Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.§ 44. Anstellung im Staatsdienst. bei dem Zustandekommen des Rechtsverhältnisses in den Willen desdabei beteiligten höheren Rechtssubjektes zu legen und dem des Unterthanen die gleichwertige Bedeutung zu entziehen8. Darin kommt eben der Grundgedanke des öffentlichrechtlichen Rechtsgeschäfts zum Ausdruck. Ob der Vertragsbegriff wohl damit bestehen kann, ist eine andere Frage. Mit dem voll erkannten Begriff des Verwaltungsaktes erklärt sich alles viel einfacher. II. Das auf der Anstellung beruhende öffentlichrechtliche Dienst- 8 Seydel, Bayr. St.R. III S. 324 ff., hält den Vertrag für die "einzig mög-
liche Begründungsform für das öffentliche Dienstverhältnis". Gleichwohl erklärt er: der Stand des Staatsdieners wird durch die Anstellungsentschließung erworben. Wie das? Weil "mit der Bekanntgabe der Anstellungsentschließung der Berufende gebunden ist" (S. 341). Ferner "wird zur Wirksamkeit der Berufung keine aus- drückliche oder stillschweigende Annahme, sondern zur Unwirksamkeit die Ab- lehnung erfordert". Es ist "die Entschließung, welche den Vertrag beurkundet" (S. 345), -- also auch die Annahme des andern Kontrahenten, der nur die Möglich- keit der Anfechtung hat. Es ist wohl nicht zu viel behauptet, wenn wir sagen, daß das einfach unser Verwaltungsakt auf Unterwerfung ist. -- Ähnlich verfährt Laband, St.R. I S. 426 (3. Aufl. I S. 404): "der Vertrag wird abgeschlossen durch die Aushändigung der Anstellungsurkunde". Das würden wir Begründung des Rechtsverhältnisses durch Eröffnung eines Verwaltungsaktes nennen. Laband ge- winnt einen Vertrag nur dadurch, daß er einerseits die etwa vorausgehende Ein- willigung für rechtlich gleichgültig erklärt, andererseits in der Zustellung der Er- nennungsurkunde immer eine "vorbehaltslose Annahme" und in dieser einen Konsens zum Dienstvertrage findet. Das letztere könnte unter Umständen zu- treffen; es wäre aber ganz quaestio facti, denn das Gesetz stellt keine Präsumtion auf. Das erstere, daß die durchgeführte Aushändigung immer eine vorbehaltslose Annahme bedeutete, ist unrichtig; denn mit der Aushändigung ist doch nur die gewöhnliche Eröffnung durch Übergabe eines Schriftstückes, die Zustellung gemeint; diese aber kann ja wirksam auch an Hausgenossen geschehen, in Abwesenheit oder während schwerer Erkrankung dessen, für den sie wirkt. Laband will also ganz richtig die Perfektion an die Zustellung des Aktes knüpfen; um aber auch einen Vertrag daraus zu machen, verbindet er damit eine Fiktion der Annahme- erklärung; denn etwas anderes ist's nicht. -- Rehm in Annalen 1885 S. 142 schließt sich im wesentlichen Laband an: "Wie bei der Aufnahme in den Staats- verband ist auch hier die Aushändigung die konkludente Annahmehandlung". Wie bei Seydel die Entschließung die Annahme des Anderen beurkundet, so ist hier die Zustellung derselben konkludent dafür. Das Ziel, das wir als ganz berechtigt anerkennen, ist bei allen diesen Kon- struktionen das nämliche. Überall aber, wo man nicht in irgend einer Weise Sorge getragen hat, den "Staatsdienstvertrag" als einen öffentlichrechtlichen Akt zu kennzeichnen, sondern ihn einfach hinstellt wie einen gewöhnlichen civilrecht- lichen Vertrag, ist er eben auch nichts anderes. Die bloße Titulierung als öffentlichrechtlich ist ganz gleichgültig. § 44. Anstellung im Staatsdienst. bei dem Zustandekommen des Rechtsverhältnisses in den Willen desdabei beteiligten höheren Rechtssubjektes zu legen und dem des Unterthanen die gleichwertige Bedeutung zu entziehen8. Darin kommt eben der Grundgedanke des öffentlichrechtlichen Rechtsgeschäfts zum Ausdruck. Ob der Vertragsbegriff wohl damit bestehen kann, ist eine andere Frage. Mit dem voll erkannten Begriff des Verwaltungsaktes erklärt sich alles viel einfacher. II. Das auf der Anstellung beruhende öffentlichrechtliche Dienst- 8 Seydel, Bayr. St.R. III S. 324 ff., hält den Vertrag für die „einzig mög-
