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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

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§ 56. Verschiedenheiten der Verfassungsgrundlagen.
weisung, und durch den Anspruch auf Erwerb der Angehörigkeit auf
Grund des Wohnsitzes, sofort oder nach einer gewissen Dauer. Auch
bei diesem System bleibt die Übereinstimmung von Angehörigkeit und
Einwohnerschaft immer der Ruhepunkt, auf welchen die Pendel-
schwingungen hinstreben.

In dieser Bedeutung des Gebietes für die Bestimmung der An-
gehörigkeit liegt die Verneinung und der Gegensatz des Vereinsbegriffs
und damit auch der Unterschied dieser juristischen Personen von den
öffentlichen Genossenschaften. Nennen wir diese mit Rücksicht auf
ihre Grundlage der Angehörigkeit eine Vereinskörperschaft, so
sind Staat, Gemeinde, und was ihnen gleicht, ihnen gegenüber als
Gebietskörperschaften zu bezeichnen13.

13 Preuß, Gemeinde, Staat, Reich als Gebietskörperschaft S. 261. Haenel
in Arch. f. öff. R. V S. 464 und Rosin, Öff. Gen. S. 42 ff., betonen mehr die
Bedeutung des Gebietes als räumliche Herrschaftsabgrenzung. Aber diese Be-
deutung hat das Gebiet eben nur auch. Den Gegensatz zwischen Genossenschaft
und Gemeinde, wie Rosin thut, in diese Gebietsherrschaft zu setzen, wird nicht
angehen; die Ortsgemeinde, die Kreise, Provinzen verwalten in ihrem Gebiet, aber
es wird doch darin in ihrem Namen nicht geherrscht, so wenig wie für Wasser-
genossenschaften, Berufsgenossenschaften in deren Sprengel. Preuß hat im wesent-
lichen an Gedanken angeknüpft, die bei Gierke schon entwickelt worden waren,
namentlich Gen.R. II S. 870, 871: "Die Gebietskörperschaft beruht darauf, daß die
territoriale und örtliche Grundlage den ihr entsprechenden Personenverband in
wesentlichen Beziehungen durchdrang". So bestimmt sich die Mitgliedschaft durch
die Gebietsangehörigkeit und wird das Gebiet, wie Preuß gut sagt, zum
principium individuationis für die juristische Person. Abweichend von Gierke wird
aber hier weiter geschieden: wo die Gebietsangehörigkeit zunächst die Pflicht oder
das Recht erzeugt, einem Verein anzugehören, der seinerseits juristische Persönlich-
keit hat, haben wir eine Genossenschaft vor uns wie eine andere; das Gebiet ist
nur von mittelbarer Bedeutung. Die Gebietskörperschaft in unserem Sinn liegt
nur da vor, wo die Gebietsangehörigkeit unmittelbar auch die Angehörigkeit an die
juristische Person bestimmt. -- Aus der Zusammensetzung mehrerer gleichartiger
Gebietskörperschaften kann eine obere Gebietskörperschaft, ein höherer Kommunal-
verband sich bilden. Dabei entsteht entweder für die Einwohner eine doppelte
Angehörigkeit, zu dem unteren und zu dem oberen Körper; oder jeder gehört
unmittelbar nur zu seinem unteren Körper, und diese bilden ihrerseits wieder die
Angehörigen des oberen; vgl. Bl. f. adm. Pr. 1887 S. 290. -- Sehr lehrreich O.V.G.
2. März 1889: Dem hannoverischen Amtsversammlungsbezirke war die juristische
Persönlichkeit bestritten worden. Der Gegner behauptete, es gebe bloß zwei
Arten: entweder die Vereinskörperschaft, beruhend auf einer Anzahl physischer
Personen, oder die öffentliche Anstalt oder Stiftung, bestehend aus einem mit
Rechtsfähigkeit versehenen Vermögen (vgl. oben Note 11). Hier treffe keines zu.
Dem stellt nun das O.V.G. die Gebietskörperschaft als das dritte entgegen: "Das
bestehende Recht baut die kommunalen mit Korporationsrechten versehenen Ver-
Binding, Handbuch. VI. 2: Otto Mayer, Verwaltungsr. II. 25

§ 56. Verschiedenheiten der Verfassungsgrundlagen.
weisung, und durch den Anspruch auf Erwerb der Angehörigkeit auf
Grund des Wohnsitzes, sofort oder nach einer gewissen Dauer. Auch
bei diesem System bleibt die Übereinstimmung von Angehörigkeit und
Einwohnerschaft immer der Ruhepunkt, auf welchen die Pendel-
schwingungen hinstreben.

