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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

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§ 47. Gemeine öffentliche Lasten.

Ist die Sachleistung im Sinne der Lastpflicht so gemeint, daß
ein zeitliches Maß und ein Anspruch auf seinerzeitige Zurückgabe
nicht vorbehalten ist, vielmehr die Sache endgültig in die freie Ver-
fügung der staatlichen Behörden übergeht, so wird der Staat Eigen-
tümer
. Beispiele sind die Pferdeaushebung, die Requisitionen von
Vorräten an Futter, von Arzeneien, Verbandmitteln, Bewaffnungs- und
Ausrüstungsgegenständen, die Inanspruchnahme von Schiffen zu Fluß-
sperren.

Der Eigentumsübergang vollzieht sich mit der Besitzergreifung.
Die Regeln des Kaufes finden darauf keine Anwendung; es ist keine
Eigentumstradition, überhaupt kein civilrechtliches Rechtsgeschäft. Das
Eigentum wird auch begründet durch die Besitzergreifung gegen den
widerspenstigen Eigentümer, wie gegen den abwesenden oder un-
bekannten Eigentümer.

Es ist auch keine Enteignung. Die Eigentumsbegründung vollzieht
sich nicht durch einen Verwaltungsakt, sondern lediglich durch die
thatsächliche Besitzergreifung auf Grund der Last.

Der Eigentumsübergang verknüpft sich mit der Besitzergreifung
kraft Gesetzes. Das Gesetz ermächtigt die Verwaltung, die Gewährung
solcher Sachen zu verlangen behufs freier Verfügung darüber, also zu
einer unbeschränkten rechtlichen Herrschaft. Diese Herrschaft ist her-
gestellt mit der vollzogenen Leistung, d. h. mit der zugestandenen
oder gewaltsam durchgeführten Besitzergreifung. Der ganze Vorgang
ist öffentlichrechtlicher Natur mit Einschluß seiner Wirkung. Diese
Wirkung, die unbeschränkte rechtliche Herrschaft über die Sache ist
aber Eigentum, und zwar ein Eigentum, welches für alle weiteren
rechtlichen Beziehungen, in welche der Staat von da aus tritt, nach
Civilrecht zu behandeln ist, also civilrechtliches Eigentum. Es findet
hier am Schlusse ein Umschlag statt von der gleichen juristischen
Natur, wie wir ihn bei der Enteignung (oben § 34, I n. 4) zu be-
obachten hatten19.

Gebrauch enthält das sächsische Recht. Nach Ges. v. 7. Dez. 1837 § 7 und V.O.
v. 30. Nov. 1867 und 10. April 1869 findet "zwangsweise Erpachtung von Areal
zu militärischen Schießstandzwecken" statt; Sächs. Ztschft. f. Pr. VIII S. 260.
Ein einseitig erzwungener Vertrag ist ein Unding. Es handelt sich nicht um eine
obrigkeitlich vorgenommene Erpachtung, sondern um eine Lastpflicht, vollzogen
durch eine Anforderung mit Besitzergreifung, deren Wirkungen dann, so will es
das Gesetz, nach den Regeln eines abgeschlossenen Pachtvertrags beurteilt werden.
19 Der Eigentumsübergang wird bloß erklärlich als Wirkung des Rechtssatzes,
auf Grund dessen die Besitzergreifung zum Vollzug der Lastpflicht erfolgt. Die
thatsächliche Wegnahme von Sachen in Anwendung des einfachen Notstandsrechts,
das wir oben Note 6 von der öffentlichen Last unterschieden haben, auch wenn
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§ 47. Gemeine öffentliche Lasten.

Ist die Sachleistung im Sinne der Lastpflicht so gemeint, daß
ein zeitliches Maß und ein Anspruch auf seinerzeitige Zurückgabe
nicht vorbehalten ist, vielmehr die Sache endgültig in die freie Ver-
fügung der staatlichen Behörden übergeht, so wird der Staat Eigen-
tümer
. Beispiele sind die Pferdeaushebung, die Requisitionen von
Vorräten an Futter, von Arzeneien, Verbandmitteln, Bewaffnungs- und
Ausrüstungsgegenständen, die Inanspruchnahme von Schiffen zu Fluß-
sperren.

Der Eigentumsübergang vollzieht sich mit der Besitzergreifung.
Die Regeln des Kaufes finden darauf keine Anwendung; es ist keine
Eigentumstradition, überhaupt kein civilrechtliches Rechtsgeschäft. Das
Eigentum wird auch begründet durch die Besitzergreifung gegen den
widerspenstigen Eigentümer, wie gegen den abwesenden oder un-
bekannten Eigentümer.

Es ist auch keine Enteignung. Die Eigentumsbegründung vollzieht
sich nicht durch einen Verwaltungsakt, sondern lediglich durch die
thatsächliche Besitzergreifung auf Grund der Last.

