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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

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§ 56. Verschiedenheiten der Verfassungsgrundlagen.

2. Den einfachen Gegensatz bildet der Fall, wo der Zweck der
juristischen Person bezeichnet ist als der eines Vereines von
Menschen, welchen sie dafür dient. Das ist das Besondere der
öffentlichen Genossenschaft. Sie ist ein Verein mit juristischer
Persönlichkeit zur Führung eines Stückes öffentlicher Verwaltung. Die
Vereinsmitglieder sind zugleich die Angehörigen des Selbstverwaltungs-
körpers8. Häufig werden sie auch diejenigen sein, welchen die
Leistungen der Genossenschaft zu Gute kommen sollen: so bei Be-
wässerungsgenossenschaften, Forstgenossenschaften, Fischereigenossen-
schaften, Innungen. Wesentlich ist dieses Zusammentreffen nicht; das
Unternehmen der Genossenschaft kann auch geradezu darauf gerichtet
sein, Nichtmitgliedern zu Gute zu kommen: so bei Wohlthätigkeits-
vereinen mit öffentlichrechtlicher Persönlichkeit und bei den Berufs-
genossenschaften der Unfallversicherung. Auch hier ist die juristische

Willen, der ihr irgendwie eingeflößt worden ist und durch den sie lebt. Wo
die juristische Person ihren Anfang genommen hat mit einer freigebigen Zu-
wendung, ergreift man natürlich gern die Gelegenheit, den erforderlichen Willen
von diesem Stifter zu beziehen. Dessen Wille ist der juristischen Person ein-
gepflanzt, in ihr fixiert, perpetuiert, verewigt, erstarrt. Foerster, Preuß. Priv.R. 3.
Aufl. IV S. 404; Gierke, Gen.R. II S. 962; ders., Gen.Theorie S. 12 Note 3;
ders. D.Priv.R. I S. 635; Meurer, Heil. Sachen S. 75 ff. Bei civilrechtlichen
Stiftungspersönlichkeiten, Familienstiftungen u. dergl. wird sich diese Auffassung
vielleicht ohne Schaden durchführen lassen. Auf das öffentliche Recht übertragen
bedeutet sie aber die unnatürliche Zerreißung einer einheitlichen Rechtsgestalt.
Die Anstaltspersönlichkeit ist ganz dieselbe, ob die Mittel für ihr Unternehmen
von Anfang an ganz durch einen Stifter geliefert sind, oder ob eine Gabe den
Anstoß gab, die nur einen Teil des Aufwandes deckte, oder ob sie nur in Hoffnung
auf zukünftige Anteilnahme geschaffen wurde. Ob ausgesprochenen oder mut-
maßlichen Wünschen der Geber bei Gestaltung der juristischen Person Rechnung
getragen wird, macht keinen wesentlichen Unterschied.
8 Die öffentliche Körperschaft ist dem gegenüber der weitere Begriff. Sie
bedeutet eine juristische Person, die einen gegebenen Kreis von Menschen zu einem
"Körper" zusammenfaßt. Dazu gehört auch die Gemeinde, die ihrerseits nicht
voraussetzt, daß ihre Angehörigen einen Verein bilden, wie das bei der öffent-
lichen Genossenschaft der Fall ist. Vgl. die trefflichen Ausführungen von Rosin,
öff. Gen. S. 40 ff. -- In eigentümlicher Weise kommt die richtige Bestimmung des
Gegensatzes zwischen Anstaltspersönlichkeit und Genossenschaft zum Ausdruck
bei Piloty, Reichs-Unfallversicherungs-R. II S. 474 Note 2: "Der rechtliche Unter-
schied zwischen den Korporationen, welche Rosin öffentliche Anstalten nennt,
und den übrigen öffentlichen Korporationen besteht m. E. nur in der verschieden-
artigen Bezeichnung der Mitgliedschaft bei diesen und jenen." Darauf gründet sich
in der That alles. Piloty aber sagt das in dem Sinne, als ob damit eine wissen-
schaftliche Unterscheidung nicht genügend gerechtfertigt sei, und nennt beides,
Genossenschaft und Anstaltspersönlichkeit, Korporation. Damit sind wir natürlich
nicht einverstanden.
§ 56. Verschiedenheiten der Verfassungsgrundlagen.

