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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

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§ 52. Gegenrechte der öffentlichen Anstalt.

Die Ordnungen, welche erlassen werden zur Entfaltung der An-
staltsgewalt, entnehmen mit dieser ihre Kraft aus der Thatsache, daß
fremde Personen und Sachen in dem Machtkreis der Anstalt sich be-
befinden. Neuerungen daran wirken sofort auch auf bereits be-
gonnene Nutzungen. Die Gebühr dagegen, welche auf einen gewissen
Umfang von Leistungen gesetzt ist, bestimmt sich endgültig mit dem
Eintritt in den Genuß dieser Leistungen: nur in der Inanspruchnahme
findet der Tarif die Unterwerfung, die ihn wirksam macht; der neue
Tarif kann erst wieder wirksam werden von einem Abschnitt ab, der
eine neue Inanspruchnahme bedeutet16.

Die Anstaltsgewalt hat ihren Untergebenen stets bei der Hand;
für den Tarif wird die Frage nach dem Gebührenschuldner regelmäßig
dadurch vermieden, daß die Anstaltsleistung nicht beginnt oder nicht
vollendet wird vor der Zahlung. Unter Umständen ist aber doch der
Gebührenschuldner erst zu suchen. Da kommt es dann
darauf an, wem die rechtsgeschäftliche Willensäußerung zuzurechnen
ist, die den Tarif wirksam macht. Das kann ein Anderer sein als der,
dessen Person in die Anstaltsgewalt gegeben war17, ein anderer auch
als der, welcher durch seine Handlung die Anstalt unmittelbar in Be-

Bei der üblichen Vorauszahlung tritt das nicht hervor, weil dann nach geschehener
Anstaltsleistung doch nicht zurückgefordert werden kann. Aber bei der Brief-
post z. B., welche annehmen muß ohne Vorauszahlung, kann denkbarerweise die
Gebühr überhaupt verloren gehen: der Adressat verweigert etwa die Annahme und
der Absender stellt sich als entmündigt heraus. Selbst aus dieser Rücksicht dürfen
wir den Postbeamten nicht gestatten, die unfrankierte Sendung im Interesse ihres
Dienstherrn abzulehnen: wir würden sonst das Gleiche auch bei notorischer Zah-
lungsunfähigkeit des Absenders gelten lassen müssen.
16 Neue Bestimmungen über die Schulzucht treten sofort in Kraft, Er-
höhungen des Schulgeldes nach begonnenem Schuljahr können erst mit Beginn
eines neuen Abschnittes wirksam werden. Eine Änderung an Post-Ord. § 40, V,
wonach unbestellbare Briefe künftig schon nach zwei statt nach drei Monaten ver-
nichtet werden sollen, käme unbedenklich zur Anwendung auf alles, was von nun
an als unbestellbar bei der Ober-Postdirektion einläuft, ohne Rücksicht darauf,
wann der Brief aufgegeben und der "Postbeförderungsvertrag" geschlossen worden
ist, und trotz Postges. § 50 Abs. 2 Ziff. 4; das ist eine Sache der Anstalts-
gewalt
. Umgekehrt wird für einen zurückgehenden Brief das Porto nur nach
dem zur Zeit der Aufgabe geltenden Satze geschuldet sein.
17 Die Schulzucht hält sich an das Kind, der Schulgeldtarif an den Er-
ziehungsberechtigten. V.G.H. 30. Mai 1888 (Samml. X S. 45): Durch Gemeinde-
statut ist bestimmt, mit welchen Lehrmitteln ausgerüstet die Kinder in der Volks-
schule erscheinen müssen; das ist "schulpolizeiliche" Thätigkeit, wie wir sagen:
Anstaltsgewalt. Der Zwang besteht darin, daß diese Mittel den Kindern von der
Gemeinde geliefert werden; die Kosten werden den Eltern auferlegt als Ge-
bührenpflicht.
§ 52. Gegenrechte der öffentlichen Anstalt.

Die Ordnungen, welche erlassen werden zur Entfaltung der An-
staltsgewalt, entnehmen mit dieser ihre Kraft aus der Thatsache, daß
fremde Personen und Sachen in dem Machtkreis der Anstalt sich be-
befinden. Neuerungen daran wirken sofort auch auf bereits be-
gonnene Nutzungen. Die Gebühr dagegen, welche auf einen gewissen
Umfang von Leistungen gesetzt ist, bestimmt sich endgültig mit dem
Eintritt in den Genuß dieser Leistungen: nur in der Inanspruchnahme
findet der Tarif die Unterwerfung, die ihn wirksam macht; der neue
Tarif kann erst wieder wirksam werden von einem Abschnitt ab, der
eine neue Inanspruchnahme bedeutet16.

Die Anstaltsgewalt hat ihren Untergebenen stets bei der Hand;
für den Tarif wird die Frage nach dem Gebührenschuldner regelmäßig
dadurch vermieden, daß die Anstaltsleistung nicht beginnt oder nicht
vollendet wird vor der Zahlung. Unter Umständen ist aber doch der
Gebührenschuldner erst zu suchen. Da kommt es dann
darauf an, wem die rechtsgeschäftliche Willensäußerung zuzurechnen
ist, die den Tarif wirksam macht. Das kann ein Anderer sein als der,
dessen Person in die Anstaltsgewalt gegeben war17, ein anderer auch
als der, welcher durch seine Handlung die Anstalt unmittelbar in Be-

