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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

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§ 56. Verschiedenheiten der Verfassungsgrundlagen.

3. Die dritte Gruppe wird gebildet von der Gemeinde und den
gemeindeartigen Selbstverwaltungskörpern höherer
Stufe,
sämtlich gestaltet nach dem Vorbilde des Staates11.

Gemeinde und Staat stehen im Gegensatz zu der Anstalts-
persönlichkeit dadurch, daß ihre Angehörigen zusammengefaßt sind
zu einer abgegrenzten Mitgliederschaft; zu der Genossenschaft dadurch,
daß diese Zusammenfassung hier in ganz anderer Weise geschieht.

Der Verein, welchen die Angehörigen der Genossenschaft bilden,
beruht auf obligatorischen Rechtsverhältnissen. Die Mitgliedschaft ent-
steht für jeden Einzelnen dadurch, daß eine Verpflichtung für
den Vereinszweck bei ihm begründet wird,
durch frei-
willigen Eintritt oder zwangsweise durch obrigkeitliche Auferlegung.
Immer ist Verpflichtbarkeit die Voraussetzung; die Genossenschaft hat
keine anderen als handlungsfähige oder gehörig vertretene Mitglieder;
darum sind diese auch so ohne weiteres fähig und berufen, ihre Ver-
tretung zu stellen.

Im Gegensatze dazu beruht die Zugehörigkeit zu Staat und Ge-
meinde nicht auf besonders begründeten Verpflichtungen, sondern ist
eine rechtliche Eigenschaft der Menschen, ein status, er-
zeugt durch natürliche Zusammenhänge, denen Rechtsakte nur er-
gänzend und ändernd zur Seite treten.

Den Zusammenhang, der maßgebend ist für die Angehörigkeit,
liefert in erster Linie das jedem dieser Gemeinwesen zustehende
Gebiet.

Für die landesherrliche Gewalt, auch wo sie schon im Namen
eines gedachten Wesens, des Staates, ausgeübt wird, ist der Mensch
zunächst nur Gegenstand und das Gebiet die äußerliche Grenze, inner-
halb deren sie Macht hat über die Menschen. Unterthan des Staates
ist, wer durch den Aufenthalt auf dem Gebiete seiner Macht unter-
worfen ist.

Ein Beispiel giebt die Invaliditäts- und Altersversicherungsanstalt nach Ges.
22. Juni 1889 § 48 ff. Die Anstaltspersönlichkeit bekommt aber dadurch keinen
Verein abgegrenzt, für den sie da ist, und wird kein Mischgebilde; die äußere
Gestalt ihrer Vertretung ist auch für ihr Wesen gleichgültig.
11 Die älteren Lehrbücher des Civilrechts unterscheiden bei ihrer Aufzählung
der juristischen Personen: Korporationen, Stiftungen, Fiskus. Die Gemeinden
werden als Personengesamtheiten zu den ersteren gerechnet und dem Fiskus
entgegengesetzt. So z. B. Arndts, Pand. I § 47. Eine neuere Auffassung, sichtlich
unter dem Einfluß Gierkes, unterscheidet Anstalten und Stiftungen einerseits
und Körperschaften andererseits; die letzteren begreifen dann Genossenschaften,
Gemeinde und Staat. So z. B. bei Regelsberger, Pand. I § 75 ff. Es scheint
uns wichtig, daß die Cäsur innerhalb der zweiten Gruppe schärfer betont werde.
§ 56. Verschiedenheiten der Verfassungsgrundlagen.

3. Die dritte Gruppe wird gebildet von der Gemeinde und den
gemeindeartigen Selbstverwaltungskörpern höherer
Stufe,
sämtlich gestaltet nach dem Vorbilde des Staates11.

Gemeinde und Staat stehen im Gegensatz zu der Anstalts-
persönlichkeit dadurch, daß ihre Angehörigen zusammengefaßt sind
zu einer abgegrenzten Mitgliederschaft; zu der Genossenschaft dadurch,
daß diese Zusammenfassung hier in ganz anderer Weise geschieht.

Der Verein, welchen die Angehörigen der Genossenschaft bilden,
beruht auf obligatorischen Rechtsverhältnissen. Die Mitgliedschaft ent-
steht für jeden Einzelnen dadurch, daß eine Verpflichtung für
den Vereinszweck bei ihm begründet wird,
durch frei-
willigen Eintritt oder zwangsweise durch obrigkeitliche Auferlegung.
Immer ist Verpflichtbarkeit die Voraussetzung; die Genossenschaft hat
keine anderen als handlungsfähige oder gehörig vertretene Mitglieder;
darum sind diese auch so ohne weiteres fähig und berufen, ihre Ver-
tretung zu stellen.

Im Gegensatze dazu beruht die Zugehörigkeit zu Staat und Ge-
meinde nicht auf besonders begründeten Verpflichtungen, sondern ist
eine rechtliche Eigenschaft der Menschen, ein status, er-
zeugt durch natürliche Zusammenhänge, denen Rechtsakte nur er-
gänzend und ändernd zur Seite treten.

