noch ein Stücklein von seiner alten Kuh herfürlangte, item mein anderer Fürsteher Hinrich Seden mit einer Schnete Brod, und einem Braxen *), so er in den Reu¬ sen gehabt, alle sagende: daß sie keinen bessern Priester wöllten, als ich, und möchte ich nur bitten, daß der barm¬ herzige Gott mehr bescheeren wölle, wo es mir dann auch an Nichtes fehlen söllt, inzwischen aber söllte ich stille sein, und sie nit verrathen. Solliches gelobte ich Alles zu thun, und mein Töchterlein Maria hob also¬ bald die liebe Gottesgab von dem Tische und trug sie in die Kammer. Aber o Jammer, des andern Mor¬ gens als sie das Fleisch in den Grapen thun wollte, war Allens fort! Weiß nicht wer mir dieses neue Herzeleid bereitet doch meine fast, daß es Hinrich Seden sein bö¬ ses Weib gethan, sintemalen er nicht schweigen kann, und ihr wie gläublich, wohl alles wiedererzählet. Auch hat Paasschen sein klein Töchterlein gesehen, daß sie zum andern Mittag Fleisch in dem Topf gehabt, item daß sie mit ihrem Mann gehaddert, und nach ihme mit dem Fischbrett geschmissen, auf welchem noch frische Fischschup¬ pen gesessen; hätte aber sich gleich begriffen, als sie ih¬ rer gewahr worden. (Pfui dich alte Hexe, es wird ge¬ nug wahr sein!) Dahero blieb uns nichts übrig, als unsere arme Seele mit Gottes Wort zu speisen. Aber auch diese war so verzaget, daß sie nichts mehr anneh¬ men wöllte, so wenig als der Magen. Denn mein arm
*) Braxen, Blei, ein zum Karpfengeschlecht gehöriger Fisch.
noch ein Stücklein von ſeiner alten Kuh herfürlangte, item mein anderer Fürſteher Hinrich Seden mit einer Schnete Brod, und einem Braxen *), ſo er in den Reu¬ ſen gehabt, alle ſagende: daß ſie keinen beſſern Prieſter wöllten, als ich, und möchte ich nur bitten, daß der barm¬ herzige Gott mehr beſcheeren wölle, wo es mir dann auch an Nichtes fehlen ſöllt, inzwiſchen aber ſöllte ich ſtille ſein, und ſie nit verrathen. Solliches gelobte ich Alles zu thun, und mein Töchterlein Maria hob alſo¬ bald die liebe Gottesgab von dem Tiſche und trug ſie in die Kammer. Aber o Jammer, des andern Mor¬ gens als ſie das Fleiſch in den Grapen thun wollte, war Allens fort! Weiß nicht wer mir dieſes neue Herzeleid bereitet doch meine faſt, daß es Hinrich Seden ſein bö¬ ſes Weib gethan, ſintemalen er nicht ſchweigen kann, und ihr wie gläublich, wohl alles wiedererzählet. Auch hat Paaſschen ſein klein Töchterlein geſehen, daß ſie zum andern Mittag Fleiſch in dem Topf gehabt, item daß ſie mit ihrem Mann gehaddert, und nach ihme mit dem Fiſchbrett geſchmiſſen, auf welchem noch friſche Fiſchſchup¬ pen geſeſſen; hätte aber ſich gleich begriffen, als ſie ih¬ rer gewahr worden. (Pfui dich alte Hexe, es wird ge¬ nug wahr ſein!) Dahero blieb uns nichts übrig, als unſere arme Seele mit Gottes Wort zu ſpeiſen. Aber auch dieſe war ſo verzaget, daß ſie nichts mehr anneh¬ men wöllte, ſo wenig als der Magen. Denn mein arm
*) Braxen, Blei, ein zum Karpfengeſchlecht gehöriger Fiſch.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0050"n="34"/>
noch ein Stücklein von ſeiner alten Kuh herfürlangte,<lb/><hirendition="#aq">item</hi> mein anderer Fürſteher Hinrich Seden mit einer<lb/>
