sagen selbst Dienstbehörde. So weit das der Fall ist, sprechen wir von amtlicher Selbständigkeit.
Das einleuchtendste Beispiel bieten die richterlichen Be- amten. Auch sie stehen unter der Dienstgewalt und können Dienst- befehle erteilt bekommen. Aber bezüglich der eigentlichen recht- sprechenden Thätigkeit sollen sie selbständig finden, was ihre Pflicht ist. Der Dienstbefehl eines Vorgesetzten, der hierfür erginge, wird als eine unzulässige Einmischung bezeichnet. Er stößt sich an jenes stärkere Recht und begründet deshalb keine Gehorsamspflicht13.
Diese Einrichtung besteht nicht bloß für Civil- und Strafgerichte, sie ist unbedenklich auch anzuerkennen bei den Verwaltungs- gerichten, ob das Gesetz es ausdrücklich bestimmt oder nicht. Amtliche Selbständigkeit im gleichen Sinne findet sich auch für eigentliche Verwaltungsämter besonders angeordnet14, oder sie ergiebt sich von selbst aus der Natur der berufsmäßigen Thätig- keit, z. B. aus dem Amtsauftrag zur Lehre der Wissenschaft. Nament- lich ist das Ehrenamt, wie es z. B. in den sog. Beschlußbehörden zur Verwendung kommt, im wesentlichen Kern seiner Thätigkeit ebenso selbständig gestellt, wie das des Berufsrichters. In umfassender Weise trifft dies ferner zu bei den Ämtern der Selbstverwal- tungskörper, Berufs- und Ehrenämtern. Bei den Voll- streckungsbeamten besteht die amtliche Selbständigkeit wenig- stens bezüglich der Einhaltung der Formvorschriften, an welche das Gesetz ihre Verrichtungen gebunden hat: der Gerichtsvollzieher, und wo er ihm gleich gestellt ist, der Exekutor darf zur Pfändung nur vorgehen auf Grund eines vollstreckbaren Titels in gehöriger Form, den er in Händen haben muß, und kein Dienstbefehl kann ihm den ersetzen. Ebenso ist die Verhaftung von der Ausfertigung des Haft- befehls, die Aufnahme in eine Gefangenenanstalt von der Aushändi- gung der nötigen Papiere und Nachweise abhängig gemacht, so daß der Vollzugsbeamte selbständig zu prüfen hat, ob er handeln darf und soll.
In dieser Weise stellt sich allerdings eine Art Hemmungsvorrich- tung her, die auch einen politischen Wert haben mag. Aber die
13Seydel, Bayr. St.R. III S. 391 Anm. 1: "Kein Dienstbefehl ist also z. B. eine Weisung des Vorgesetzten an den Richter, die eine unzulässige Einmischung in die Rechtsprechung enthält." Ein Dienstbefehl in jenem "formellen Sinne" Seydels (oben Note 6) wäre das doch, nur ein rechtlich unwirksamer.
14 Vgl. z. B. den Diensteid der Mitglieder der Verwaltung des Reichs- invalidenfonds nach Ges. v. 23. Mai 1873 § 12.
Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
sagen selbst Dienstbehörde. So weit das der Fall ist, sprechen wir von amtlicher Selbständigkeit.
Das einleuchtendste Beispiel bieten die richterlichen Be- amten. Auch sie stehen unter der Dienstgewalt und können Dienst- befehle erteilt bekommen. Aber bezüglich der eigentlichen recht- sprechenden Thätigkeit sollen sie selbständig finden, was ihre Pflicht ist. Der Dienstbefehl eines Vorgesetzten, der hierfür erginge, wird als eine unzulässige Einmischung bezeichnet. Er stößt sich an jenes stärkere Recht und begründet deshalb keine Gehorsamspflicht13.
Diese Einrichtung besteht nicht bloß für Civil- und Strafgerichte, sie ist unbedenklich auch anzuerkennen bei den Verwaltungs- gerichten, ob das Gesetz es ausdrücklich bestimmt oder nicht. Amtliche Selbständigkeit im gleichen Sinne findet sich auch für eigentliche Verwaltungsämter besonders angeordnet14, oder sie ergiebt sich von selbst aus der Natur der berufsmäßigen Thätig- keit, z. B. aus dem Amtsauftrag zur Lehre der Wissenschaft. Nament- lich ist das Ehrenamt, wie es z. B. in den sog. Beschlußbehörden zur Verwendung kommt, im wesentlichen Kern seiner Thätigkeit ebenso selbständig gestellt, wie das des Berufsrichters. In umfassender Weise trifft dies ferner zu bei den Ämtern der Selbstverwal- tungskörper, Berufs- und Ehrenämtern. Bei den Voll- streckungsbeamten besteht die amtliche Selbständigkeit wenig- stens bezüglich der Einhaltung der Formvorschriften, an welche das Gesetz ihre Verrichtungen gebunden hat: der Gerichtsvollzieher, und wo er ihm gleich gestellt ist, der Exekutor darf zur Pfändung nur vorgehen auf Grund eines vollstreckbaren Titels in gehöriger Form, den er in Händen haben muß, und kein Dienstbefehl kann ihm den ersetzen. Ebenso ist die Verhaftung von der Ausfertigung des Haft- befehls, die Aufnahme in eine Gefangenenanstalt von der Aushändi- gung der nötigen Papiere und Nachweise abhängig gemacht, so daß der Vollzugsbeamte selbständig zu prüfen hat, ob er handeln darf und soll.
