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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

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Das Recht der juristischen Personen.
binden mit einer besonderen Art von Mitgliedschaft, einer bevor-
zugten Mitgliedschaft,
die durch besondere Lasten und Pflichten
gegenüber der Genossenschaft gekennzeichnet sein wird. Das bedeutet
dann ein Sonderrecht dieses Mitgliedes. Sein verstärktes Mitglieds-
recht auf Vertretung unterscheidet sich von dem eines abgeordneten
Vertreters nur durch die Rechtsform, in welcher diese Verstärkung
begründet wird8.

2. Außerhalb des Gebietes der öffentlichen Genossenschaft kann
die Vertretung der Selbstverwaltungskörper niemals so vollkommen
auf die Angehörigkeit gestellt werden. Das Amt tritt in den Vorder-
grund. Das Recht der Angehörigkeit kommt nur daneben zur Geltung,
weist dann aber auch die bei der öffentlichen Genossenschaft aus-
gebildeten Formen auf, nur mit gewissen Besonderheiten, die sich aus
der Verschiedenheit der Grundlagen ergeben.

Bei der öffentlichen Anstalt oder Stiftung mit
juristischer Persönlichkeit
kann von einer Vertretung durch
eine Versammlung der Angehörigen nicht die Rede sein. Wahl-
recht
und abgeordnete Vertreter kommen ausnahmsweise zur
Verwendung unter thunlichster Anlehnung an das dafür bei der
Genossenschaft gegebene Vorbild. Unter Umständen ist nämlich der
Kreis der Menschen, für welche die Anstaltspersönlichkeit da ist,
verhältnismäßig deutlicher abgegrenzt. Das ist dann der Fall, wenn
ihre Mittel durch Zwangsbeiträge aufgebracht werden. Die
Beitragspflichtigen sind die Angehörigen der juristischen Person, für
welche diese die Mittel zusammenhält und die Merkmale, nach welchen
das Gesetz die Pflicht auferlegt, machen sie erkennbar. Aus ihrer
Mitte können dann Ausschüsse gebildet werden, um an der Vertretung
der Anstalt teilzunehmen. Die Besetzung dieser Ausschüsse erfolgt
durch Ernennung oder Wahl. Die Rechtsstellung der Abgeordneten
und das Wahlrecht der Angehörigen sind zu beurteilen wie bei der
öffentlichen Genossenschaft. Aber die Anstaltspersönlichkeit wird durch
diese Zuteilung von Befugnissen, welche den Vereinsmitgliedern, den
Genossen zuzustehen pflegen, an ihre Angehörigen, die keine Vereins-
mitglieder, keine Genossen sind, nicht selbst Genossenschaft, sondern
behält im übrigen ihre juristische Eigenart9.

8 Beispiel: Kr.Vers.Ges. § 64 Ziff. 2.
9 Beispiel: Inv. u. Alt.Vers.Ges. v. 22. Juni 1889. Hier handelt es sich um
eine öffentliche Anstalt zur Verwaltung und Verwendung der eingezahlten Bei-
träge. Die Angehörigen der juristischen Person sind die Beitragszahler, Arbeit-
geber und Versicherte; um ihretwillen ist die juristische Person da. Sie bilden
unter sich keinen Verein. Das Gesetz beruft aber aus ihrer Mitte Abgeordnete,

Das Recht der juristischen Personen.
binden mit einer besonderen Art von Mitgliedschaft, einer bevor-
zugten Mitgliedschaft,
die durch besondere Lasten und Pflichten
gegenüber der Genossenschaft gekennzeichnet sein wird. Das bedeutet
dann ein Sonderrecht dieses Mitgliedes. Sein verstärktes Mitglieds-
recht auf Vertretung unterscheidet sich von dem eines abgeordneten
Vertreters nur durch die Rechtsform, in welcher diese Verstärkung
begründet wird8.

2. Außerhalb des Gebietes der öffentlichen Genossenschaft kann
die Vertretung der Selbstverwaltungskörper niemals so vollkommen
auf die Angehörigkeit gestellt werden. Das Amt tritt in den Vorder-
grund. Das Recht der Angehörigkeit kommt nur daneben zur Geltung,
weist dann aber auch die bei der öffentlichen Genossenschaft aus-
gebildeten Formen auf, nur mit gewissen Besonderheiten, die sich aus
der Verschiedenheit der Grundlagen ergeben.

