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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

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Das Recht der juristischen Personen.

Alle diese Änderungen werden bewirkt einseitig durch staatliche
Verwaltungsakte in Form des Einzelgesetzes oder auf Grund gesetz-
licher Ermächtigung durch den Fürsten oder die Behörden. Der
Staatswille ist hier überall allein das Wirksame, wie bei der öffent-
lichen Anstalt oder Stiftung28. Weder die Vertretung der Selbst-
verwaltungskörper, noch ihre Angehörigen können selbständig eine
solche Maßregel vornehmen. Dagegen kommen hier ähnlich wie bei der
Anstalt oder Stiftung die Wünsche der Beteiligten in nebensächlicher
Weise in Betracht, sei es daß ihre Anhörung lediglich Formbedingung
des staatlichen Verfahrens ist, sei es daß ihre Zustimmung erfordert
wird, um dasselbe zu ermöglichen oder auch nur zu erleichtern, indem
etwa mit ihr schon eine untere Behörde die Maßregel verfügen, ohne
sie nur eine höhere sie durchführen kann.

Diese Beteiligten sind aber hier ganz anders bestimmt, wie bei
der Anstalt oder Stiftung. Es sind in erster Linie die von der Maß-
regel berührten Körper selbst, die durch ihre geordneten Ver-

S. 211). So war noch jüngst die Rede von einer Schwarzwaldgemeinde, die vom
Domänenfiskus ausgekauft und dann zu Gunsten des ausmärkischen Forstes auf-
gelöst worden ist.
28 Andere Endigungsgründe bietet wieder die Lehre vom Substrat. So Pözl,
Bayr. Verf.R. S. 245 Note 7: "Der völlige Untergang kann die Folge von außer-
ordentlichen Ereignissen, z. B. des Aussterbens aller Mitglieder oder der Aus-
wanderung derselben oder von Kriegsereignissen sein". Das ist falsch. Eine Ge-
meinde geht nicht von selbst unter durch den Verlust ihrer Angehörigen, so wenig
wie eine öffentliche Genossenschaft. Der Zustand, in welchen sie dadurch gerät,
ist auf die Dauer nicht haltbar und wird deshalb für den Staat Veranlassung sein,
sie aufzuheben. Das kann insbesondere dadurch geschehen, daß ihr Gebiet einer
anderen Gemeinde oder einem ausmärkischen Bezirk zugeteilt wird. Bis dahin ist
das Gebiet selbständige Gemeindemarkung geblieben (auch nach Pözl a. a. O.
S. 250), und die juristische Person darüber ist fähig, wieder ausgefüllt zu werden
durch die Angehörigen, die sie haben soll. -- Anders stände die Sache, wenn die
Gemeinde ihr Gebiet verlöre. Ohne Angehörige kann sie sein, aber nicht ohne
Gebiet. Denn das Gebiet bedeutet für sie die Fähigkeit, Angehörige zu haben, die
ja durch die Gebietszugehörigkeit bestimmt sind, und ohne diese Fähigkeit kann
sie nicht sein. Eine Gemeinde ohne Gebiet wäre in derselben Lage, wie eine
öffentliche Genossenschaft, deren Verein polizeilich verboten ist (oben S. 446),
daseinsunfähig, nicht bloß aufhebbar. Gierke, Gen.Theorie S. 841, erkennt des-
halb ein solches "Wegfallen des sachlichen Substrates" als einen Endigungsgrund
"ohne darauf gerichtete Handlung". Allein thatsächlich wird eine Gemeinde ihr
Gebiet kaum anders verlieren, als durch einen staatlichen Willensakt, der es ihr
entzieht; das ist aber doch nur eine Form, wie der Staat seinen Willen ausspricht,
die Gemeinde aufzuheben, eine "darauf gerichtete Handlung" also. Abgesehen davon
kann das Gebiet auch vom Meere verschlungen werden; da das nur alle tausend
Jahre einmal vorkommt, brauchen wir wohl eine besondere juristische Rubrik dafür
nicht zu bilden.
Das Recht der juristischen Personen.