2. Den einfachen Gegensatz bildet der Fall, wo der Zweck der
juristischen Person bezeichnet ist als der eines Vereines von
Menschen, welchen sie dafür dient. Das ist das Besondere der
öffentlichen Genossenschaft. Sie ist ein Verein mit juristischer
Persönlichkeit zur Führung eines Stückes öffentlicher Verwaltung. Die
Vereinsmitglieder sind zugleich die Angehörigen des Selbstverwaltungs-
körpers8. Häufig werden sie auch diejenigen sein, welchen die
Leistungen der Genossenschaft zu Gute kommen sollen: so bei Be-
wässerungsgenossenschaften, Forstgenossenschaften, Fischereigenossen-
schaften, Innungen. Wesentlich ist dieses Zusammentreffen nicht; das
Unternehmen der Genossenschaft kann auch geradezu darauf gerichtet
sein, Nichtmitgliedern zu Gute zu kommen: so bei Wohlthätigkeits-
vereinen mit öffentlichrechtlicher Persönlichkeit und bei den Berufs-
genossenschaften der Unfallversicherung. Auch hier ist die juristische

Willen, der ihr irgendwie eingeflößt worden ist und durch den sie lebt. Wo
die juristische Person ihren Anfang genommen hat mit einer freigebigen Zu-
wendung, ergreift man natürlich gern die Gelegenheit, den erforderlichen Willen
von diesem Stifter zu beziehen. Dessen Wille ist der juristischen Person ein-
gepflanzt, in ihr fixiert, perpetuiert, verewigt, erstarrt. Foerster, Preuß. Priv.R. 3.
Aufl. IV S. 404; Gierke, Gen.R. II S. 962; ders., Gen.Theorie S. 12 Note 3;
ders. D.Priv.R. I S. 635; Meurer, Heil. Sachen S. 75 ff. Bei civilrechtlichen
Stiftungspersönlichkeiten, Familienstiftungen u. dergl. wird sich diese Auffassung
vielleicht ohne Schaden durchführen lassen. Auf das öffentliche Recht übertragen
bedeutet sie aber die unnatürliche Zerreißung einer einheitlichen Rechtsgestalt.
Die Anstaltspersönlichkeit ist ganz dieselbe, ob die Mittel für ihr Unternehmen
von Anfang an ganz durch einen Stifter geliefert sind, oder ob eine Gabe den
Anstoß gab, die nur einen Teil des Aufwandes deckte, oder ob sie nur in Hoffnung
auf zukünftige Anteilnahme geschaffen wurde. Ob ausgesprochenen oder mut-
maßlichen Wünschen der Geber bei Gestaltung der juristischen Person Rechnung
getragen wird, macht keinen wesentlichen Unterschied.
8 Die öffentliche Körperschaft ist dem gegenüber der weitere Begriff. Sie
bedeutet eine juristische Person, die einen gegebenen Kreis von Menschen zu einem
„Körper“ zusammenfaßt. Dazu gehört auch die Gemeinde, die ihrerseits nicht
voraussetzt, daß ihre Angehörigen einen Verein bilden, wie das bei der öffent-
lichen Genossenschaft der Fall ist. Vgl. die trefflichen Ausführungen von Rosin,
öff. Gen. S. 40 ff. — In eigentümlicher Weise kommt die richtige Bestimmung des
Gegensatzes zwischen Anstaltspersönlichkeit und Genossenschaft zum Ausdruck
bei Piloty, Reichs-Unfallversicherungs-R. II S. 474 Note 2: „Der rechtliche Unter-
schied zwischen den Korporationen, welche Rosin öffentliche Anstalten nennt,
und den übrigen öffentlichen Korporationen besteht m. E. nur in der verschieden-
artigen Bezeichnung der Mitgliedschaft bei diesen und jenen.“ Darauf gründet sich
in der That alles. Piloty aber sagt das in dem Sinne, als ob damit eine wissen-
schaftliche Unterscheidung nicht genügend gerechtfertigt sei, und nennt beides,
Genossenschaft und Anstaltspersönlichkeit, Korporation. Damit sind wir natürlich
nicht einverstanden.
