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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

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§ 60. Selbstverwaltungslasten und Ausgleichungen.
aus Geschäftsführung ohne Auftrag bezeichnen wegen der äußerlichen
Ähnlichkeit. Es ist aber leicht zu sehen, daß die Regeln des civil-
rechtlichen Instituts nicht voll darauf passen11. --

Aus derartigen Verhältnissen können nachträglich auch Rück-
forderungsansprüche
entstehen. Eine juristische Person hat
einer andern eine Erstattungsforderung bezahlt, freiwillig oder ge-
zwungen, und behauptet nun, sie sei nichts oder nicht so viel schuldig
gewesen. Dann spricht man gern von einer condictio indebiti12. Das
civilrechtliche Institut ist aber wieder nicht in Frage. Es handelt
sich immer nur um die ursprüngliche öffentlichrechtliche Erstattungs-
forderung. Die Zahlung ist kein selbständiges civilrechtliches Rechts-
geschäft, sondern nur der Vollzug des Rechtsgrundes dieser Forderung.
Daß die zu Unrecht geleistete Zahlung rückgängig zu machen ist,
bildet nur die Kehrseite des nämlichen Rechtsgrundes, den Vollzug

ist das nur eine Auseinandersetzung über ein öffentlichrechtliches Gemeinschafts-
verhältnis. -- Ähnlich der Fall der Erstattung von Transportkosten, welche eine
Polizeiverwaltung unterwegs auszulegen veranlaßt war: B.A. f. Heim.W. 18. Jan. 1883
(Reger II S. 260); das Bundesamt erklärt dabei allerdings, seinen besonderen
Gesichtspunkt übertreibend (wie es auch sonst wohl thut), alles für civilrechtlich,
was nicht armenrechtlich ist. -- Das Östr. Reichsgericht (Hye 190) hat auf Grund-
lage der negotiorum gestio ein Kronland zur Erstattung der Auslagen verurteilt,
welche dem Staat, der gesetzlich gewisse Gelder für dasselbe zu verwalten hatte,
für Mehrkosten an Gehältern erwachsen waren. -- In umfassender Weise er-
scheinen solche Erstattungsansprüche auf dem Gebiete der Arbeiterversicherung:
Rosin, Arb.Vers. S. 537 ff., wo namentlich S. 540 (2, a) die richtige Be-
gründung gegeben wird.
11 Man könnte daran denken, das civilrechtliche Institut aushülfsweise auch
zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechtes zu verwenden, wo die
Voraussetzungen der öffentlichrechtlichen Kostenerstattungspflicht nicht zutreffen.
V.G.H. 10. Okt. 1882 (Samml. IV S. 185): Ein ehemaliger Soldat, der hülfsbedürftig
geworden ist, wird im Militärspital verpflegt; dasselbe, d. h. der Staat, erhebt
Ersatzanspruch gegen die Heimatgemeinde; das Gericht erkennt, daß der Ersatz-
anspruch nach denselben Regeln zu beurteilen sei, wie der einer Privatperson:
"Kläger ist nur Privatperson; es macht nichts, daß er juristische Person ist, denn
Privatperson ist jede nicht nach dem Armengesetz zur Hülfeleistung berufene
Person". Wir würden sagen: jeder Ersatzanspruch, der nicht auf jener öffentlich-
rechtlichen Zusammenordnung der Leistungspflichten beruht, kann nur ein civil-
rechtlicher sein. Es ist aber doch sehr die Frage, ob es zulässig sein kann, daß
die eine Verwaltung sich so ohne weiteres der Aufgaben der anderen bemächtigt,
um dann nach den Regeln des civilrechtlichen Verkehrs Ersatzansprüche zu
erheben.
12 Rückforderung erstatteter Armenunterstützungskosten: Bad. V.G.H.
28. Nov. 1882 (Reger VI S. 344); desgl. 4. Nov. 1885 (Samml. S. 418); B. A. f.
Heim.W. 22. Sept. 1883 (Reger IV S. 167). Andere Fälle: C.C.H. 14. April 1860;
O.V.G. 6. Nov. 1886.

