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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

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Anhang.

Daneben bleibt ein großer allgemein wirkender Rechtsmangel
der Fremden bestehen, der sich kund thut im Ausweisungsrecht
der Regierung. Dem entspricht das Recht, den Eintritt in unser Ge-
biet dem Fremden überhaupt nicht oder nur unter Bedingungen zu
gestatten. Das Ausweisungsrecht bedarf keiner gesetzlichen Grund-
lage. Nach allgemeiner Rechtsüberzeugung hat die Verfassung, wenn
sie Eingriffe in die Freiheit dem Gesetze vorbehielt, unter dieser bei
Fremden nicht die Möglichkeit begriffen, sich auf unserem Gebiete
aufzuhalten6. Folglich ist die vollziehende Gewalt von selbst in der
Lage, ihnen dies zu verwehren. Der Ausweisungsbefehl und als
Zwangsmittel zum Vollzug die Gewaltanwendung stehen ihr zur Ver-
fügung7. Eine gesetzliche Grundlage wird erst wieder nötig, wenn
Rechtssätze aufgestellt oder Strafen verhängt werden sollen.

2. Mit der gleichen Rechtsfähigkeit der Fremden, die nur aus-
nahmsweise beschränkt ist, beginnt erst das Internationale Privat-
recht. Sein ganzes System beruht auf dem Grundgedanken, daß die
civilisierte Menschheit eine große Gesellschaft bildet, in welcher die
nebeneinanderstehenden Staaten durch gemeinsame Thätigkeit in ge-
hörig verteilten Rollen die Rechtsordnung aufrecht erhalten. Jeder
Staat bringt sein Civilrecht mit, dessen Bestimmungen nach gewissen
Anwendungsmaßstäben zur Wirksamkeit gelangen wollen. Nach den
nämlichen Maßstäben sollen gegebenen Falles auch die Bestimmungen

Ztschft. f. int. Priv. u. Stf.R. I S. 675 über "internationalrechtliche Fragen in den
Arbeiterversicherungsgesetzen" und Schulze, D.St.R. I S. 354, über Befreiung der
Ausländer vom Kriegsdienst, wo allerdings die Sache so dargestellt wird, als ob
diese Befreiung durch die Grundsätze des Völkerrechts bewirkt würde, während
sie auf der durch völkerrechtliche Rücksichten bestimmten Enthaltsamkeit unserer
Gesetzgebung beruht.
6 Zorn in Wörterbuch I S. 118 drückt das aus als ein "Prinzip des heutigen
Rechts", wonach "der Fremde kein Recht an den Staat hat". Die Schwierigkeit
in derartigen Dingen ist immer die, die Verknüpfung eines solchen Prinzips mit
irgend einem Rechtssatze aufzuweisen; ohne den kann es nicht wirksam werden.
7 Der Polizeistaat wird diese Scheidung nicht machen, sondern je nachdem
erst androhen oder auch unmittelbar mit "Schub" und "Zwangstransport" vorgehen;
dem Rechtsstaat entspricht es, immer erst den Verwaltungsakt dazwischen zu
schieben, auch ohne daß ein Gesetz es verlangt; vgl. Bd. I S. 66. Wer verbieten
kann, kann auch Bedingungen setzen, unter welchen er gestatten, d. h. nicht ver-
bieten will. Auf diese Weise ist die Regierung jeder Zeit in der Lage, ohne
Gesetz, sofern nur ein entgegenstehendes Gesetz nicht ergangen ist, für Fremde
den Paßzwang einzuführen, ihnen Meldepflichten oder die Einholung von
Aufenthaltserlaubnissen aufzulegen. Eine derartige Anordnung ist kein
Rechtssatz, sondern lediglich eine Drohung mit der Gewaltanwendung, die dahinter
steht, um den Fremden, der sich nicht fügt, abzuweisen oder wegzuschaffen.
Anhang.

Daneben bleibt ein großer allgemein wirkender Rechtsmangel
der Fremden bestehen, der sich kund thut im Ausweisungsrecht
der Regierung. Dem entspricht das Recht, den Eintritt in unser Ge-
biet dem Fremden überhaupt nicht oder nur unter Bedingungen zu
gestatten. Das Ausweisungsrecht bedarf keiner gesetzlichen Grund-
lage. Nach allgemeiner Rechtsüberzeugung hat die Verfassung, wenn
sie Eingriffe in die Freiheit dem Gesetze vorbehielt, unter dieser bei
Fremden nicht die Möglichkeit begriffen, sich auf unserem Gebiete
aufzuhalten6. Folglich ist die vollziehende Gewalt von selbst in der
Lage, ihnen dies zu verwehren. Der Ausweisungsbefehl und als
Zwangsmittel zum Vollzug die Gewaltanwendung stehen ihr zur Ver-
fügung7. Eine gesetzliche Grundlage wird erst wieder nötig, wenn
Rechtssätze aufgestellt oder Strafen verhängt werden sollen.

