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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

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§ 60. Selbstverwaltungslasten und Ausgleichungen.
können auch hier vorkommen; der Gang ist aber dann der um-
gekehrte wie bei der Genossenschaft: er beginnt mit der Beitrags-
pflicht und auf diese erst gründet sich die Angehörigkeit zu der
juristischen Person. Ein öffentliches Unternehmen wird begründet,
an dessen Bestand und Thätigkeit einzelne nach gewissen Merkmalen
erkennbare Unterthanen besonders beteiligt sein sollen. Diesen wird
eine Vorzugslast dafür auferlegt in dem oben § 48 erörterten Sinne.
Zugleich wird um ihretwillen und um das von ihnen Geleistete für
die Anstalt zusammenzuhalten und zu verwenden, die Anstalt selbst
mit juristischer Persönlichkeit ausgerüstet. Ihre Beiträge sind dann
dieser geschuldet, und sie sind zugleich die Angehörigen davon21.

Die Gemeinde endlich hat zwar ihren festbestimmten Kreis
von Angehörigen, ihr Gemeindevolk. Aber diese sind nicht durchweg
leistungsfähig und ihr steht keine Vereinsgewalt über sie zu. Die
Zahlungen, welche sie verlangen will, bedürfen der gesetzlichen Grund-
lage. Die Formen, in welchen sie auferlegt werden, entsprechen ganz
denen der staatlichen Finanzgewalt; die Gemeindesteuer tritt neben
die Staatssteuer als direkte Steuer oder als indirekte, im ersteren
Falle namentlich vielfach mit jener sich verschmelzend. Für uns ist
hier vor allem eine Besonderheit bedeutsam, welche die Gemeinde-
steuer mit der Staatssteuer gemein hat, weil sie die Verschiedenartig-
keit der juristischen Personen noch einmal beleuchtet: im Gegensatz
zu den Beiträgen der Genossenschaft und Anstaltspersönlichkeiten
hängt die Abgabe, welche die Gemeinde erhebt, nicht an der An-
gehörigkeit. Mit seltenen Ausnahmen knüpft sich die Pflicht an Werte,
die auf dem Gebiete sich befinden, Vorgänge, die darauf sich ab-
spielen, ohne Rücksicht auf die Angehörigkeit dessen, der dadurch
pflichtig wird. Die Gebietskörperschaft macht darin wieder ihre
Eigenart geltend. Insofern auch die Angehörigkeit am Gebiete hängt,
wird im großen und ganzen dennoch eine thatsächliche Überein-
stimmung von Abgabenpflicht und Angehörigkeit sich ergeben, wie bei
den Staatssteuern. Aber rechtlich notwendig ist sie nicht.

2. Unter den Selbstverwaltungslasten nehmen nach deutschem
Rechte eine hervorragende Stelle ein die Unterstützungs-
pflichten
gegenüber Hülfsbedürftigen. Dem entsprechen mannig-
fache Freiheitsbeschränkungen der Einzelnen, für welche die Unter-
stützungspflicht in Anspruch genommen werden kann.

Es ist als ein zu mißbilligendes Unrecht angesehen, wenn die

21 Das Hauptbeispiel bietet die Inval. u. Alt.Versicherung (oben S. 400 Note 9).
Über die Beitragspflichten auf Grund einer Vorzugslast oben S. 277 ff.
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§ 60. Selbstverwaltungslasten und Ausgleichungen.
können auch hier vorkommen; der Gang ist aber dann der um-
gekehrte wie bei der Genossenschaft: er beginnt mit der Beitrags-
pflicht und auf diese erst gründet sich die Angehörigkeit zu der
juristischen Person. Ein öffentliches Unternehmen wird begründet,
an dessen Bestand und Thätigkeit einzelne nach gewissen Merkmalen
erkennbare Unterthanen besonders beteiligt sein sollen. Diesen wird
eine Vorzugslast dafür auferlegt in dem oben § 48 erörterten Sinne.
Zugleich wird um ihretwillen und um das von ihnen Geleistete für
die Anstalt zusammenzuhalten und zu verwenden, die Anstalt selbst
mit juristischer Persönlichkeit ausgerüstet. Ihre Beiträge sind dann
dieser geschuldet, und sie sind zugleich die Angehörigen davon21.