Den Zusammenhang, der maßgebend ist für die Angehörigkeit,
liefert in erster Linie das jedem dieser Gemeinwesen zustehende
Gebiet.

Für die landesherrliche Gewalt, auch wo sie schon im Namen
eines gedachten Wesens, des Staates, ausgeübt wird, ist der Mensch
zunächst nur Gegenstand und das Gebiet die äußerliche Grenze, inner-
halb deren sie Macht hat über die Menschen. Unterthan des Staates
ist, wer durch den Aufenthalt auf dem Gebiete seiner Macht unter-
worfen ist.

Ein Beispiel giebt die Invaliditäts- und Altersversicherungsanstalt nach Ges.
22. Juni 1889 § 48 ff. Die Anstaltspersönlichkeit bekommt aber dadurch keinen
Verein abgegrenzt, für den sie da ist, und wird kein Mischgebilde; die äußere
Gestalt ihrer Vertretung ist auch für ihr Wesen gleichgültig.
11 Die älteren Lehrbücher des Civilrechts unterscheiden bei ihrer Aufzählung
der juristischen Personen: Korporationen, Stiftungen, Fiskus. Die Gemeinden
werden als Personengesamtheiten zu den ersteren gerechnet und dem Fiskus
entgegengesetzt. So z. B. Arndts, Pand. I § 47. Eine neuere Auffassung, sichtlich
unter dem Einfluß Gierkes, unterscheidet Anstalten und Stiftungen einerseits
und Körperschaften andererseits; die letzteren begreifen dann Genossenschaften,
Gemeinde und Staat. So z. B. bei Regelsberger, Pand. I § 75 ff. Es scheint
uns wichtig, daß die Cäsur innerhalb der zweiten Gruppe schärfer betont werde.
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[383/0395] § 56. Verschiedenheiten der Verfassungsgrundlagen. 3. Die dritte Gruppe wird gebildet von der Gemeinde und den gemeindeartigen Selbstverwaltungskörpern höherer Stufe, sämtlich gestaltet nach dem Vorbilde des Staates 11. Gemeinde und Staat stehen im Gegensatz zu der Anstalts- persönlichkeit dadurch, daß ihre Angehörigen zusammengefaßt sind zu einer abgegrenzten Mitgliederschaft; zu der Genossenschaft dadurch, daß diese Zusammenfassung hier in ganz anderer Weise geschieht. Der Verein, welchen die Angehörigen der Genossenschaft bilden, beruht auf obligatorischen Rechtsverhältnissen. Die Mitgliedschaft ent- steht für jeden Einzelnen dadurch, daß eine Verpflichtung für den Vereinszweck bei ihm begründet wird, durch frei- willigen Eintritt oder zwangsweise durch obrigkeitliche Auferlegung. Immer ist Verpflichtbarkeit die Voraussetzung; die Genossenschaft hat keine anderen als handlungsfähige oder gehörig vertretene Mitglieder; darum sind diese auch so ohne weiteres fähig und berufen, ihre Ver- tretung zu stellen. Im Gegensatze dazu beruht die Zugehörigkeit zu Staat und Ge- meinde nicht auf besonders begründeten Verpflichtungen, sondern ist eine rechtliche Eigenschaft der Menschen, ein status, er- zeugt durch natürliche Zusammenhänge, denen Rechtsakte nur er- gänzend und ändernd zur Seite treten. Den Zusammenhang, der maßgebend ist für die Angehörigkeit, liefert in erster Linie das jedem dieser Gemeinwesen zustehende Gebiet. Für die landesherrliche Gewalt, auch wo sie schon im Namen eines gedachten Wesens, des Staates, ausgeübt wird, ist der Mensch zunächst nur Gegenstand und das Gebiet die äußerliche Grenze, inner- halb deren sie Macht hat über die Menschen. Unterthan des Staates ist, wer durch den Aufenthalt auf dem Gebiete seiner Macht unter- worfen ist. 10 11 Die älteren Lehrbücher des Civilrechts unterscheiden bei ihrer Aufzählung der juristischen Personen: Korporationen, Stiftungen, Fiskus. Die Gemeinden werden als Personengesamtheiten zu den ersteren gerechnet und dem Fiskus entgegengesetzt. So z. B. Arndts, Pand. I § 47. Eine neuere Auffassung, sichtlich unter dem Einfluß Gierkes, unterscheidet Anstalten und Stiftungen einerseits und Körperschaften andererseits; die letzteren begreifen dann Genossenschaften, Gemeinde und Staat. So z. B. bei Regelsberger, Pand. I § 75 ff. Es scheint uns wichtig, daß die Cäsur innerhalb der zweiten Gruppe schärfer betont werde. 10 Ein Beispiel giebt die Invaliditäts- und Altersversicherungsanstalt nach Ges. 22. Juni 1889 § 48 ff. Die Anstaltspersönlichkeit bekommt aber dadurch keinen Verein abgegrenzt, für den sie da ist, und wird kein Mischgebilde; die äußere Gestalt ihrer Vertretung ist auch für ihr Wesen gleichgültig.

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 383. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/395>, abgerufen am 22.11.2024.