer Urkunde über<lb/> die Ernennung, die <hi rendition="#g">Bestallung,</hi> durch deren Zustellung die Kund-<lb/> gabe erfolgt<note place="foot" n="4">R.B.Ges. § 4: „Jeder Reichsbeamte erhält bei seiner Anstellung eine An-<lb/> stellungsurkunde“. <hi rendition="#g">Rehm</hi> in Annalen 1885 S. 140 und <hi rendition="#g">Laband,</hi> St.R. I S. 426,<lb/> fassen das als eine Formbedingung auf, die bei Meidung der Nichtigkeit ein-<lb/> gehalten werden müsse. Die Motive zum R.B.G. (Drucks. d. R.T. 1872, I n. 9<lb/> S. 31) sagen allerdings: „der Paragraph schließt also die mündliche Bestellung<lb/> aus“. Allein deshalb könnte doch, dem Wortlaut entsprechender, eine bloße Ord-<lb/> nungsvorschrift gemeint sein, die thatsächlich verhindern wird, daß die Anstellung<lb/> eine bloß mündliche bleibe. Unmittelbar vorher erklären ja die Motive (S. 30<lb/> u. 31): „Über die Form der Anstellung ist es indes nicht nötig, ausdrückliche<lb/> Vorschriften zu geben“. — In Wirklichkeit wird ja anzunehmen sein, daß die Be-<lb/> hörden die endgültige Erklärung nur in Form der Aushändigung der Bestallung<lb/> abgeben wollen; wenn aber einmal doch mündlich oder telegraphisch geradezu<lb/> ernannt wird, so muß es gelten und die Beurkundung ist nur der Ordnung halber<lb/> nachzuholen.</note>.</p><lb/> <p>Die Ernennung soll und kann nicht wie die Berufung zum<lb/> Pflichtehrenamt einen Druck auf den Ernannten ausüben, daß er<lb/> annehme. Andererseits ist sie aber auch niemals gemeint als eine<lb/> bloße Offerte; sie will unmittelbar wirksam sein. Deshalb setzt sie<lb/> die Bedingung ihrer Gültigkeit, die Einwilligung des Ernannten, <hi rendition="#g">als<lb/> erfüllt voraus</hi><note place="foot" n="5">Anders beim Pflichtehrenamt, oben § 43, II n. 1. Wo eine Ernennung mit<lb/> ungewisser Einwilligung einmal vorkommt, ist man sich der Außerordentlichkeit<lb/> des Vorgehens bewußt; es pflegt dann immer auch eine Art Druck sich damit<lb/> zu verbinden, eine Anrufung persönlicher Ergebenheit oder des Patriotismus.</note>. Diese bedarf keiner bestimmten Form. Sie kann<lb/> als ausdrückliche Bewerbung erschienen sein, oder aus seinem Ver-<lb/> halten stillschweigend hervorgehen; ein zahlreiches Menschenmaterial<lb/> stellt sich in dieser Weise durch Ablegung von Prüfungen oder<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [221/0233]
§ 44. Anstellung im Staatsdienst.
hafteste Meinungsverschiedenheit 3. Einig ist aber jedenfalls alles
darüber, daß der Akt, wie die Dienstpflicht, die er begründet, dem
öffentlichen Rechte angehöre. Damit ist der Boden gegeben, auf dem
wir zu bauen haben: wir befinden uns im Gebiete der Ungleichheit
der Rechtssubjekte.
Das Wirkende bei der Anstellung ist also der Wille des Staates,
der Verwaltungsakt, nur bedingt in seiner Gültigkeit von der
Einwilligung des Unterthanen, über den er ergeht (Bd. I S. 98).
Die Wirkung tritt ein, wie bei jedem Verwaltungsakt, mit der
Kundgabe, mit der gehörigen Eröffnung an den Ernannten. Üblich
oder gesetzlich vorgeschrieben ist die Ausfertigung einer Urkunde über
die Ernennung, die Bestallung, durch deren Zustellung die Kund-
gabe erfolgt 4.
Die Ernennung soll und kann nicht wie die Berufung zum
Pflichtehrenamt einen Druck auf den Ernannten ausüben, daß er
annehme. Andererseits ist sie aber auch niemals gemeint als eine
bloße Offerte; sie will unmittelbar wirksam sein. Deshalb setzt sie
die Bedingung ihrer Gültigkeit, die Einwilligung des Ernannten, als
erfüllt voraus 5. Diese bedarf keiner bestimmten Form. Sie kann
als ausdrückliche Bewerbung erschienen sein, oder aus seinem Ver-
halten stillschweigend hervorgehen; ein zahlreiches Menschenmaterial
stellt sich in dieser Weise durch Ablegung von Prüfungen oder
3 Eine Zusammenstellung der Litteratur für und wider bei G. Meyer, St.R.
§ 439 Anm. 15 u. 17. Über die Geschichte der Vertragstheorien vor allem Rehm
in Annalen 1884 S. 565 ff.
4 R.B.Ges. § 4: „Jeder Reichsbeamte erhält bei seiner Anstellung eine An-
stellungsurkunde“. Rehm in Annalen 1885 S. 140 und Laband, St.R. I S. 426,
fassen das als eine Formbedingung auf, die bei Meidung der Nichtigkeit ein-
gehalten werden müsse. Die Motive zum R.B.G. (Drucks. d. R.T. 1872, I n. 9
S. 31) sagen allerdings: „der Paragraph schließt also die mündliche Bestellung
aus“. Allein deshalb könnte doch, dem Wortlaut entsprechender, eine bloße Ord-
nungsvorschrift gemeint sein, die thatsächlich verhindern wird, daß die Anstellung
eine bloß mündliche bleibe. Unmittelbar vorher erklären ja die Motive (S. 30
u. 31): „Über die Form der Anstellung ist es indes nicht nötig, ausdrückliche
Vorschriften zu geben“. — In Wirklichkeit wird ja anzunehmen sein, daß die Be-
hörden die endgültige Erklärung nur in Form der Aushändigung der Bestallung
abgeben wollen; wenn aber einmal doch mündlich oder telegraphisch geradezu
ernannt wird, so muß es gelten und die Beurkundung ist nur der Ordnung halber
nachzuholen.
5 Anders beim Pflichtehrenamt, oben § 43, II n. 1. Wo eine Ernennung mit
ungewisser Einwilligung einmal vorkommt, ist man sich der Außerordentlichkeit
des Vorgehens bewußt; es pflegt dann immer auch eine Art Druck sich damit
zu verbinden, eine Anrufung persönlicher Ergebenheit oder des Patriotismus.
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