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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

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§ 48. Vorzugslasten und Verbandlasten.
erstattung. Der Behörde ist die Macht gegeben, dieser Billigkeits-
forderung nach freiem Ermessen der Umstände des Einzelfalles gerecht
zu werden5.

Unter Umständen kann das aber geschehen auch ohne gesetzliche
Ermächtigung vermöge der Unterwerfung des Betroffenen unter
den belastenden Verwaltungsakt. Dabei ist nicht an die freiwilligen
Zuschüsse zu einem öffentlichen Unternehmen zu denken; das giebt,
wie wir gesehen haben, nicht die Auflage einer öffentlichen Last,
sondern einen civilrechtlichen Vertrag (oben Note 2). Der Fall ist
vielmehr der: der Einzelne will eine Anlage machen, für welche eine
öffentliche Einrichtung benützt oder neu hergestellt werden muß; die
Ausführung dieses Planes ist aber rechtlich abhängig von einer Zu-
stimmung der Behörde, und zwar gerade deshalb, weil sie für diese
öffentliche Einrichtung Fürsorge zu treffen hat. Es verhält sich da
ähnlich, wie bei einer Polizeierlaubnis, welche mit den nötigen Auf-
lagen im polizeilichen Interesse verbunden werden kann (Bd. I § 21
II n. 3). In gleicher Weise kann hier die Zustimmung bedingt
werden durch die Übernahme der Kosten der öffentlichen Einrichtung
oder eines Beitrags dazu oder wenigstens durch die Sicherstellung der
künftigen Leistung. Durch die Annahme dieser Bedingungen, in aus-
drücklicher Erklärung oder in stillschweigender Benützung der so er-
teilten Erlaubnis, wird der Empfänger verpflichtet. Die Behörde
handelt aber obrigkeitlich ihm gegenüber. Sie schließt keinen Ver-
trag, sondern erläßt einen Verwaltungsakt. Die Einwilligung des
Betroffenen, seine Unterwerfung ist wieder nur die Voraussetzung für
die Gültigkeit dieses Aktes. Die Unterwerfung ist hier allerdings
keine ganz freie, die Last wird nicht von freien Stücken übernommen:
es besteht eine gewisse Nötigung dazu, insofern die Behörde die
Macht hat, andernfalls das ganze Vorhaben zu verhindern; darum
können wir hier trotz dieser Zustimmung von einer Auflage sprechen
im Gegensatz zu einem freiwilligen Zuschusse6.

5 Hierher gehören die besonderen Beiträge für Wegeunterhaltung, welche
Unternehmern von Steinbrüchen, Bergwerken, Fabriken auferlegt werden können,
wegen des ausgezeichneten Maßes, in welchem der Weg von ihnen benützt und
abgenützt wird; v. Reitzenstein in Wörterbuch II S. 909. In sehr umfassender
Weise und mit eigentümlicher Berechnung des Beitrags kommt diese Form zur
Anwendung in der Mehrwerts-Entschädigung nach französischem Ges. v. 16. Sept.
1807 art. 30--32, noch gültig in Elsaß-Lothringen und der Pfalz; Theorie des
Franz. V.R. S. 358.
6 O.Tr. 5. Juni 1877 (Str. 99 S. 182): Nach preuß. Ges. vom 3. Jan. 1845
§§ 25, 26 bedürfen neue Ansiedlungen außerhalb der Ortschaften einer polizei-
lichen Genehmigung. Die Polizeibehörde hat genehmigt unter der Bedingung, daß

§ 48. Vorzugslasten und Verbandlasten.
erstattung. Der Behörde ist die Macht gegeben, dieser Billigkeits-
forderung nach freiem Ermessen der Umstände des Einzelfalles gerecht
zu werden5.

Unter Umständen kann das aber geschehen auch ohne gesetzliche
Ermächtigung vermöge der Unterwerfung des Betroffenen unter
den belastenden Verwaltungsakt. Dabei ist nicht an die freiwilligen
Zuschüsse zu einem öffentlichen Unternehmen zu denken; das giebt,
wie wir gesehen haben, nicht die Auflage einer öffentlichen Last,
sondern einen civilrechtlichen Vertrag (oben Note 2). Der Fall ist
vielmehr der: der Einzelne will eine Anlage machen, für welche eine
öffentliche Einrichtung benützt oder neu hergestellt werden muß; die
Ausführung dieses Planes ist aber rechtlich abhängig von einer Zu-
stimmung der Behörde, und zwar gerade deshalb, weil sie für diese
öffentliche Einrichtung Fürsorge zu treffen hat. Es verhält sich da
ähnlich, wie bei einer Polizeierlaubnis, welche mit den nötigen Auf-
lagen im polizeilichen Interesse verbunden werden kann (Bd. I § 21
II n. 3). In gleicher Weise kann hier die Zustimmung bedingt
werden durch die Übernahme der Kosten der öffentlichen Einrichtung
oder eines Beitrags dazu oder wenigstens durch die Sicherstellung der
künftigen Leistung. Durch die Annahme dieser Bedingungen, in aus-
drücklicher Erklärung oder in stillschweigender Benützung der so er-
teilten Erlaubnis, wird der Empfänger verpflichtet. Die Behörde
handelt aber obrigkeitlich ihm gegenüber. Sie schließt keinen Ver-
trag, sondern erläßt einen Verwaltungsakt. Die Einwilligung des
Betroffenen, seine Unterwerfung ist wieder nur die Voraussetzung für
die Gültigkeit dieses Aktes. Die Unterwerfung ist hier allerdings
keine ganz freie, die Last wird nicht von freien Stücken übernommen:
es besteht eine gewisse Nötigung dazu, insofern die Behörde die
Macht hat, andernfalls das ganze Vorhaben zu verhindern; darum
können wir hier trotz dieser Zustimmung von einer Auflage sprechen
im Gegensatz zu einem freiwilligen Zuschusse6.