Alle diese Änderungen werden bewirkt einseitig durch staatliche
Verwaltungsakte in Form des Einzelgesetzes oder auf Grund gesetz-
licher Ermächtigung durch den Fürsten oder die Behörden. Der
Staatswille ist hier überall allein das Wirksame, wie bei der öffent-
lichen Anstalt oder Stiftung28. Weder die Vertretung der Selbst-
verwaltungskörper, noch ihre Angehörigen können selbständig eine
solche Maßregel vornehmen. Dagegen kommen hier ähnlich wie bei der
Anstalt oder Stiftung die Wünsche der Beteiligten in nebensächlicher
Weise in Betracht, sei es daß ihre Anhörung lediglich Formbedingung
des staatlichen Verfahrens ist, sei es daß ihre Zustimmung erfordert
wird, um dasselbe zu ermöglichen oder auch nur zu erleichtern, indem
etwa mit ihr schon eine untere Behörde die Maßregel verfügen, ohne
sie nur eine höhere sie durchführen kann.

Diese Beteiligten sind aber hier ganz anders bestimmt, wie bei
der Anstalt oder Stiftung. Es sind in erster Linie die von der Maß-
regel berührten Körper selbst, die durch ihre geordneten Ver-

S. 211). So war noch jüngst die Rede von einer Schwarzwaldgemeinde, die vom
Domänenfiskus ausgekauft und dann zu Gunsten des ausmärkischen Forstes auf-
gelöst worden ist.
28 Andere Endigungsgründe bietet wieder die Lehre vom Substrat. So Pözl,
Bayr. Verf.R. S. 245 Note 7: „Der völlige Untergang kann die Folge von außer-
ordentlichen Ereignissen, z. B. des Aussterbens aller Mitglieder oder der Aus-
wanderung derselben oder von Kriegsereignissen sein“. Das ist falsch. Eine Ge-
meinde geht nicht von selbst unter durch den Verlust ihrer Angehörigen, so wenig
wie eine öffentliche Genossenschaft. Der Zustand, in welchen sie dadurch gerät,
ist auf die Dauer nicht haltbar und wird deshalb für den Staat Veranlassung sein,
sie aufzuheben. Das kann insbesondere dadurch geschehen, daß ihr Gebiet einer
anderen Gemeinde oder einem ausmärkischen Bezirk zugeteilt wird. Bis dahin ist
das Gebiet selbständige Gemeindemarkung geblieben (auch nach Pözl a. a. O.
S. 250), und die juristische Person darüber ist fähig, wieder ausgefüllt zu werden
durch die Angehörigen, die sie haben soll. — Anders stände die Sache, wenn die
Gemeinde ihr Gebiet verlöre. Ohne Angehörige kann sie sein, aber nicht ohne
Gebiet. Denn das Gebiet bedeutet für sie die Fähigkeit, Angehörige zu haben, die
ja durch die Gebietszugehörigkeit bestimmt sind, und ohne diese Fähigkeit kann
sie nicht sein. Eine Gemeinde ohne Gebiet wäre in derselben Lage, wie eine
öffentliche Genossenschaft, deren Verein polizeilich verboten ist (oben S. 446),
daseinsunfähig, nicht bloß aufhebbar. Gierke, Gen.Theorie S. 841, erkennt des-
halb ein solches „Wegfallen des sachlichen Substrates“ als einen Endigungsgrund
„ohne darauf gerichtete Handlung“. Allein thatsächlich wird eine Gemeinde ihr
Gebiet kaum anders verlieren, als durch einen staatlichen Willensakt, der es ihr
entzieht; das ist aber doch nur eine Form, wie der Staat seinen Willen ausspricht,
die Gemeinde aufzuheben, eine „darauf gerichtete Handlung“ also. Abgesehen davon
kann das Gebiet auch vom Meere verschlungen werden; da das nur alle tausend
Jahre einmal vorkommt, brauchen wir wohl eine besondere juristische Rubrik dafür
nicht zu bilden.
