ja selbsten dem Richter geklaget. Aber derowegen habe ich dennoch keinen Zorn auf Euch, sondern weiß Gott im Himmel, daß Ihr alter schwacher Mann mich er¬ barmet und ich Euch gerne hülfe so ich könnte. Hier¬ zwischen führete er mich an die vier bis fünf Treppen hinauf, so daß ich alter Mann ihme letzlich nit mehr folgen kunnte, und still stund und nach Luft jappete. Aber er faßete mich bei meiner Hand und sprach: "kum¬ met nur, ich muß Euch allhier erst sehen lassen, wie es steht, denn sonst nehmet Ihr doch nit meine Hülf an, wie ich sorge, und stürzet Euch selbsten ins Verderben!" Und traten wir anjetzo auf eim Altan oben am Schloß wo man nach dem Wasser überschauet, worauf der Böse¬ wicht fortfuhr, also zu sprechen: Ehre Abraham müget Ihr gut in der Ferne sehen? und als ich sagete: daß ich solches ehender wohl gekunnt, mir aber die vielen Thränen anjetzo wohl möchten meine Augen betrübt ha¬ ben, zeigete er auf den Streckelberg und sprach: sehet Ihr dorten Nichtes? Ego: Nichtes denn ein schwarzes Flecklein so ich aber nicht erkennen mag. Ille: so wis¬ set dieses ist der Scheiterhaufen auf dem Euer Kind Morgen frühe umb 10 Uhren soll gebrennet werden, und den die Büttel bauen! Als der Höllenhund solches sagte, thät ich einen lauten Schrei und wurde unmäch¬ tig. Ach du lieber Gott, ich weiß nicht, wie ich diesen Schmerz mit meinem Leben überwunden, aber du hast mich selbsten unnatürlich gestärket, umb mich nach so vielem Heulen und Weinen wieder mit Freude zu über¬
ja ſelbſten dem Richter geklaget. Aber derowegen habe ich dennoch keinen Zorn auf Euch, ſondern weiß Gott im Himmel, daß Ihr alter ſchwacher Mann mich er¬ barmet und ich Euch gerne hülfe ſo ich könnte. Hier¬ zwiſchen führete er mich an die vier bis fünf Treppen hinauf, ſo daß ich alter Mann ihme letzlich nit mehr folgen kunnte, und ſtill ſtund und nach Luft jappete. Aber er faßete mich bei meiner Hand und ſprach: „kum¬ met nur, ich muß Euch allhier erſt ſehen laſſen, wie es ſteht, denn ſonſt nehmet Ihr doch nit meine Hülf an, wie ich ſorge, und ſtürzet Euch ſelbſten ins Verderben!“ Und traten wir anjetzo auf eim Altan oben am Schloß wo man nach dem Waſſer überſchauet, worauf der Böſe¬ wicht fortfuhr, alſo zu ſprechen: Ehre Abraham müget Ihr gut in der Ferne ſehen? und als ich ſagete: daß ich ſolches ehender wohl gekunnt, mir aber die vielen Thränen anjetzo wohl möchten meine Augen betrübt ha¬ ben, zeigete er auf den Streckelberg und ſprach: ſehet Ihr dorten Nichtes? Ego: Nichtes denn ein ſchwarzes Flecklein ſo ich aber nicht erkennen mag. Ille: ſo wiſ¬ ſet dieſes iſt der Scheiterhaufen auf dem Euer Kind Morgen frühe umb 10 Uhren ſoll gebrennet werden, und den die Büttel bauen! Als der Höllenhund ſolches ſagte, thät ich einen lauten Schrei und wurde unmäch¬ tig. Ach du lieber Gott, ich weiß nicht, wie ich dieſen Schmerz mit meinem Leben überwunden, aber du haſt mich ſelbſten unnatürlich geſtärket, umb mich nach ſo vielem Heulen und Weinen wieder mit Freude zu über¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0239"n="223"/>
ja ſelbſten dem Richter geklaget. Aber derowegen habe<lb/>
ich dennoch keinen Zorn auf Euch, ſondern weiß Gott<lb/>
im Himmel, daß Ihr alter ſchwacher Mann mich er¬<lb/>