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[381/0393] § 56. Verschiedenheiten der Verfassungsgrundlagen. 2. Den einfachen Gegensatz bildet der Fall, wo der Zweck der juristischen Person bezeichnet ist als der eines Vereines von Menschen, welchen sie dafür dient. Das ist das Besondere der öffentlichen Genossenschaft. Sie ist ein Verein mit juristischer Persönlichkeit zur Führung eines Stückes öffentlicher Verwaltung. Die Vereinsmitglieder sind zugleich die Angehörigen des Selbstverwaltungs- körpers 8. Häufig werden sie auch diejenigen sein, welchen die Leistungen der Genossenschaft zu Gute kommen sollen: so bei Be- wässerungsgenossenschaften, Forstgenossenschaften, Fischereigenossen- schaften, Innungen. Wesentlich ist dieses Zusammentreffen nicht; das Unternehmen der Genossenschaft kann auch geradezu darauf gerichtet sein, Nichtmitgliedern zu Gute zu kommen: so bei Wohlthätigkeits- vereinen mit öffentlichrechtlicher Persönlichkeit und bei den Berufs- genossenschaften der Unfallversicherung. Auch hier ist die juristische 7 8 Die öffentliche Körperschaft ist dem gegenüber der weitere Begriff. Sie bedeutet eine juristische Person, die einen gegebenen Kreis von Menschen zu einem „Körper“ zusammenfaßt. Dazu gehört auch die Gemeinde, die ihrerseits nicht voraussetzt, daß ihre Angehörigen einen Verein bilden, wie das bei der öffent- lichen Genossenschaft der Fall ist. Vgl. die trefflichen Ausführungen von Rosin, öff. Gen. S. 40 ff. — In eigentümlicher Weise kommt die richtige Bestimmung des Gegensatzes zwischen Anstaltspersönlichkeit und Genossenschaft zum Ausdruck bei Piloty, Reichs-Unfallversicherungs-R. II S. 474 Note 2: „Der rechtliche Unter- schied zwischen den Korporationen, welche Rosin öffentliche Anstalten nennt, und den übrigen öffentlichen Korporationen besteht m. E. nur in der verschieden- artigen Bezeichnung der Mitgliedschaft bei diesen und jenen.“ Darauf gründet sich in der That alles. Piloty aber sagt das in dem Sinne, als ob damit eine wissen- schaftliche Unterscheidung nicht genügend gerechtfertigt sei, und nennt beides, Genossenschaft und Anstaltspersönlichkeit, Korporation. Damit sind wir natürlich nicht einverstanden. 7 Willen, der ihr irgendwie eingeflößt worden ist und durch den sie lebt. Wo die juristische Person ihren Anfang genommen hat mit einer freigebigen Zu- wendung, ergreift man natürlich gern die Gelegenheit, den erforderlichen Willen von diesem Stifter zu beziehen. Dessen Wille ist der juristischen Person ein- gepflanzt, in ihr fixiert, perpetuiert, verewigt, erstarrt. Foerster, Preuß. Priv.R. 3. Aufl. IV S. 404; Gierke, Gen.R. II S. 962; ders., Gen.Theorie S. 12 Note 3; ders. D.Priv.R. I S. 635; Meurer, Heil. Sachen S. 75 ff. Bei civilrechtlichen Stiftungspersönlichkeiten, Familienstiftungen u. dergl. wird sich diese Auffassung vielleicht ohne Schaden durchführen lassen. Auf das öffentliche Recht übertragen bedeutet sie aber die unnatürliche Zerreißung einer einheitlichen Rechtsgestalt. Die Anstaltspersönlichkeit ist ganz dieselbe, ob die Mittel für ihr Unternehmen von Anfang an ganz durch einen Stifter geliefert sind, oder ob eine Gabe den Anstoß gab, die nur einen Teil des Aufwandes deckte, oder ob sie nur in Hoffnung auf zukünftige Anteilnahme geschaffen wurde. Ob ausgesprochenen oder mut- maßlichen Wünschen der Geber bei Gestaltung der juristischen Person Rechnung getragen wird, macht keinen wesentlichen Unterschied.

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 381. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/393>, abgerufen am 22.11.2024.