In dieser Bedeutung des Gebietes für die Bestimmung der An-
gehörigkeit liegt die Verneinung und der Gegensatz des Vereinsbegriffs
und damit auch der Unterschied dieser juristischen Personen von den
öffentlichen Genossenschaften. Nennen wir diese mit Rücksicht auf
ihre Grundlage der Angehörigkeit eine Vereinskörperschaft, so
sind Staat, Gemeinde, und was ihnen gleicht, ihnen gegenüber als
Gebietskörperschaften zu bezeichnen13.

13 Preuß, Gemeinde, Staat, Reich als Gebietskörperschaft S. 261. Haenel
in Arch. f. öff. R. V S. 464 und Rosin, Öff. Gen. S. 42 ff., betonen mehr die
Bedeutung des Gebietes als räumliche Herrschaftsabgrenzung. Aber diese Be-
deutung hat das Gebiet eben nur auch. Den Gegensatz zwischen Genossenschaft
und Gemeinde, wie Rosin thut, in diese Gebietsherrschaft zu setzen, wird nicht
angehen; die Ortsgemeinde, die Kreise, Provinzen verwalten in ihrem Gebiet, aber
es wird doch darin in ihrem Namen nicht geherrscht, so wenig wie für Wasser-
genossenschaften, Berufsgenossenschaften in deren Sprengel. Preuß hat im wesent-
lichen an Gedanken angeknüpft, die bei Gierke schon entwickelt worden waren,
namentlich Gen.R. II S. 870, 871: „Die Gebietskörperschaft beruht darauf, daß die
territoriale und örtliche Grundlage den ihr entsprechenden Personenverband in
wesentlichen Beziehungen durchdrang“. So bestimmt sich die Mitgliedschaft durch
die Gebietsangehörigkeit und wird das Gebiet, wie Preuß gut sagt, zum
principium individuationis für die juristische Person. Abweichend von Gierke wird
aber hier weiter geschieden: wo die Gebietsangehörigkeit zunächst die Pflicht oder
das Recht erzeugt, einem Verein anzugehören, der seinerseits juristische Persönlich-
keit hat, haben wir eine Genossenschaft vor uns wie eine andere; das Gebiet ist
nur von mittelbarer Bedeutung. Die Gebietskörperschaft in unserem Sinn liegt
nur da vor, wo die Gebietsangehörigkeit unmittelbar auch die Angehörigkeit an die
juristische Person bestimmt. — Aus der Zusammensetzung mehrerer gleichartiger
Gebietskörperschaften kann eine obere Gebietskörperschaft, ein höherer Kommunal-
verband sich bilden. Dabei entsteht entweder für die Einwohner eine doppelte
Angehörigkeit, zu dem unteren und zu dem oberen Körper; oder jeder gehört
unmittelbar nur zu seinem unteren Körper, und diese bilden ihrerseits wieder die
Angehörigen des oberen; vgl. Bl. f. adm. Pr. 1887 S. 290. — Sehr lehrreich O.V.G.
2. März 1889: Dem hannoverischen Amtsversammlungsbezirke war die juristische
Persönlichkeit bestritten worden. Der Gegner behauptete, es gebe bloß zwei
Arten: entweder die Vereinskörperschaft, beruhend auf einer Anzahl physischer
Personen, oder die öffentliche Anstalt oder Stiftung, bestehend aus einem mit
Rechtsfähigkeit versehenen Vermögen (vgl. oben Note 11). Hier treffe keines zu.
Dem stellt nun das O.V.G. die Gebietskörperschaft als das dritte entgegen: „Das
bestehende Recht baut die kommunalen mit Korporationsrechten versehenen Ver-
Binding, Handbuch. VI. 2: Otto Mayer, Verwaltungsr. II. 25