liche Begründungsform für das öffentliche Dienstverhältnis“. Gleichwohl erklärt er: der Stand des Staatsdieners wird durch die Anstellungsentschließung erworben. Wie das? Weil „mit der Bekanntgabe der Anstellungsentschließung der Berufende gebunden ist“ (S. 341). Ferner „wird zur Wirksamkeit der Berufung keine aus- drückliche oder stillschweigende Annahme, sondern zur Unwirksamkeit die Ab- lehnung erfordert“. Es ist „die Entschließung, welche den Vertrag beurkundet“ (S. 345), — also auch die Annahme des andern Kontrahenten, der nur die Möglich- keit der Anfechtung hat. Es ist wohl nicht zu viel behauptet, wenn wir sagen, daß das einfach unser Verwaltungsakt auf Unterwerfung ist. — Ähnlich verfährt Laband, St.R. I S. 426 (3. Aufl. I S. 404): „der Vertrag wird abgeschlossen durch die Aushändigung der Anstellungsurkunde“. Das würden wir Begründung des Rechtsverhältnisses durch Eröffnung eines Verwaltungsaktes nennen. Laband ge- winnt einen Vertrag nur dadurch, daß er einerseits die etwa vorausgehende Ein- willigung für rechtlich gleichgültig erklärt, andererseits in der Zustellung der Er- nennungsurkunde immer eine „vorbehaltslose Annahme“ und in dieser einen Konsens zum Dienstvertrage findet. Das letztere könnte unter Umständen zu- treffen; es wäre aber ganz quaestio facti, denn das Gesetz stellt keine Präsumtion auf. Das erstere, daß die durchgeführte Aushändigung immer eine vorbehaltslose Annahme bedeutete, ist unrichtig; denn mit der Aushändigung ist doch nur die gewöhnliche Eröffnung durch Übergabe eines Schriftstückes, die Zustellung gemeint; diese aber kann ja wirksam auch an Hausgenossen geschehen, in Abwesenheit oder während schwerer Erkrankung dessen, für den sie wirkt. Laband will also ganz richtig die Perfektion an die Zustellung des Aktes knüpfen; um aber auch einen Vertrag daraus zu machen, verbindet er damit eine Fiktion der Annahme- erklärung; denn etwas anderes ist’s nicht. — Rehm in Annalen 1885 S. 142 schließt sich im wesentlichen Laband an: „Wie bei der Aufnahme in den Staats- verband ist auch hier die Aushändigung die konkludente Annahmehandlung“. Wie bei Seydel die Entschließung die Annahme des Anderen beurkundet, so ist hier die Zustellung derselben konkludent dafür. Das Ziel, das wir als ganz berechtigt anerkennen, ist bei allen diesen Kon- struktionen das nämliche. Überall aber, wo man nicht in irgend einer Weise Sorge getragen hat, den „Staatsdienstvertrag“ als einen öffentlichrechtlichen Akt zu kennzeichnen, sondern ihn einfach hinstellt wie einen gewöhnlichen civilrecht- lichen Vertrag, ist er eben auch nichts anderes. 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§ 44. Anstellung im Staatsdienst.
bei dem Zustandekommen des Rechtsverhältnisses in den Willen des
dabei beteiligten höheren Rechtssubjektes zu legen und dem des
Unterthanen die gleichwertige Bedeutung zu entziehen 8. Darin kommt
eben der Grundgedanke des öffentlichrechtlichen Rechtsgeschäfts zum
Ausdruck. Ob der Vertragsbegriff wohl damit bestehen kann, ist eine
andere Frage. Mit dem voll erkannten Begriff des Verwaltungsaktes
erklärt sich alles viel einfacher.