§ 60. Selbstverwaltungslasten und Ausgleichungen.
aus Geschäftsführung ohne Auftrag bezeichnen wegen der äußerlichen
Ähnlichkeit. Es ist aber leicht zu sehen, daß die Regeln des civil-
rechtlichen Instituts nicht voll darauf passen11. —

Aus derartigen Verhältnissen können nachträglich auch Rück-
forderungsansprüche
entstehen. Eine juristische Person hat
einer andern eine Erstattungsforderung bezahlt, freiwillig oder ge-
zwungen, und behauptet nun, sie sei nichts oder nicht so viel schuldig
gewesen. Dann spricht man gern von einer condictio indebiti12. Das
civilrechtliche Institut ist aber wieder nicht in Frage. Es handelt
sich immer nur um die ursprüngliche öffentlichrechtliche Erstattungs-
forderung. Die Zahlung ist kein selbständiges civilrechtliches Rechts-
geschäft, sondern nur der Vollzug des Rechtsgrundes dieser Forderung.
Daß die zu Unrecht geleistete Zahlung rückgängig zu machen ist,
bildet nur die Kehrseite des nämlichen Rechtsgrundes, den Vollzug

ist das nur eine Auseinandersetzung über ein öffentlichrechtliches Gemeinschafts-
verhältnis. — Ähnlich der Fall der Erstattung von Transportkosten, welche eine
Polizeiverwaltung unterwegs auszulegen veranlaßt war: B.A. f. Heim.W. 18. Jan. 1883
(Reger II S. 260); das Bundesamt erklärt dabei allerdings, seinen besonderen
Gesichtspunkt übertreibend (wie es auch sonst wohl thut), alles für civilrechtlich,
was nicht armenrechtlich ist. — Das Östr. Reichsgericht (Hye 190) hat auf Grund-
lage der negotiorum gestio ein Kronland zur Erstattung der Auslagen verurteilt,
welche dem Staat, der gesetzlich gewisse Gelder für dasselbe zu verwalten hatte,
für Mehrkosten an Gehältern erwachsen waren. — In umfassender Weise er-
scheinen solche Erstattungsansprüche auf dem Gebiete der Arbeiterversicherung:
Rosin, Arb.Vers. S. 537 ff., wo namentlich S. 540 (2, a) die richtige Be-
gründung gegeben wird.
11 Man könnte daran denken, das civilrechtliche Institut aushülfsweise auch
zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechtes zu verwenden, wo die
Voraussetzungen der öffentlichrechtlichen Kostenerstattungspflicht nicht zutreffen.
V.G.H. 10. Okt. 1882 (Samml. IV S. 185): Ein ehemaliger Soldat, der hülfsbedürftig
geworden ist, wird im Militärspital verpflegt; dasselbe, d. h. der Staat, erhebt
Ersatzanspruch gegen die Heimatgemeinde; das Gericht erkennt, daß der Ersatz-
anspruch nach denselben Regeln zu beurteilen sei, wie der einer Privatperson:
„Kläger ist nur Privatperson; es macht nichts, daß er juristische Person ist, denn
Privatperson ist jede nicht nach dem Armengesetz zur Hülfeleistung berufene
Person“. Wir würden sagen: jeder Ersatzanspruch, der nicht auf jener öffentlich-
rechtlichen Zusammenordnung der Leistungspflichten beruht, kann nur ein civil-
rechtlicher sein. Es ist aber doch sehr die Frage, ob es zulässig sein kann, daß
die eine Verwaltung sich so ohne weiteres der Aufgaben der anderen bemächtigt,
um dann nach den Regeln des civilrechtlichen Verkehrs Ersatzansprüche zu
erheben.
12 Rückforderung erstatteter Armenunterstützungskosten: Bad. V.G.H.
28. Nov. 1882 (Reger VI S. 344); desgl. 4. Nov. 1885 (Samml. S. 418); B. A. f.
Heim.W. 22. Sept. 1883 (Reger IV S. 167). Andere Fälle: C.C.H. 14. April 1860;
O.V.G. 6. Nov. 1886.