Bei der üblichen Vorauszahlung tritt das nicht hervor, weil dann nach geschehener
Anstaltsleistung doch nicht zurückgefordert werden kann. Aber bei der Brief-
post z. B., welche annehmen muß ohne Vorauszahlung, kann denkbarerweise die
Gebühr überhaupt verloren gehen: der Adressat verweigert etwa die Annahme und
der Absender stellt sich als entmündigt heraus. Selbst aus dieser Rücksicht dürfen
wir den Postbeamten nicht gestatten, die unfrankierte Sendung im Interesse ihres
Dienstherrn abzulehnen: wir würden sonst das Gleiche auch bei notorischer Zah-
lungsunfähigkeit des Absenders gelten lassen müssen.
16 Neue Bestimmungen über die Schulzucht treten sofort in Kraft, Er-
höhungen des Schulgeldes nach begonnenem Schuljahr können erst mit Beginn
eines neuen Abschnittes wirksam werden. Eine Änderung an Post-Ord. § 40, V,
wonach unbestellbare Briefe künftig schon nach zwei statt nach drei Monaten ver-
nichtet werden sollen, käme unbedenklich zur Anwendung auf alles, was von nun
an als unbestellbar bei der Ober-Postdirektion einläuft, ohne Rücksicht darauf,
wann der Brief aufgegeben und der „Postbeförderungsvertrag“ geschlossen worden
ist, und trotz Postges. § 50 Abs. 2 Ziff. 4; das ist eine Sache der Anstalts-
gewalt
. Umgekehrt wird für einen zurückgehenden Brief das Porto nur nach
dem zur Zeit der Aufgabe geltenden Satze geschuldet sein.
17 Die Schulzucht hält sich an das Kind, der Schulgeldtarif an den Er-
ziehungsberechtigten. V.G.H. 30. Mai 1888 (Samml. X S. 45): Durch Gemeinde-
statut ist bestimmt, mit welchen Lehrmitteln ausgerüstet die Kinder in der Volks-
schule erscheinen müssen; das ist „schulpolizeiliche“ Thätigkeit, wie wir sagen:
Anstaltsgewalt. Der Zwang besteht darin, daß diese Mittel den Kindern von der
Gemeinde geliefert werden; die Kosten werden den Eltern auferlegt als Ge-
bührenpflicht.
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[343/0355] § 52. Gegenrechte der öffentlichen Anstalt. Die Ordnungen, welche erlassen werden zur Entfaltung der An- staltsgewalt, entnehmen mit dieser ihre Kraft aus der Thatsache, daß fremde Personen und Sachen in dem Machtkreis der Anstalt sich be- befinden. Neuerungen daran wirken sofort auch auf bereits be- gonnene Nutzungen. Die Gebühr dagegen, welche auf einen gewissen Umfang von Leistungen gesetzt ist, bestimmt sich endgültig mit dem Eintritt in den Genuß dieser Leistungen: nur in der Inanspruchnahme findet der Tarif die Unterwerfung, die ihn wirksam macht; der neue Tarif kann erst wieder wirksam werden von einem Abschnitt ab, der eine neue Inanspruchnahme bedeutet 16. Die Anstaltsgewalt hat ihren Untergebenen stets bei der Hand; für den Tarif wird die Frage nach dem Gebührenschuldner regelmäßig dadurch vermieden, daß die Anstaltsleistung nicht beginnt oder nicht vollendet wird vor der Zahlung. Unter Umständen ist aber doch der Gebührenschuldner erst zu suchen. Da kommt es dann darauf an, wem die rechtsgeschäftliche Willensäußerung zuzurechnen ist, die den Tarif wirksam macht. Das kann ein Anderer sein als der, dessen Person in die Anstaltsgewalt gegeben war 17, ein anderer auch als der, welcher durch seine Handlung die Anstalt unmittelbar in Be- 15 16 Neue Bestimmungen über die Schulzucht treten sofort in Kraft, Er- höhungen des Schulgeldes nach begonnenem Schuljahr können erst mit Beginn eines neuen Abschnittes wirksam werden. Eine Änderung an Post-Ord. § 40, V, wonach unbestellbare Briefe künftig schon nach zwei statt nach drei Monaten ver- nichtet werden sollen, käme unbedenklich zur Anwendung auf alles, was von nun an als unbestellbar bei der Ober-Postdirektion einläuft, ohne Rücksicht darauf, wann der Brief aufgegeben und der „Postbeförderungsvertrag“ geschlossen worden ist, und trotz Postges. § 50 Abs. 2 Ziff. 4; das ist eine Sache der Anstalts- gewalt. Umgekehrt wird für einen zurückgehenden Brief das Porto nur nach dem zur Zeit der Aufgabe geltenden Satze geschuldet sein. 17 Die Schulzucht hält sich an das Kind, der Schulgeldtarif an den Er- ziehungsberechtigten. V.G.H. 30. Mai 1888 (Samml. X S. 45): Durch Gemeinde- statut ist bestimmt, mit welchen Lehrmitteln ausgerüstet die Kinder in der Volks- schule erscheinen müssen; das ist „schulpolizeiliche“ Thätigkeit, wie wir sagen: Anstaltsgewalt. Der Zwang besteht darin, daß diese Mittel den Kindern von der Gemeinde geliefert werden; die Kosten werden den Eltern auferlegt als Ge- bührenpflicht. 15 Bei der üblichen Vorauszahlung tritt das nicht hervor, weil dann nach geschehener Anstaltsleistung doch nicht zurückgefordert werden kann. Aber bei der Brief- post z. B., welche annehmen muß ohne Vorauszahlung, kann denkbarerweise die Gebühr überhaupt verloren gehen: der Adressat verweigert etwa die Annahme und der Absender stellt sich als entmündigt heraus. Selbst aus dieser Rücksicht dürfen wir den Postbeamten nicht gestatten, die unfrankierte Sendung im Interesse ihres Dienstherrn abzulehnen: wir würden sonst das Gleiche auch bei notorischer Zah- lungsunfähigkeit des Absenders gelten lassen müssen.

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 343. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/355>, abgerufen am 22.11.2024.