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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

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§ 45. Die Dienstgewalt.

1. Als Disciplinarstrafmittel sind schon anzusehen die
formlosen Mißbilligungen und Zurechtweisungen, die jeder Vorgesetzte
naturgemäß berechtigt ist, seinen Untergebenen zukommen zu lassen.
Doch begreift man unter dem Namen Disciplinarstrafen vorzugsweise
nur solche, die in geordneter Stufenfolge, in mehr oder weniger aus-
gebildetem Verfahren verhängt und beurkundet werden zu dauernder
Kennzeichnung des Betroffenen.

Diese förmlichen Disciplinarstrafen werden entsprechend
den zwei Arten, wie die Disciplin ihren Zweck zu erreichen sucht,
eingeteilt in Zuchtdisciplin und reinigende, oder korrek-
tive
und epurative Disciplin.

Zur Zuchtdisciplin gehören Warnung, Verweis, Geldbuße
und Arrest. Die reinigende Disciplin äußert sich in der Entfernung
aus dem Dienste, der Strafentlassung. Zwischen beiden stehen
Strafversetzungen und Suspensionen; sie stellen einerseits
Zuchtmittel vor für den Betroffenen und dienen andererseits auch der
Reinigung des Dienstes in gewissem Maße, insofern das Verbleiben
desselben im Dienst gerade nur am gegebenen Ort oder nur für die
nächste Zeit bedenklich erscheint.

Diese Strafmittel sind nicht überall gleichmäßig gegeben. Die
Auswahl der zulässigen bestimmt sich nach der Art der Dienstpflicht.
Der Unterschied von höheren und niederen Beamten wird dabei be-
deutsam. Bei ersteren kann unter Umständen schon ein geringes
Anfassen schwer empfunden werden. So pflegt das Disciplinarstraf-
mittel des Arrestes nur für niedere Beamte zugelassen zu sein; für
Richter wird aber vielleicht schon die Geldstrafe als bloßes Zucht-
mittel für zu plump gehalten.

Am schärfsten ist naturgemäß die militärische Disciplin aus-
gebildet; das Heer kann dienstwidrige Gesinnung am allerwenigsten
vertragen. Bei der gesetzlichen Heerdienstpflicht kommt hinzu, daß
es sich hier um eine möglichst rasch ausbildende Schule auch der Ge-
sinnung handelt und die reinigende Disciplin ausgeschlossen ist: die
Strafentlassung als Maßregel der Dienstgewalt widerspräche der

des Bedürfnisses, durch welche sie dem Dienstpflichtigen "angedroht" ist; eine
andere "Androhung" findet ja nicht statt. Legt man aber da hinein den Schwer-
punkt, dann sind ebenso die Strafrechtssätze des gemeinen Strafrechts Androhungen
und als solche Erfüllungszwang, und der Gegensatz geht erst recht wieder ver-
loren. -- Die Idee des Erfüllungszwanges, die ganz unnötigerweise mit der des
Zuchtmittels noch verbunden worden ist, wird man einfach bei Seite lassen
müssen.
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§ 45. Die Dienstgewalt.

1. Als Disciplinarstrafmittel sind schon anzusehen die
formlosen Mißbilligungen und Zurechtweisungen, die jeder Vorgesetzte
naturgemäß berechtigt ist, seinen Untergebenen zukommen zu lassen.
Doch begreift man unter dem Namen Disciplinarstrafen vorzugsweise
nur solche, die in geordneter Stufenfolge, in mehr oder weniger aus-
gebildetem Verfahren verhängt und beurkundet werden zu dauernder
Kennzeichnung des Betroffenen.

Diese förmlichen Disciplinarstrafen werden entsprechend
den zwei Arten, wie die Disciplin ihren Zweck zu erreichen sucht,
eingeteilt in Zuchtdisciplin und reinigende, oder korrek-
tive
und epurative Disciplin.

Zur Zuchtdisciplin gehören Warnung, Verweis, Geldbuße
und Arrest. Die reinigende Disciplin äußert sich in der Entfernung
aus dem Dienste, der Strafentlassung. Zwischen beiden stehen
Strafversetzungen und Suspensionen; sie stellen einerseits
Zuchtmittel vor für den Betroffenen und dienen andererseits auch der
Reinigung des Dienstes in gewissem Maße, insofern das Verbleiben
desselben im Dienst gerade nur am gegebenen Ort oder nur für die
nächste Zeit bedenklich erscheint.

