zur Tochter. Will ihr nach meiner Weiß einen Kuß zum Willkommen geben, da wehret sie sich, und thut einen Schrei, als wär ich ein junger Fant, der sie überschli¬ chen, so ich doch wohl doppelt ihr Vater sein könnte. Als ich hierauf schwiege, hüb er an fortzufahren, daß er sie habe zuversichtlich machen wollen, massen er sie, wie ich wüßte in seinen Dienst begehrete und was er sonst fürbrachte und ich vergessen hab. Nöthigte ihn darauf in die Stube, dieweil er immer meine von Gott gesetzte Obrigkeit ware, und fragte demüthiglich: was Se. Ge¬ strengen von mir wöllen? worauf er freundlich zur Ant¬ wort gab: daß er wohl billig mir zürnen möchte, an¬ gesehen ich ihn vor der ganzen Gemeine abgekanzelt, sol¬ ches aber nit thun, sondern die Klageschrift contra me (gegen mich) so er schon gen Stettin an Se. fürstliche Gnaden geschicket und mir leicht den Dienst kosten könnte, wiederkommen lassen wölle, so ich seinen Willen thät. Und als ich fragete: was Sr. Gestrengen Willen wär, auch mich von wegen der Predigt soviel entschuldiget, als ich konnte, gab er zur Antwort: daß er sehr benöthiget sei um eine treue Ausgebersche, so er dem andern Frauens¬ volk fürsetzen könnte, und da er in Erfahrung gezogen, daß mein Töchterlein eine treue und wackere Person sei, möcht ich sie ihme in den Dienst geben. Siehe, sprach er zu ihr und zwackete sie in die Backen, so will ich dich zu Ehren bringen obwohl du ein so junges Blut bist, und doch schreistu, als wöllt ich dir zu Unehren ver¬ helfen. Fu schäme dich! (Mein Töchterlein weiß dieses
zur Tochter. Will ihr nach meiner Weiß einen Kuß zum Willkommen geben, da wehret ſie ſich, und thut einen Schrei, als wär ich ein junger Fant, der ſie überſchli¬ chen, ſo ich doch wohl doppelt ihr Vater ſein könnte. Als ich hierauf ſchwiege, hüb er an fortzufahren, daß er ſie habe zuverſichtlich machen wollen, maſſen er ſie, wie ich wüßte in ſeinen Dienſt begehrete und was er ſonſt fürbrachte und ich vergeſſen hab. Nöthigte ihn darauf in die Stube, dieweil er immer meine von Gott geſetzte Obrigkeit ware, und fragte demüthiglich: was Se. Ge¬ ſtrengen von mir wöllen? worauf er freundlich zur Ant¬ wort gab: daß er wohl billig mir zürnen möchte, an¬ geſehen ich ihn vor der ganzen Gemeine abgekanzelt, ſol¬ ches aber nit thun, ſondern die Klageſchrift contra me (gegen mich) ſo er ſchon gen Stettin an Se. fürſtliche Gnaden geſchicket und mir leicht den Dienſt koſten könnte, wiederkommen laſſen wölle, ſo ich ſeinen Willen thät. Und als ich fragete: was Sr. Geſtrengen Willen wär, auch mich von wegen der Predigt ſoviel entſchuldiget, als ich konnte, gab er zur Antwort: daß er ſehr benöthiget ſei um eine treue Ausgeberſche, ſo er dem andern Frauens¬ volk fürſetzen könnte, und da er in Erfahrung gezogen, daß mein Töchterlein eine treue und wackere Perſon ſei, möcht ich ſie ihme in den Dienſt geben. Siehe, ſprach er zu ihr und zwackete ſie in die Backen, ſo will ich dich zu Ehren bringen obwohl du ein ſo junges Blut biſt, und doch ſchreiſtu, als wöllt ich dir zu Unehren ver¬ helfen. Fu ſchäme dich! (Mein Töchterlein weiß dieſes
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0096"n="80"/>
zur Tochter. Will ihr nach meiner Weiß einen Kuß zum<lb/>
Willkommen geben, da wehret ſie ſich, und thut einen<lb/>