Der Eigentumsübergang verknüpft sich mit der Besitzergreifung
kraft Gesetzes. Das Gesetz ermächtigt die Verwaltung, die Gewährung
solcher Sachen zu verlangen behufs freier Verfügung darüber, also zu
einer unbeschränkten rechtlichen Herrschaft. Diese Herrschaft ist her-
gestellt mit der vollzogenen Leistung, d. h. mit der zugestandenen
oder gewaltsam durchgeführten Besitzergreifung. Der ganze Vorgang
ist öffentlichrechtlicher Natur mit Einschluß seiner Wirkung. Diese
Wirkung, die unbeschränkte rechtliche Herrschaft über die Sache ist
aber Eigentum, und zwar ein Eigentum, welches für alle weiteren
rechtlichen Beziehungen, in welche der Staat von da aus tritt, nach
Civilrecht zu behandeln ist, also civilrechtliches Eigentum. Es findet
hier am Schlusse ein Umschlag statt von der gleichen juristischen
Natur, wie wir ihn bei der Enteignung (oben § 34, I n. 4) zu be-
obachten hatten19.

Gebrauch enthält das sächsische Recht. Nach Ges. v. 7. Dez. 1837 § 7 und V.O.
v. 30. Nov. 1867 und 10. April 1869 findet „zwangsweise Erpachtung von Areal
zu militärischen Schießstandzwecken“ statt; Sächs. Ztschft. f. Pr. VIII S. 260.
Ein einseitig erzwungener Vertrag ist ein Unding. Es handelt sich nicht um eine
obrigkeitlich vorgenommene Erpachtung, sondern um eine Lastpflicht, vollzogen
durch eine Anforderung mit Besitzergreifung, deren Wirkungen dann, so will es
das Gesetz, nach den Regeln eines abgeschlossenen Pachtvertrags beurteilt werden.
19 Der Eigentumsübergang wird bloß erklärlich als Wirkung des Rechtssatzes,
auf Grund dessen die Besitzergreifung zum Vollzug der Lastpflicht erfolgt. Die
thatsächliche Wegnahme von Sachen in Anwendung des einfachen Notstandsrechts,
das wir oben Note 6 von der öffentlichen Last unterschieden haben, auch wenn
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[275/0287] § 47. Gemeine öffentliche Lasten. Ist die Sachleistung im Sinne der Lastpflicht so gemeint, daß ein zeitliches Maß und ein Anspruch auf seinerzeitige Zurückgabe nicht vorbehalten ist, vielmehr die Sache endgültig in die freie Ver- fügung der staatlichen Behörden übergeht, so wird der Staat Eigen- tümer. Beispiele sind die Pferdeaushebung, die Requisitionen von Vorräten an Futter, von Arzeneien, Verbandmitteln, Bewaffnungs- und Ausrüstungsgegenständen, die Inanspruchnahme von Schiffen zu Fluß- sperren. Der Eigentumsübergang vollzieht sich mit der Besitzergreifung. Die Regeln des Kaufes finden darauf keine Anwendung; es ist keine Eigentumstradition, überhaupt kein civilrechtliches Rechtsgeschäft. Das Eigentum wird auch begründet durch die Besitzergreifung gegen den widerspenstigen Eigentümer, wie gegen den abwesenden oder un- bekannten Eigentümer. Es ist auch keine Enteignung. Die Eigentumsbegründung vollzieht sich nicht durch einen Verwaltungsakt, sondern lediglich durch die thatsächliche Besitzergreifung auf Grund der Last. Der Eigentumsübergang verknüpft sich mit der Besitzergreifung kraft Gesetzes. Das Gesetz ermächtigt die Verwaltung, die Gewährung solcher Sachen zu verlangen behufs freier Verfügung darüber, also zu einer unbeschränkten rechtlichen Herrschaft. Diese Herrschaft ist her- gestellt mit der vollzogenen Leistung, d. h. mit der zugestandenen oder gewaltsam durchgeführten Besitzergreifung. Der ganze Vorgang ist öffentlichrechtlicher Natur mit Einschluß seiner Wirkung. Diese Wirkung, die unbeschränkte rechtliche Herrschaft über die Sache ist aber Eigentum, und zwar ein Eigentum, welches für alle weiteren rechtlichen Beziehungen, in welche der Staat von da aus tritt, nach Civilrecht zu behandeln ist, also civilrechtliches Eigentum. Es findet hier am Schlusse ein Umschlag statt von der gleichen juristischen Natur, wie wir ihn bei der Enteignung (oben § 34, I n. 4) zu be- obachten hatten 19. 18 19 Der Eigentumsübergang wird bloß erklärlich als Wirkung des Rechtssatzes, auf Grund dessen die Besitzergreifung zum Vollzug der Lastpflicht erfolgt. Die thatsächliche Wegnahme von Sachen in Anwendung des einfachen Notstandsrechts, das wir oben Note 6 von der öffentlichen Last unterschieden haben, auch wenn 18 Gebrauch enthält das sächsische Recht. Nach Ges. v. 7. Dez. 1837 § 7 und V.O. v. 30. Nov. 1867 und 10. April 1869 findet „zwangsweise Erpachtung von Areal zu militärischen Schießstandzwecken“ statt; Sächs. Ztschft. f. Pr. VIII S. 260. Ein einseitig erzwungener Vertrag ist ein Unding. Es handelt sich nicht um eine obrigkeitlich vorgenommene Erpachtung, sondern um eine Lastpflicht, vollzogen durch eine Anforderung mit Besitzergreifung, deren Wirkungen dann, so will es das Gesetz, nach den Regeln eines abgeschlossenen Pachtvertrags beurteilt werden. 18*

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/287>, abgerufen am 24.11.2024.