Diese Strafmittel sind nicht überall gleichmäßig gegeben. Die
Auswahl der zulässigen bestimmt sich nach der Art der Dienstpflicht.
Der Unterschied von höheren und niederen Beamten wird dabei be-
deutsam. Bei ersteren kann unter Umständen schon ein geringes
Anfassen schwer empfunden werden. So pflegt das Disciplinarstraf-
mittel des Arrestes nur für niedere Beamte zugelassen zu sein; für
Richter wird aber vielleicht schon die Geldstrafe als bloßes Zucht-
mittel für zu plump gehalten.

Am schärfsten ist naturgemäß die militärische Disciplin aus-
gebildet; das Heer kann dienstwidrige Gesinnung am allerwenigsten
vertragen. Bei der gesetzlichen Heerdienstpflicht kommt hinzu, daß
es sich hier um eine möglichst rasch ausbildende Schule auch der Ge-
sinnung handelt und die reinigende Disciplin ausgeschlossen ist: die
Strafentlassung als Maßregel der Dienstgewalt widerspräche der

des Bedürfnisses, durch welche sie dem Dienstpflichtigen „angedroht“ ist; eine
andere „Androhung“ findet ja nicht statt. Legt man aber da hinein den Schwer-
punkt, dann sind ebenso die Strafrechtssätze des gemeinen Strafrechts Androhungen
und als solche Erfüllungszwang, und der Gegensatz geht erst recht wieder ver-
loren. — Die Idee des Erfüllungszwanges, die ganz unnötigerweise mit der des
Zuchtmittels noch verbunden worden ist, wird man einfach bei Seite lassen
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[243/0255] § 45. Die Dienstgewalt. 1. Als Disciplinarstrafmittel sind schon anzusehen die formlosen Mißbilligungen und Zurechtweisungen, die jeder Vorgesetzte naturgemäß berechtigt ist, seinen Untergebenen zukommen zu lassen. Doch begreift man unter dem Namen Disciplinarstrafen vorzugsweise nur solche, die in geordneter Stufenfolge, in mehr oder weniger aus- gebildetem Verfahren verhängt und beurkundet werden zu dauernder Kennzeichnung des Betroffenen. Diese förmlichen Disciplinarstrafen werden entsprechend den zwei Arten, wie die Disciplin ihren Zweck zu erreichen sucht, eingeteilt in Zuchtdisciplin und reinigende, oder korrek- tive und epurative Disciplin. Zur Zuchtdisciplin gehören Warnung, Verweis, Geldbuße und Arrest. Die reinigende Disciplin äußert sich in der Entfernung aus dem Dienste, der Strafentlassung. Zwischen beiden stehen Strafversetzungen und Suspensionen; sie stellen einerseits Zuchtmittel vor für den Betroffenen und dienen andererseits auch der Reinigung des Dienstes in gewissem Maße, insofern das Verbleiben desselben im Dienst gerade nur am gegebenen Ort oder nur für die nächste Zeit bedenklich erscheint. Diese Strafmittel sind nicht überall gleichmäßig gegeben. Die Auswahl der zulässigen bestimmt sich nach der Art der Dienstpflicht. Der Unterschied von höheren und niederen Beamten wird dabei be- deutsam. Bei ersteren kann unter Umständen schon ein geringes Anfassen schwer empfunden werden. So pflegt das Disciplinarstraf- mittel des Arrestes nur für niedere Beamte zugelassen zu sein; für Richter wird aber vielleicht schon die Geldstrafe als bloßes Zucht- mittel für zu plump gehalten. Am schärfsten ist naturgemäß die militärische Disciplin aus- gebildet; das Heer kann dienstwidrige Gesinnung am allerwenigsten vertragen. Bei der gesetzlichen Heerdienstpflicht kommt hinzu, daß es sich hier um eine möglichst rasch ausbildende Schule auch der Ge- sinnung handelt und die reinigende Disciplin ausgeschlossen ist: die Strafentlassung als Maßregel der Dienstgewalt widerspräche der 15a 15a des Bedürfnisses, durch welche sie dem Dienstpflichtigen „angedroht“ ist; eine andere „Androhung“ findet ja nicht statt. Legt man aber da hinein den Schwer- punkt, dann sind ebenso die Strafrechtssätze des gemeinen Strafrechts Androhungen und als solche Erfüllungszwang, und der Gegensatz geht erst recht wieder ver- loren. — Die Idee des Erfüllungszwanges, die ganz unnötigerweise mit der des Zuchtmittels noch verbunden worden ist, wird man einfach bei Seite lassen müssen. 16*

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/255>, abgerufen am 23.11.2024.