2. Mit der gleichen Rechtsfähigkeit der Fremden, die nur aus-
nahmsweise beschränkt ist, beginnt erst das Internationale Privat-
recht. Sein ganzes System beruht auf dem Grundgedanken, daß die
civilisierte Menschheit eine große Gesellschaft bildet, in welcher die
nebeneinanderstehenden Staaten durch gemeinsame Thätigkeit in ge-
hörig verteilten Rollen die Rechtsordnung aufrecht erhalten. Jeder
Staat bringt sein Civilrecht mit, dessen Bestimmungen nach gewissen
Anwendungsmaßstäben zur Wirksamkeit gelangen wollen. Nach den
nämlichen Maßstäben sollen gegebenen Falles auch die Bestimmungen

Ztschft. f. int. Priv. u. Stf.R. I S. 675 über „internationalrechtliche Fragen in den
Arbeiterversicherungsgesetzen“ und Schulze, D.St.R. I S. 354, über Befreiung der
Ausländer vom Kriegsdienst, wo allerdings die Sache so dargestellt wird, als ob
diese Befreiung durch die Grundsätze des Völkerrechts bewirkt würde, während
sie auf der durch völkerrechtliche Rücksichten bestimmten Enthaltsamkeit unserer
Gesetzgebung beruht.
6 Zorn in Wörterbuch I S. 118 drückt das aus als ein „Prinzip des heutigen
Rechts“, wonach „der Fremde kein Recht an den Staat hat“. Die Schwierigkeit
in derartigen Dingen ist immer die, die Verknüpfung eines solchen Prinzips mit
irgend einem Rechtssatze aufzuweisen; ohne den kann es nicht wirksam werden.
7 Der Polizeistaat wird diese Scheidung nicht machen, sondern je nachdem
erst androhen oder auch unmittelbar mit „Schub“ und „Zwangstransport“ vorgehen;
dem Rechtsstaat entspricht es, immer erst den Verwaltungsakt dazwischen zu
schieben, auch ohne daß ein Gesetz es verlangt; vgl. Bd. I S. 66. Wer verbieten
kann, kann auch Bedingungen setzen, unter welchen er gestatten, d. h. nicht ver-
bieten will. Auf diese Weise ist die Regierung jeder Zeit in der Lage, ohne
Gesetz, sofern nur ein entgegenstehendes Gesetz nicht ergangen ist, für Fremde
den Paßzwang einzuführen, ihnen Meldepflichten oder die Einholung von
Aufenthaltserlaubnissen aufzulegen. Eine derartige Anordnung ist kein
Rechtssatz, sondern lediglich eine Drohung mit der Gewaltanwendung, die dahinter
steht, um den Fremden, der sich nicht fügt, abzuweisen oder wegzuschaffen.
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[456/0468] Anhang. Daneben bleibt ein großer allgemein wirkender Rechtsmangel der Fremden bestehen, der sich kund thut im Ausweisungsrecht der Regierung. Dem entspricht das Recht, den Eintritt in unser Ge- biet dem Fremden überhaupt nicht oder nur unter Bedingungen zu gestatten. Das Ausweisungsrecht bedarf keiner gesetzlichen Grund- lage. Nach allgemeiner Rechtsüberzeugung hat die Verfassung, wenn sie Eingriffe in die Freiheit dem Gesetze vorbehielt, unter dieser bei Fremden nicht die Möglichkeit begriffen, sich auf unserem Gebiete aufzuhalten 6. Folglich ist die vollziehende Gewalt von selbst in der Lage, ihnen dies zu verwehren. Der Ausweisungsbefehl und als Zwangsmittel zum Vollzug die Gewaltanwendung stehen ihr zur Ver- fügung 7. Eine gesetzliche Grundlage wird erst wieder nötig, wenn Rechtssätze aufgestellt oder Strafen verhängt werden sollen. 2. Mit der gleichen Rechtsfähigkeit der Fremden, die nur aus- nahmsweise beschränkt ist, beginnt erst das Internationale Privat- recht. Sein ganzes System beruht auf dem Grundgedanken, daß die civilisierte Menschheit eine große Gesellschaft bildet, in welcher die nebeneinanderstehenden Staaten durch gemeinsame Thätigkeit in ge- hörig verteilten Rollen die Rechtsordnung aufrecht erhalten. Jeder Staat bringt sein Civilrecht mit, dessen Bestimmungen nach gewissen Anwendungsmaßstäben zur Wirksamkeit gelangen wollen. Nach den nämlichen Maßstäben sollen gegebenen Falles auch die Bestimmungen 5 6 Zorn in Wörterbuch I S. 118 drückt das aus als ein „Prinzip des heutigen Rechts“, wonach „der Fremde kein Recht an den Staat hat“. Die Schwierigkeit in derartigen Dingen ist immer die, die Verknüpfung eines solchen Prinzips mit irgend einem Rechtssatze aufzuweisen; ohne den kann es nicht wirksam werden. 7 Der Polizeistaat wird diese Scheidung nicht machen, sondern je nachdem erst androhen oder auch unmittelbar mit „Schub“ und „Zwangstransport“ vorgehen; dem Rechtsstaat entspricht es, immer erst den Verwaltungsakt dazwischen zu schieben, auch ohne daß ein Gesetz es verlangt; vgl. Bd. I S. 66. Wer verbieten kann, kann auch Bedingungen setzen, unter welchen er gestatten, d. h. nicht ver- bieten will. Auf diese Weise ist die Regierung jeder Zeit in der Lage, ohne Gesetz, sofern nur ein entgegenstehendes Gesetz nicht ergangen ist, für Fremde den Paßzwang einzuführen, ihnen Meldepflichten oder die Einholung von Aufenthaltserlaubnissen aufzulegen. Eine derartige Anordnung ist kein Rechtssatz, sondern lediglich eine Drohung mit der Gewaltanwendung, die dahinter steht, um den Fremden, der sich nicht fügt, abzuweisen oder wegzuschaffen. 5 Ztschft. f. int. Priv. u. Stf.R. I S. 675 über „internationalrechtliche Fragen in den Arbeiterversicherungsgesetzen“ und Schulze, D.St.R. I S. 354, über Befreiung der Ausländer vom Kriegsdienst, wo allerdings die Sache so dargestellt wird, als ob diese Befreiung durch die Grundsätze des Völkerrechts bewirkt würde, während sie auf der durch völkerrechtliche Rücksichten bestimmten Enthaltsamkeit unserer Gesetzgebung beruht.

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 456. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/468>, abgerufen am 22.11.2024.