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[450/0462] Das Recht der juristischen Personen. Alle diese Änderungen werden bewirkt einseitig durch staatliche Verwaltungsakte in Form des Einzelgesetzes oder auf Grund gesetz- licher Ermächtigung durch den Fürsten oder die Behörden. Der Staatswille ist hier überall allein das Wirksame, wie bei der öffent- lichen Anstalt oder Stiftung 28. Weder die Vertretung der Selbst- verwaltungskörper, noch ihre Angehörigen können selbständig eine solche Maßregel vornehmen. Dagegen kommen hier ähnlich wie bei der Anstalt oder Stiftung die Wünsche der Beteiligten in nebensächlicher Weise in Betracht, sei es daß ihre Anhörung lediglich Formbedingung des staatlichen Verfahrens ist, sei es daß ihre Zustimmung erfordert wird, um dasselbe zu ermöglichen oder auch nur zu erleichtern, indem etwa mit ihr schon eine untere Behörde die Maßregel verfügen, ohne sie nur eine höhere sie durchführen kann. Diese Beteiligten sind aber hier ganz anders bestimmt, wie bei der Anstalt oder Stiftung. Es sind in erster Linie die von der Maß- regel berührten Körper selbst, die durch ihre geordneten Ver- 27 28 Andere Endigungsgründe bietet wieder die Lehre vom Substrat. So Pözl, Bayr. Verf.R. S. 245 Note 7: „Der völlige Untergang kann die Folge von außer- ordentlichen Ereignissen, z. B. des Aussterbens aller Mitglieder oder der Aus- wanderung derselben oder von Kriegsereignissen sein“. Das ist falsch. Eine Ge- meinde geht nicht von selbst unter durch den Verlust ihrer Angehörigen, so wenig wie eine öffentliche Genossenschaft. Der Zustand, in welchen sie dadurch gerät, ist auf die Dauer nicht haltbar und wird deshalb für den Staat Veranlassung sein, sie aufzuheben. Das kann insbesondere dadurch geschehen, daß ihr Gebiet einer anderen Gemeinde oder einem ausmärkischen Bezirk zugeteilt wird. Bis dahin ist das Gebiet selbständige Gemeindemarkung geblieben (auch nach Pözl a. a. O. S. 250), und die juristische Person darüber ist fähig, wieder ausgefüllt zu werden durch die Angehörigen, die sie haben soll. — Anders stände die Sache, wenn die Gemeinde ihr Gebiet verlöre. Ohne Angehörige kann sie sein, aber nicht ohne Gebiet. Denn das Gebiet bedeutet für sie die Fähigkeit, Angehörige zu haben, die ja durch die Gebietszugehörigkeit bestimmt sind, und ohne diese Fähigkeit kann sie nicht sein. Eine Gemeinde ohne Gebiet wäre in derselben Lage, wie eine öffentliche Genossenschaft, deren Verein polizeilich verboten ist (oben S. 446), daseinsunfähig, nicht bloß aufhebbar. Gierke, Gen.Theorie S. 841, erkennt des- halb ein solches „Wegfallen des sachlichen Substrates“ als einen Endigungsgrund „ohne darauf gerichtete Handlung“. Allein thatsächlich wird eine Gemeinde ihr Gebiet kaum anders verlieren, als durch einen staatlichen Willensakt, der es ihr entzieht; das ist aber doch nur eine Form, wie der Staat seinen Willen ausspricht, die Gemeinde aufzuheben, eine „darauf gerichtete Handlung“ also. Abgesehen davon kann das Gebiet auch vom Meere verschlungen werden; da das nur alle tausend Jahre einmal vorkommt, brauchen wir wohl eine besondere juristische Rubrik dafür nicht zu bilden. 27 S. 211). So war noch jüngst die Rede von einer Schwarzwaldgemeinde, die vom Domänenfiskus ausgekauft und dann zu Gunsten des ausmärkischen Forstes auf- gelöst worden ist.

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 450. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/462>, abgerufen am 22.11.2024.