barmet und ich Euch gerne hülfe ſo ich könnte. Hier¬<lb/>
zwiſchen führete er mich an die vier bis fünf Treppen<lb/>
hinauf, ſo daß ich alter Mann ihme letzlich nit mehr<lb/>
folgen kunnte, und ſtill ſtund und nach Luft jappete.<lb/>
Aber er faßete mich bei meiner Hand und ſprach: „kum¬<lb/>
met nur, ich muß Euch allhier erſt ſehen laſſen, wie es<lb/>ſteht, denn ſonſt nehmet Ihr doch nit meine Hülf an,<lb/>
wie ich ſorge, und ſtürzet Euch ſelbſten ins Verderben!“<lb/>
Und traten wir anjetzo auf eim Altan oben am Schloß<lb/>
wo man nach dem Waſſer überſchauet, worauf der Böſe¬<lb/>
wicht fortfuhr, alſo zu ſprechen: Ehre Abraham müget<lb/>
Ihr gut in der Ferne ſehen? und als ich ſagete: daß<lb/>
ich ſolches ehender wohl gekunnt, mir aber die vielen<lb/>
Thränen anjetzo wohl möchten meine Augen betrübt ha¬<lb/>
ben, zeigete er auf den Streckelberg und ſprach: ſehet<lb/>
Ihr dorten Nichtes? <hirendition="#aq">Ego</hi>: Nichtes denn ein ſchwarzes<lb/>
Flecklein ſo ich aber nicht erkennen mag. <hirendition="#aq">Ille</hi>: ſo wiſ¬<lb/>ſet dieſes iſt der Scheiterhaufen auf dem Euer Kind<lb/>
Morgen frühe umb 10 Uhren ſoll gebrennet werden,<lb/>
und den die Büttel bauen! Als der Höllenhund ſolches<lb/>ſagte, thät ich einen lauten Schrei und wurde unmäch¬<lb/>
tig. Ach du lieber Gott, ich weiß nicht, wie ich dieſen<lb/>
Schmerz mit meinem Leben überwunden, aber du haſt<lb/>
mich ſelbſten unnatürlich geſtärket, umb mich nach ſo<lb/>
vielem Heulen und Weinen wieder mit Freude zu über¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[223/0239]
ja ſelbſten dem Richter geklaget. Aber derowegen habe
ich dennoch keinen Zorn auf Euch, ſondern weiß Gott
im Himmel, daß Ihr alter ſchwacher Mann mich er¬
barmet und ich Euch gerne hülfe ſo ich könnte. Hier¬
zwiſchen führete er mich an die vier bis fünf Treppen
hinauf, ſo daß ich alter Mann ihme letzlich nit mehr
folgen kunnte, und ſtill ſtund und nach Luft jappete.
Aber er faßete mich bei meiner Hand und ſprach: „kum¬
met nur, ich muß Euch allhier erſt ſehen laſſen, wie es
ſteht, denn ſonſt nehmet Ihr doch nit meine Hülf an,
wie ich ſorge, und ſtürzet Euch ſelbſten ins Verderben!“
Und traten wir anjetzo auf eim Altan oben am Schloß
wo man nach dem Waſſer überſchauet, worauf der Böſe¬
wicht fortfuhr, alſo zu ſprechen: Ehre Abraham müget
Ihr gut in der Ferne ſehen? und als ich ſagete: daß
ich ſolches ehender wohl gekunnt, mir aber die vielen
Thränen anjetzo wohl möchten meine Augen betrübt ha¬
ben, zeigete er auf den Streckelberg und ſprach: ſehet
Ihr dorten Nichtes? Ego: Nichtes denn ein ſchwarzes
Flecklein ſo ich aber nicht erkennen mag. Ille: ſo wiſ¬
ſet dieſes iſt der Scheiterhaufen auf dem Euer Kind
Morgen frühe umb 10 Uhren ſoll gebrennet werden,
und den die Büttel bauen! Als der Höllenhund ſolches
ſagte, thät ich einen lauten Schrei und wurde unmäch¬
tig. Ach du lieber Gott, ich weiß nicht, wie ich dieſen
Schmerz mit meinem Leben überwunden, aber du haſt
mich ſelbſten unnatürlich geſtärket, umb mich nach ſo
vielem Heulen und Weinen wieder mit Freude zu über¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843/239>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.