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[385/0397] § 56. Verschiedenheiten der Verfassungsgrundlagen. weisung, und durch den Anspruch auf Erwerb der Angehörigkeit auf Grund des Wohnsitzes, sofort oder nach einer gewissen Dauer. Auch bei diesem System bleibt die Übereinstimmung von Angehörigkeit und Einwohnerschaft immer der Ruhepunkt, auf welchen die Pendel- schwingungen hinstreben. In dieser Bedeutung des Gebietes für die Bestimmung der An- gehörigkeit liegt die Verneinung und der Gegensatz des Vereinsbegriffs und damit auch der Unterschied dieser juristischen Personen von den öffentlichen Genossenschaften. Nennen wir diese mit Rücksicht auf ihre Grundlage der Angehörigkeit eine Vereinskörperschaft, so sind Staat, Gemeinde, und was ihnen gleicht, ihnen gegenüber als Gebietskörperschaften zu bezeichnen 13. 13 Preuß, Gemeinde, Staat, Reich als Gebietskörperschaft S. 261. Haenel in Arch. f. öff. R. V S. 464 und Rosin, Öff. Gen. S. 42 ff., betonen mehr die Bedeutung des Gebietes als räumliche Herrschaftsabgrenzung. Aber diese Be- deutung hat das Gebiet eben nur auch. Den Gegensatz zwischen Genossenschaft und Gemeinde, wie Rosin thut, in diese Gebietsherrschaft zu setzen, wird nicht angehen; die Ortsgemeinde, die Kreise, Provinzen verwalten in ihrem Gebiet, aber es wird doch darin in ihrem Namen nicht geherrscht, so wenig wie für Wasser- genossenschaften, Berufsgenossenschaften in deren Sprengel. Preuß hat im wesent- lichen an Gedanken angeknüpft, die bei Gierke schon entwickelt worden waren, namentlich Gen.R. II S. 870, 871: „Die Gebietskörperschaft beruht darauf, daß die territoriale und örtliche Grundlage den ihr entsprechenden Personenverband in wesentlichen Beziehungen durchdrang“. So bestimmt sich die Mitgliedschaft durch die Gebietsangehörigkeit und wird das Gebiet, wie Preuß gut sagt, zum principium individuationis für die juristische Person. Abweichend von Gierke wird aber hier weiter geschieden: wo die Gebietsangehörigkeit zunächst die Pflicht oder das Recht erzeugt, einem Verein anzugehören, der seinerseits juristische Persönlich- keit hat, haben wir eine Genossenschaft vor uns wie eine andere; das Gebiet ist nur von mittelbarer Bedeutung. Die Gebietskörperschaft in unserem Sinn liegt nur da vor, wo die Gebietsangehörigkeit unmittelbar auch die Angehörigkeit an die juristische Person bestimmt. — Aus der Zusammensetzung mehrerer gleichartiger Gebietskörperschaften kann eine obere Gebietskörperschaft, ein höherer Kommunal- verband sich bilden. Dabei entsteht entweder für die Einwohner eine doppelte Angehörigkeit, zu dem unteren und zu dem oberen Körper; oder jeder gehört unmittelbar nur zu seinem unteren Körper, und diese bilden ihrerseits wieder die Angehörigen des oberen; vgl. Bl. f. adm. Pr. 1887 S. 290. — Sehr lehrreich O.V.G. 2. März 1889: Dem hannoverischen Amtsversammlungsbezirke war die juristische Persönlichkeit bestritten worden. Der Gegner behauptete, es gebe bloß zwei Arten: entweder die Vereinskörperschaft, beruhend auf einer Anzahl physischer Personen, oder die öffentliche Anstalt oder Stiftung, bestehend aus einem mit Rechtsfähigkeit versehenen Vermögen (vgl. oben Note 11). Hier treffe keines zu. Dem stellt nun das O.V.G. die Gebietskörperschaft als das dritte entgegen: „Das bestehende Recht baut die kommunalen mit Korporationsrechten versehenen Ver- Binding, Handbuch. VI. 2: Otto Mayer, Verwaltungsr. II. 25

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 385. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/397>, abgerufen am 22.11.2024.