Die Gemeinde endlich hat zwar ihren festbestimmten Kreis
von Angehörigen, ihr Gemeindevolk. Aber diese sind nicht durchweg
leistungsfähig und ihr steht keine Vereinsgewalt über sie zu. Die
Zahlungen, welche sie verlangen will, bedürfen der gesetzlichen Grund-
lage. Die Formen, in welchen sie auferlegt werden, entsprechen ganz
denen der staatlichen Finanzgewalt; die Gemeindesteuer tritt neben
die Staatssteuer als direkte Steuer oder als indirekte, im ersteren
Falle namentlich vielfach mit jener sich verschmelzend. Für uns ist
hier vor allem eine Besonderheit bedeutsam, welche die Gemeinde-
steuer mit der Staatssteuer gemein hat, weil sie die Verschiedenartig-
keit der juristischen Personen noch einmal beleuchtet: im Gegensatz
zu den Beiträgen der Genossenschaft und Anstaltspersönlichkeiten
hängt die Abgabe, welche die Gemeinde erhebt, nicht an der An-
gehörigkeit. Mit seltenen Ausnahmen knüpft sich die Pflicht an Werte,
die auf dem Gebiete sich befinden, Vorgänge, die darauf sich ab-
spielen, ohne Rücksicht auf die Angehörigkeit dessen, der dadurch
pflichtig wird. Die Gebietskörperschaft macht darin wieder ihre
Eigenart geltend. Insofern auch die Angehörigkeit am Gebiete hängt,
wird im großen und ganzen dennoch eine thatsächliche Überein-
stimmung von Abgabenpflicht und Angehörigkeit sich ergeben, wie bei
den Staatssteuern. Aber rechtlich notwendig ist sie nicht.

2. Unter den Selbstverwaltungslasten nehmen nach deutschem
Rechte eine hervorragende Stelle ein die Unterstützungs-
pflichten
gegenüber Hülfsbedürftigen. Dem entsprechen mannig-
fache Freiheitsbeschränkungen der Einzelnen, für welche die Unter-
stützungspflicht in Anspruch genommen werden kann.

Es ist als ein zu mißbilligendes Unrecht angesehen, wenn die

21 Das Hauptbeispiel bietet die Inval. u. Alt.Versicherung (oben S. 400 Note 9).
Über die Beitragspflichten auf Grund einer Vorzugslast oben S. 277 ff.
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[435/0447] § 60. Selbstverwaltungslasten und Ausgleichungen. können auch hier vorkommen; der Gang ist aber dann der um- gekehrte wie bei der Genossenschaft: er beginnt mit der Beitrags- pflicht und auf diese erst gründet sich die Angehörigkeit zu der juristischen Person. Ein öffentliches Unternehmen wird begründet, an dessen Bestand und Thätigkeit einzelne nach gewissen Merkmalen erkennbare Unterthanen besonders beteiligt sein sollen. Diesen wird eine Vorzugslast dafür auferlegt in dem oben § 48 erörterten Sinne. Zugleich wird um ihretwillen und um das von ihnen Geleistete für die Anstalt zusammenzuhalten und zu verwenden, die Anstalt selbst mit juristischer Persönlichkeit ausgerüstet. Ihre Beiträge sind dann dieser geschuldet, und sie sind zugleich die Angehörigen davon 21. Die Gemeinde endlich hat zwar ihren festbestimmten Kreis von Angehörigen, ihr Gemeindevolk. Aber diese sind nicht durchweg leistungsfähig und ihr steht keine Vereinsgewalt über sie zu. Die Zahlungen, welche sie verlangen will, bedürfen der gesetzlichen Grund- lage. Die Formen, in welchen sie auferlegt werden, entsprechen ganz denen der staatlichen Finanzgewalt; die Gemeindesteuer tritt neben die Staatssteuer als direkte Steuer oder als indirekte, im ersteren Falle namentlich vielfach mit jener sich verschmelzend. Für uns ist hier vor allem eine Besonderheit bedeutsam, welche die Gemeinde- steuer mit der Staatssteuer gemein hat, weil sie die Verschiedenartig- keit der juristischen Personen noch einmal beleuchtet: im Gegensatz zu den Beiträgen der Genossenschaft und Anstaltspersönlichkeiten hängt die Abgabe, welche die Gemeinde erhebt, nicht an der An- gehörigkeit. Mit seltenen Ausnahmen knüpft sich die Pflicht an Werte, die auf dem Gebiete sich befinden, Vorgänge, die darauf sich ab- spielen, ohne Rücksicht auf die Angehörigkeit dessen, der dadurch pflichtig wird. Die Gebietskörperschaft macht darin wieder ihre Eigenart geltend. Insofern auch die Angehörigkeit am Gebiete hängt, wird im großen und ganzen dennoch eine thatsächliche Überein- stimmung von Abgabenpflicht und Angehörigkeit sich ergeben, wie bei den Staatssteuern. Aber rechtlich notwendig ist sie nicht. 2. Unter den Selbstverwaltungslasten nehmen nach deutschem Rechte eine hervorragende Stelle ein die Unterstützungs- pflichten gegenüber Hülfsbedürftigen. Dem entsprechen mannig- fache Freiheitsbeschränkungen der Einzelnen, für welche die Unter- stützungspflicht in Anspruch genommen werden kann. Es ist als ein zu mißbilligendes Unrecht angesehen, wenn die 21 Das Hauptbeispiel bietet die Inval. u. Alt.Versicherung (oben S. 400 Note 9). Über die Beitragspflichten auf Grund einer Vorzugslast oben S. 277 ff. 28*

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 435. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/447>, abgerufen am 22.11.2024.