5 Hierher gehören die besonderen Beiträge für Wegeunterhaltung, welche
Unternehmern von Steinbrüchen, Bergwerken, Fabriken auferlegt werden können,
wegen des ausgezeichneten Maßes, in welchem der Weg von ihnen benützt und
abgenützt wird; v. Reitzenstein in Wörterbuch II S. 909. In sehr umfassender
Weise und mit eigentümlicher Berechnung des Beitrags kommt diese Form zur
Anwendung in der Mehrwerts-Entschädigung nach französischem Ges. v. 16. Sept.
1807 art. 30—32, noch gültig in Elsaß-Lothringen und der Pfalz; Theorie des
Franz. V.R. S. 358.
6 O.Tr. 5. Juni 1877 (Str. 99 S. 182): Nach preuß. Ges. vom 3. Jan. 1845
§§ 25, 26 bedürfen neue Ansiedlungen außerhalb der Ortschaften einer polizei-
lichen Genehmigung. Die Polizeibehörde hat genehmigt unter der Bedingung, daß
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[281/0293] § 48. Vorzugslasten und Verbandlasten. erstattung. Der Behörde ist die Macht gegeben, dieser Billigkeits- forderung nach freiem Ermessen der Umstände des Einzelfalles gerecht zu werden 5. Unter Umständen kann das aber geschehen auch ohne gesetzliche Ermächtigung vermöge der Unterwerfung des Betroffenen unter den belastenden Verwaltungsakt. Dabei ist nicht an die freiwilligen Zuschüsse zu einem öffentlichen Unternehmen zu denken; das giebt, wie wir gesehen haben, nicht die Auflage einer öffentlichen Last, sondern einen civilrechtlichen Vertrag (oben Note 2). Der Fall ist vielmehr der: der Einzelne will eine Anlage machen, für welche eine öffentliche Einrichtung benützt oder neu hergestellt werden muß; die Ausführung dieses Planes ist aber rechtlich abhängig von einer Zu- stimmung der Behörde, und zwar gerade deshalb, weil sie für diese öffentliche Einrichtung Fürsorge zu treffen hat. Es verhält sich da ähnlich, wie bei einer Polizeierlaubnis, welche mit den nötigen Auf- lagen im polizeilichen Interesse verbunden werden kann (Bd. I § 21 II n. 3). In gleicher Weise kann hier die Zustimmung bedingt werden durch die Übernahme der Kosten der öffentlichen Einrichtung oder eines Beitrags dazu oder wenigstens durch die Sicherstellung der künftigen Leistung. Durch die Annahme dieser Bedingungen, in aus- drücklicher Erklärung oder in stillschweigender Benützung der so er- teilten Erlaubnis, wird der Empfänger verpflichtet. Die Behörde handelt aber obrigkeitlich ihm gegenüber. Sie schließt keinen Ver- trag, sondern erläßt einen Verwaltungsakt. Die Einwilligung des Betroffenen, seine Unterwerfung ist wieder nur die Voraussetzung für die Gültigkeit dieses Aktes. Die Unterwerfung ist hier allerdings keine ganz freie, die Last wird nicht von freien Stücken übernommen: es besteht eine gewisse Nötigung dazu, insofern die Behörde die Macht hat, andernfalls das ganze Vorhaben zu verhindern; darum können wir hier trotz dieser Zustimmung von einer Auflage sprechen im Gegensatz zu einem freiwilligen Zuschusse 6. 5 Hierher gehören die besonderen Beiträge für Wegeunterhaltung, welche Unternehmern von Steinbrüchen, Bergwerken, Fabriken auferlegt werden können, wegen des ausgezeichneten Maßes, in welchem der Weg von ihnen benützt und abgenützt wird; v. Reitzenstein in Wörterbuch II S. 909. In sehr umfassender Weise und mit eigentümlicher Berechnung des Beitrags kommt diese Form zur Anwendung in der Mehrwerts-Entschädigung nach französischem Ges. v. 16. Sept. 1807 art. 30—32, noch gültig in Elsaß-Lothringen und der Pfalz; Theorie des Franz. V.R. S. 358. 6 O.Tr. 5. Juni 1877 (Str. 99 S. 182): Nach preuß. Ges. vom 3. Jan. 1845 §§ 25, 26 bedürfen neue Ansiedlungen außerhalb der Ortschaften einer polizei- lichen Genehmigung. Die Polizeibehörde hat genehmigt unter der Bedingung, daß

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/293>, abgerufen am 17.06.2024.