Bei der öffentlichen Anstalt oder Stiftung mit
juristischer Persönlichkeit
kann von einer Vertretung durch
eine Versammlung der Angehörigen nicht die Rede sein. Wahl-
recht
und abgeordnete Vertreter kommen ausnahmsweise zur
Verwendung unter thunlichster Anlehnung an das dafür bei der
Genossenschaft gegebene Vorbild. Unter Umständen ist nämlich der
Kreis der Menschen, für welche die Anstaltspersönlichkeit da ist,
verhältnismäßig deutlicher abgegrenzt. Das ist dann der Fall, wenn
ihre Mittel durch Zwangsbeiträge aufgebracht werden. Die
Beitragspflichtigen sind die Angehörigen der juristischen Person, für
welche diese die Mittel zusammenhält und die Merkmale, nach welchen
das Gesetz die Pflicht auferlegt, machen sie erkennbar. Aus ihrer
Mitte können dann Ausschüsse gebildet werden, um an der Vertretung
der Anstalt teilzunehmen. Die Besetzung dieser Ausschüsse erfolgt
durch Ernennung oder Wahl. Die Rechtsstellung der Abgeordneten
und das Wahlrecht der Angehörigen sind zu beurteilen wie bei der
öffentlichen Genossenschaft. Aber die Anstaltspersönlichkeit wird durch
diese Zuteilung von Befugnissen, welche den Vereinsmitgliedern, den
Genossen zuzustehen pflegen, an ihre Angehörigen, die keine Vereins-
mitglieder, keine Genossen sind, nicht selbst Genossenschaft, sondern
behält im übrigen ihre juristische Eigenart9.

8 Beispiel: Kr.Vers.Ges. § 64 Ziff. 2.
9 Beispiel: Inv. u. Alt.Vers.Ges. v. 22. Juni 1889. Hier handelt es sich um
eine öffentliche Anstalt zur Verwaltung und Verwendung der eingezahlten Bei-
träge. Die Angehörigen der juristischen Person sind die Beitragszahler, Arbeit-
geber und Versicherte; um ihretwillen ist die juristische Person da. Sie bilden
unter sich keinen Verein. Das Gesetz beruft aber aus ihrer Mitte Abgeordnete,
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[400/0412] Das Recht der juristischen Personen. binden mit einer besonderen Art von Mitgliedschaft, einer bevor- zugten Mitgliedschaft, die durch besondere Lasten und Pflichten gegenüber der Genossenschaft gekennzeichnet sein wird. Das bedeutet dann ein Sonderrecht dieses Mitgliedes. Sein verstärktes Mitglieds- recht auf Vertretung unterscheidet sich von dem eines abgeordneten Vertreters nur durch die Rechtsform, in welcher diese Verstärkung begründet wird 8. 2. Außerhalb des Gebietes der öffentlichen Genossenschaft kann die Vertretung der Selbstverwaltungskörper niemals so vollkommen auf die Angehörigkeit gestellt werden. Das Amt tritt in den Vorder- grund. Das Recht der Angehörigkeit kommt nur daneben zur Geltung, weist dann aber auch die bei der öffentlichen Genossenschaft aus- gebildeten Formen auf, nur mit gewissen Besonderheiten, die sich aus der Verschiedenheit der Grundlagen ergeben. Bei der öffentlichen Anstalt oder Stiftung mit juristischer Persönlichkeit kann von einer Vertretung durch eine Versammlung der Angehörigen nicht die Rede sein. Wahl- recht und abgeordnete Vertreter kommen ausnahmsweise zur Verwendung unter thunlichster Anlehnung an das dafür bei der Genossenschaft gegebene Vorbild. Unter Umständen ist nämlich der Kreis der Menschen, für welche die Anstaltspersönlichkeit da ist, verhältnismäßig deutlicher abgegrenzt. Das ist dann der Fall, wenn ihre Mittel durch Zwangsbeiträge aufgebracht werden. Die Beitragspflichtigen sind die Angehörigen der juristischen Person, für welche diese die Mittel zusammenhält und die Merkmale, nach welchen das Gesetz die Pflicht auferlegt, machen sie erkennbar. Aus ihrer Mitte können dann Ausschüsse gebildet werden, um an der Vertretung der Anstalt teilzunehmen. Die Besetzung dieser Ausschüsse erfolgt durch Ernennung oder Wahl. Die Rechtsstellung der Abgeordneten und das Wahlrecht der Angehörigen sind zu beurteilen wie bei der öffentlichen Genossenschaft. Aber die Anstaltspersönlichkeit wird durch diese Zuteilung von Befugnissen, welche den Vereinsmitgliedern, den Genossen zuzustehen pflegen, an ihre Angehörigen, die keine Vereins- mitglieder, keine Genossen sind, nicht selbst Genossenschaft, sondern behält im übrigen ihre juristische Eigenart 9. 8 Beispiel: Kr.Vers.Ges. § 64 Ziff. 2. 9 Beispiel: Inv. u. Alt.Vers.Ges. v. 22. Juni 1889. Hier handelt es sich um eine öffentliche Anstalt zur Verwaltung und Verwendung der eingezahlten Bei- träge. Die Angehörigen der juristischen Person sind die Beitragszahler, Arbeit- geber und Versicherte; um ihretwillen ist die juristische Person da. Sie bilden unter sich keinen Verein. Das Gesetz beruft aber aus ihrer Mitte Abgeordnete,

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 400. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/412>, abgerufen am 22.11.2024.