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[429/0441] § 60. Selbstverwaltungslasten und Ausgleichungen. aus Geschäftsführung ohne Auftrag bezeichnen wegen der äußerlichen Ähnlichkeit. Es ist aber leicht zu sehen, daß die Regeln des civil- rechtlichen Instituts nicht voll darauf passen 11. — Aus derartigen Verhältnissen können nachträglich auch Rück- forderungsansprüche entstehen. Eine juristische Person hat einer andern eine Erstattungsforderung bezahlt, freiwillig oder ge- zwungen, und behauptet nun, sie sei nichts oder nicht so viel schuldig gewesen. Dann spricht man gern von einer condictio indebiti 12. Das civilrechtliche Institut ist aber wieder nicht in Frage. Es handelt sich immer nur um die ursprüngliche öffentlichrechtliche Erstattungs- forderung. Die Zahlung ist kein selbständiges civilrechtliches Rechts- geschäft, sondern nur der Vollzug des Rechtsgrundes dieser Forderung. Daß die zu Unrecht geleistete Zahlung rückgängig zu machen ist, bildet nur die Kehrseite des nämlichen Rechtsgrundes, den Vollzug 10 11 Man könnte daran denken, das civilrechtliche Institut aushülfsweise auch zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechtes zu verwenden, wo die Voraussetzungen der öffentlichrechtlichen Kostenerstattungspflicht nicht zutreffen. V.G.H. 10. Okt. 1882 (Samml. IV S. 185): Ein ehemaliger Soldat, der hülfsbedürftig geworden ist, wird im Militärspital verpflegt; dasselbe, d. h. der Staat, erhebt Ersatzanspruch gegen die Heimatgemeinde; das Gericht erkennt, daß der Ersatz- anspruch nach denselben Regeln zu beurteilen sei, wie der einer Privatperson: „Kläger ist nur Privatperson; es macht nichts, daß er juristische Person ist, denn Privatperson ist jede nicht nach dem Armengesetz zur Hülfeleistung berufene Person“. Wir würden sagen: jeder Ersatzanspruch, der nicht auf jener öffentlich- rechtlichen Zusammenordnung der Leistungspflichten beruht, kann nur ein civil- rechtlicher sein. Es ist aber doch sehr die Frage, ob es zulässig sein kann, daß die eine Verwaltung sich so ohne weiteres der Aufgaben der anderen bemächtigt, um dann nach den Regeln des civilrechtlichen Verkehrs Ersatzansprüche zu erheben. 12 Rückforderung erstatteter Armenunterstützungskosten: Bad. V.G.H. 28. Nov. 1882 (Reger VI S. 344); desgl. 4. Nov. 1885 (Samml. S. 418); B. A. f. Heim.W. 22. Sept. 1883 (Reger IV S. 167). Andere Fälle: C.C.H. 14. April 1860; O.V.G. 6. Nov. 1886. 10 ist das nur eine Auseinandersetzung über ein öffentlichrechtliches Gemeinschafts- verhältnis. — Ähnlich der Fall der Erstattung von Transportkosten, welche eine Polizeiverwaltung unterwegs auszulegen veranlaßt war: B.A. f. Heim.W. 18. Jan. 1883 (Reger II S. 260); das Bundesamt erklärt dabei allerdings, seinen besonderen Gesichtspunkt übertreibend (wie es auch sonst wohl thut), alles für civilrechtlich, was nicht armenrechtlich ist. — Das Östr. Reichsgericht (Hye 190) hat auf Grund- lage der negotiorum gestio ein Kronland zur Erstattung der Auslagen verurteilt, welche dem Staat, der gesetzlich gewisse Gelder für dasselbe zu verwalten hatte, für Mehrkosten an Gehältern erwachsen waren. — In umfassender Weise er- scheinen solche Erstattungsansprüche auf dem Gebiete der Arbeiterversicherung: Rosin, Arb.Vers. S. 537 ff., wo namentlich S. 540 (2, a) die richtige Be- gründung gegeben wird.

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 429. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/441>, abgerufen am 22.11.2024.