stenmal in Ketten vor mir sahe, hätte ich aufs Neu für Jammer vergehen mögen. Doch sie lächelte und rief Dn. Syndico entgegen: "Ist Er der Engel der mich, wie St. Petrum von meinen Ketten befreien will *)?" worauf er mit einem Seufzer zur Antwort gab: "das gebe der allmächtige Gott!" Und da weiter kein Stuhl im Gefängnüß fürhanden ( so ein garstig und stinkend Loch war, und worinnen es so viele Kellerwürmer hatte, als ich in meinem Leben nicht gesehn) als der Stuhl worauf sie an der Wand saß, setzeten Dn. Syndicus und ich uns auf ihr Bette, welches man ihr auf mein Bitten gelassen, und befahl selbiger dem Büttel nun¬ mehro wieder seiner Straßen zu gehen, bis er ihn ru¬ fen würd. Hierauf fragete er mein Töchterlein, was sie zu ihrer Entschuldigung herfürbringen wölle, und war sie noch nit weit in ihrer Defension gekommen, als ich an dem Schatten, so sich an der Thüren rührete, ab¬ nahm daß Jemand vor selbiger stehen mußte. Trat also eiligst in die Thüre welche halb offen stund, und betraf den dreusten Büttel, welcher hiervor stehen geblie¬ ben umb zu horchen. Solches verdroß Dn. Syndicum dermaßen, daß er seinen Stock ergriff umb ihm das Kehr¬ aus zu geben; aber der Erzschalk lief alsobald von dan¬ nen, als er solches merkete. Dieses benützete mein Töch¬ terlein umb ihrem Herrn Defensori zu erzählen, was sie von diesem dreusten Kerl ausgehalten, und daß ihr müge
*) Apostelgeschichte 12, 7.
ſtenmal in Ketten vor mir ſahe, hätte ich aufs Neu für Jammer vergehen mögen. Doch ſie lächelte und rief Dn. Syndico entgegen: „Iſt Er der Engel der mich, wie St. Petrum von meinen Ketten befreien will *)?" worauf er mit einem Seufzer zur Antwort gab: „das gebe der allmächtige Gott!" Und da weiter kein Stuhl im Gefängnüß fürhanden ( ſo ein garſtig und ſtinkend Loch war, und worinnen es ſo viele Kellerwürmer hatte, als ich in meinem Leben nicht geſehn) als der Stuhl worauf ſie an der Wand ſaß, ſetzeten Dn. Syndicus und ich uns auf ihr Bette, welches man ihr auf mein Bitten gelaſſen, und befahl ſelbiger dem Büttel nun¬ mehro wieder ſeiner Straßen zu gehen, bis er ihn ru¬ fen würd. Hierauf fragete er mein Töchterlein, was ſie zu ihrer Entſchuldigung herfürbringen wölle, und war ſie noch nit weit in ihrer Defenſion gekommen, als ich an dem Schatten, ſo ſich an der Thüren rührete, ab¬ nahm daß Jemand vor ſelbiger ſtehen mußte. Trat alſo eiligſt in die Thüre welche halb offen ſtund, und betraf den dreuſten Büttel, welcher hiervor ſtehen geblie¬ ben umb zu horchen. Solches verdroß Dn. Syndicum dermaßen, daß er ſeinen Stock ergriff umb ihm das Kehr¬ aus zu geben; aber der Erzſchalk lief alſobald von dan¬ nen, als er ſolches merkete. Dieſes benützete mein Töch¬ terlein umb ihrem Herrn Defensori zu erzählen, was ſie von dieſem dreuſten Kerl ausgehalten, und daß ihr müge
*) Apoſtelgeſchichte 12, 7.
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ſtenmal in Ketten vor mir ſahe, hätte ich aufs Neu
für Jammer vergehen mögen. Doch ſie lächelte und rief
Dn. Syndico entgegen: „Iſt Er der Engel der mich,
wie St. Petrum von meinen Ketten befreien will *)?"
worauf er mit einem Seufzer zur Antwort gab: „das
gebe der allmächtige Gott!" Und da weiter kein Stuhl
im Gefängnüß fürhanden ( ſo ein garſtig und ſtinkend
Loch war, und worinnen es ſo viele Kellerwürmer hatte,
als ich in meinem Leben nicht geſehn) als der Stuhl
worauf ſie an der Wand ſaß, ſetzeten Dn. Syndicus
und ich uns auf ihr Bette, welches man ihr auf mein
Bitten gelaſſen, und befahl ſelbiger dem Büttel nun¬
mehro wieder ſeiner Straßen zu gehen, bis er ihn ru¬
fen würd. Hierauf fragete er mein Töchterlein, was
ſie zu ihrer Entſchuldigung herfürbringen wölle, und war
ſie noch nit weit in ihrer Defenſion gekommen, als ich
an dem Schatten, ſo ſich an der Thüren rührete, ab¬
nahm daß Jemand vor ſelbiger ſtehen mußte. Trat
alſo eiligſt in die Thüre welche halb offen ſtund, und
betraf den dreuſten Büttel, welcher hiervor ſtehen geblie¬
ben umb zu horchen. Solches verdroß Dn. Syndicum
dermaßen, daß er ſeinen Stock ergriff umb ihm das Kehr¬
aus zu geben; aber der Erzſchalk lief alſobald von dan¬
nen, als er ſolches merkete. Dieſes benützete mein Töch¬
terlein umb ihrem Herrn Defensori zu erzählen, was ſie
von dieſem dreuſten Kerl ausgehalten, und daß ihr müge
*) Apoſtelgeſchichte 12, 7.
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Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843/198>, abgerufen am 24.11.2024.
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