Schrei, als wär ich ein junger Fant, der ſie überſchli¬<lb/>
chen, ſo ich doch wohl doppelt ihr Vater ſein könnte.<lb/>
Als ich hierauf ſchwiege, hüb er an fortzufahren, daß<lb/>
er ſie habe zuverſichtlich machen wollen, maſſen er ſie,<lb/>
wie ich wüßte in ſeinen Dienſt begehrete und was er ſonſt<lb/>
fürbrachte und ich vergeſſen hab. Nöthigte ihn darauf<lb/>
in die Stube, dieweil er immer meine von Gott geſetzte<lb/>
Obrigkeit ware, und fragte demüthiglich: was Se. Ge¬<lb/>ſtrengen von mir wöllen? worauf er freundlich zur Ant¬<lb/>
wort gab: daß er wohl billig mir zürnen möchte, an¬<lb/>
geſehen ich ihn vor der ganzen Gemeine abgekanzelt, ſol¬<lb/>
ches aber nit thun, ſondern die Klageſchrift <hirendition="#aq">contra me</hi><lb/>
(gegen mich) ſo er ſchon gen Stettin an Se. fürſtliche<lb/>
Gnaden geſchicket und mir leicht den Dienſt koſten könnte,<lb/>
wiederkommen laſſen wölle, ſo ich ſeinen Willen thät. Und<lb/>
als ich fragete: was Sr. Geſtrengen Willen wär, auch<lb/>
mich von wegen der Predigt ſoviel entſchuldiget, als ich<lb/>
konnte, gab er zur Antwort: daß er ſehr benöthiget ſei<lb/>
um eine treue Ausgeberſche, ſo er dem andern Frauens¬<lb/>
volk fürſetzen könnte, und da er in Erfahrung gezogen,<lb/>
daß mein Töchterlein eine treue und wackere Perſon ſei,<lb/>
möcht ich ſie ihme in den Dienſt geben. Siehe, ſprach<lb/>
er zu ihr und zwackete ſie in die Backen, ſo will ich<lb/>
dich zu Ehren bringen obwohl du ein ſo junges Blut<lb/>
biſt, und doch ſchreiſtu, als wöllt ich dir zu Unehren ver¬<lb/>
helfen. Fu ſchäme dich! (Mein Töchterlein weiß dieſes<lb/></p></div></body></text></TEI>
[80/0096]
zur Tochter. Will ihr nach meiner Weiß einen Kuß zum
Willkommen geben, da wehret ſie ſich, und thut einen
Schrei, als wär ich ein junger Fant, der ſie überſchli¬
chen, ſo ich doch wohl doppelt ihr Vater ſein könnte.
Als ich hierauf ſchwiege, hüb er an fortzufahren, daß
er ſie habe zuverſichtlich machen wollen, maſſen er ſie,
wie ich wüßte in ſeinen Dienſt begehrete und was er ſonſt
fürbrachte und ich vergeſſen hab. Nöthigte ihn darauf
in die Stube, dieweil er immer meine von Gott geſetzte
Obrigkeit ware, und fragte demüthiglich: was Se. Ge¬
ſtrengen von mir wöllen? worauf er freundlich zur Ant¬
wort gab: daß er wohl billig mir zürnen möchte, an¬
geſehen ich ihn vor der ganzen Gemeine abgekanzelt, ſol¬
ches aber nit thun, ſondern die Klageſchrift contra me
(gegen mich) ſo er ſchon gen Stettin an Se. fürſtliche
Gnaden geſchicket und mir leicht den Dienſt koſten könnte,
wiederkommen laſſen wölle, ſo ich ſeinen Willen thät. Und
als ich fragete: was Sr. Geſtrengen Willen wär, auch
mich von wegen der Predigt ſoviel entſchuldiget, als ich
konnte, gab er zur Antwort: daß er ſehr benöthiget ſei
um eine treue Ausgeberſche, ſo er dem andern Frauens¬
volk fürſetzen könnte, und da er in Erfahrung gezogen,
daß mein Töchterlein eine treue und wackere Perſon ſei,
möcht ich ſie ihme in den Dienſt geben. Siehe, ſprach
er zu ihr und zwackete ſie in die Backen, ſo will ich
dich zu Ehren bringen obwohl du ein ſo junges Blut
biſt, und doch ſchreiſtu, als wöllt ich dir zu Unehren ver¬
helfen. Fu ſchäme dich! (Mein Töchterlein weiß dieſes
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843/96>, abgerufen am 04.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.