II. Das auf der Anstellung beruhende öffentlichrechtliche Dienst-
verhältnis, der berufsmäßige Staatsdienst, entwickelt sich wieder in
eigentümlicher Stufenfolge.
8 Seydel, Bayr. St.R. III S. 324 ff., hält den Vertrag für die „einzig mög-
liche Begründungsform für das öffentliche Dienstverhältnis“. Gleichwohl erklärt
er: der Stand des Staatsdieners wird durch die Anstellungsentschließung erworben.
Wie das? Weil „mit der Bekanntgabe der Anstellungsentschließung der Berufende
gebunden ist“ (S. 341). Ferner „wird zur Wirksamkeit der Berufung keine aus-
drückliche oder stillschweigende Annahme, sondern zur Unwirksamkeit die Ab-
lehnung erfordert“. Es ist „die Entschließung, welche den Vertrag beurkundet“
(S. 345), — also auch die Annahme des andern Kontrahenten, der nur die Möglich-
keit der Anfechtung hat. Es ist wohl nicht zu viel behauptet, wenn wir sagen,
daß das einfach unser Verwaltungsakt auf Unterwerfung ist. — Ähnlich verfährt
Laband, St.R. I S. 426 (3. Aufl. I S. 404): „der Vertrag wird abgeschlossen
durch die Aushändigung der Anstellungsurkunde“. Das würden wir Begründung des
Rechtsverhältnisses durch Eröffnung eines Verwaltungsaktes nennen. Laband ge-
winnt einen Vertrag nur dadurch, daß er einerseits die etwa vorausgehende Ein-
willigung für rechtlich gleichgültig erklärt, andererseits in der Zustellung der Er-
nennungsurkunde immer eine „vorbehaltslose Annahme“ und in dieser einen
Konsens zum Dienstvertrage findet. Das letztere könnte unter Umständen zu-
treffen; es wäre aber ganz quaestio facti, denn das Gesetz stellt keine Präsumtion
auf. Das erstere, daß die durchgeführte Aushändigung immer eine vorbehaltslose
Annahme bedeutete, ist unrichtig; denn mit der Aushändigung ist doch nur die
gewöhnliche Eröffnung durch Übergabe eines Schriftstückes, die Zustellung gemeint;
diese aber kann ja wirksam auch an Hausgenossen geschehen, in Abwesenheit
oder während schwerer Erkrankung dessen, für den sie wirkt. Laband will also
ganz richtig die Perfektion an die Zustellung des Aktes knüpfen; um aber auch
einen Vertrag daraus zu machen, verbindet er damit eine Fiktion der Annahme-
erklärung; denn etwas anderes ist’s nicht. — Rehm in Annalen 1885 S. 142
schließt sich im wesentlichen Laband an: „Wie bei der Aufnahme in den Staats-
verband ist auch hier die Aushändigung die konkludente Annahmehandlung“. Wie
bei Seydel die Entschließung die Annahme des Anderen beurkundet, so ist
hier die Zustellung derselben konkludent dafür.
Das Ziel, das wir als ganz berechtigt anerkennen, ist bei allen diesen Kon-
struktionen das nämliche. Überall aber, wo man nicht in irgend einer Weise
Sorge getragen hat, den „Staatsdienstvertrag“ als einen öffentlichrechtlichen Akt
zu kennzeichnen, sondern ihn einfach hinstellt wie einen gewöhnlichen civilrecht-
lichen Vertrag, ist er eben auch nichts anderes. Die bloße Titulierung als
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