Schnete Brod, und einem Braxen <noteplace="foot"n="*)">Braxen, Blei, ein zum Karpfengeſchlecht gehöriger Fiſch.<lb/></note>, ſo er in den Reu¬<lb/>ſen gehabt, alle ſagende: daß ſie keinen beſſern Prieſter<lb/>
wöllten, als ich, und möchte ich nur bitten, daß der barm¬<lb/>
herzige Gott mehr beſcheeren wölle, wo es mir dann<lb/>
auch an Nichtes fehlen ſöllt, inzwiſchen aber ſöllte ich<lb/>ſtille ſein, und ſie nit verrathen. Solliches gelobte ich<lb/>
Alles zu thun, und mein Töchterlein Maria hob alſo¬<lb/>
bald die liebe Gottesgab von dem Tiſche und trug ſie<lb/>
in die Kammer. Aber o Jammer, des andern Mor¬<lb/>
gens als ſie das Fleiſch in den Grapen thun wollte, war<lb/>
Allens fort! Weiß nicht wer mir dieſes neue Herzeleid<lb/>
bereitet doch meine faſt, daß es Hinrich Seden ſein bö¬<lb/>ſes Weib gethan, ſintemalen er nicht ſchweigen kann,<lb/>
und ihr wie gläublich, wohl alles wiedererzählet. Auch<lb/>
hat Paaſschen ſein klein Töchterlein geſehen, daß ſie zum<lb/>
andern Mittag Fleiſch in dem Topf gehabt, <hirendition="#aq">item</hi> daß<lb/>ſie mit ihrem Mann gehaddert, und nach ihme mit dem<lb/>
Fiſchbrett geſchmiſſen, auf welchem noch friſche Fiſchſchup¬<lb/>
pen geſeſſen; hätte aber ſich gleich begriffen, als ſie ih¬<lb/>
rer gewahr worden. (Pfui dich alte Hexe, es wird ge¬<lb/>
nug wahr ſein!) Dahero blieb uns nichts übrig, als<lb/>
unſere arme Seele mit Gottes Wort zu ſpeiſen. Aber<lb/>
auch dieſe war ſo verzaget, daß ſie nichts mehr anneh¬<lb/>
men wöllte, ſo wenig als der Magen. Denn mein arm<lb/></p></div></body></text></TEI>
[34/0050]
noch ein Stücklein von ſeiner alten Kuh herfürlangte,
item mein anderer Fürſteher Hinrich Seden mit einer
Schnete Brod, und einem Braxen *), ſo er in den Reu¬
ſen gehabt, alle ſagende: daß ſie keinen beſſern Prieſter
wöllten, als ich, und möchte ich nur bitten, daß der barm¬
herzige Gott mehr beſcheeren wölle, wo es mir dann
auch an Nichtes fehlen ſöllt, inzwiſchen aber ſöllte ich
ſtille ſein, und ſie nit verrathen. Solliches gelobte ich
Alles zu thun, und mein Töchterlein Maria hob alſo¬
bald die liebe Gottesgab von dem Tiſche und trug ſie
in die Kammer. Aber o Jammer, des andern Mor¬
gens als ſie das Fleiſch in den Grapen thun wollte, war
Allens fort! Weiß nicht wer mir dieſes neue Herzeleid
bereitet doch meine faſt, daß es Hinrich Seden ſein bö¬
ſes Weib gethan, ſintemalen er nicht ſchweigen kann,
und ihr wie gläublich, wohl alles wiedererzählet. Auch
hat Paaſschen ſein klein Töchterlein geſehen, daß ſie zum
andern Mittag Fleiſch in dem Topf gehabt, item daß
ſie mit ihrem Mann gehaddert, und nach ihme mit dem
Fiſchbrett geſchmiſſen, auf welchem noch friſche Fiſchſchup¬
pen geſeſſen; hätte aber ſich gleich begriffen, als ſie ih¬
rer gewahr worden. (Pfui dich alte Hexe, es wird ge¬
nug wahr ſein!) Dahero blieb uns nichts übrig, als
unſere arme Seele mit Gottes Wort zu ſpeiſen. Aber
auch dieſe war ſo verzaget, daß ſie nichts mehr anneh¬
men wöllte, ſo wenig als der Magen. Denn mein arm
*) Braxen, Blei, ein zum Karpfengeſchlecht gehöriger Fiſch.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843/50>, abgerufen am 03.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.