In dieser Weise stellt sich allerdings eine Art Hemmungsvorrich- tung her, die auch einen politischen Wert haben mag. Aber die
13Seydel, Bayr. St.R. III S. 391 Anm. 1: „Kein Dienstbefehl ist also z. B. eine Weisung des Vorgesetzten an den Richter, die eine unzulässige Einmischung in die Rechtsprechung enthält.“ Ein Dienstbefehl in jenem „formellen Sinne“ Seydels (oben Note 6) wäre das doch, nur ein rechtlich unwirksamer.
14 Vgl. z. B. den Diensteid der Mitglieder der Verwaltung des Reichs- invalidenfonds nach Ges. v. 23. Mai 1873 § 12.
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Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
sagen selbst Dienstbehörde. So weit das der Fall ist, sprechen wir
von amtlicher Selbständigkeit.
Das einleuchtendste Beispiel bieten die richterlichen Be-
amten. Auch sie stehen unter der Dienstgewalt und können Dienst-
befehle erteilt bekommen. Aber bezüglich der eigentlichen recht-
sprechenden Thätigkeit sollen sie selbständig finden, was ihre Pflicht
ist. Der Dienstbefehl eines Vorgesetzten, der hierfür erginge, wird
als eine unzulässige Einmischung bezeichnet. Er stößt sich an
jenes stärkere Recht und begründet deshalb keine Gehorsamspflicht 13.
Diese Einrichtung besteht nicht bloß für Civil- und Strafgerichte,
sie ist unbedenklich auch anzuerkennen bei den Verwaltungs-
gerichten, ob das Gesetz es ausdrücklich bestimmt oder nicht.
Amtliche Selbständigkeit im gleichen Sinne findet sich auch für
eigentliche Verwaltungsämter besonders angeordnet 14, oder
sie ergiebt sich von selbst aus der Natur der berufsmäßigen Thätig-
keit, z. B. aus dem Amtsauftrag zur Lehre der Wissenschaft. Nament-
lich ist das Ehrenamt, wie es z. B. in den sog. Beschlußbehörden
zur Verwendung kommt, im wesentlichen Kern seiner Thätigkeit
ebenso selbständig gestellt, wie das des Berufsrichters. In umfassender
Weise trifft dies ferner zu bei den Ämtern der Selbstverwal-
tungskörper, Berufs- und Ehrenämtern. Bei den Voll-
streckungsbeamten besteht die amtliche Selbständigkeit wenig-
stens bezüglich der Einhaltung der Formvorschriften, an welche das
Gesetz ihre Verrichtungen gebunden hat: der Gerichtsvollzieher, und
wo er ihm gleich gestellt ist, der Exekutor darf zur Pfändung nur
vorgehen auf Grund eines vollstreckbaren Titels in gehöriger Form,
den er in Händen haben muß, und kein Dienstbefehl kann ihm den
ersetzen. Ebenso ist die Verhaftung von der Ausfertigung des Haft-
befehls, die Aufnahme in eine Gefangenenanstalt von der Aushändi-
gung der nötigen Papiere und Nachweise abhängig gemacht, so daß
der Vollzugsbeamte selbständig zu prüfen hat, ob er handeln darf
und soll.
In dieser Weise stellt sich allerdings eine Art Hemmungsvorrich-
tung her, die auch einen politischen Wert haben mag. Aber die
13 Seydel, Bayr. St.R. III S. 391 Anm. 1: „Kein Dienstbefehl ist also z. B.
eine Weisung des Vorgesetzten an den Richter, die eine unzulässige Einmischung
in die Rechtsprechung enthält.“ Ein Dienstbefehl in jenem „formellen Sinne“
Seydels (oben Note 6) wäre das doch, nur ein rechtlich unwirksamer.
14 Vgl. z. B. den Diensteid der Mitglieder der Verwaltung des Reichs-
invalidenfonds nach Ges. v. 23. Mai 1873 § 12.
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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/252>, abgerufen am 17.06.2024.
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