Meisel-Heß, Grete: Weiberhaß und Weiberverachtung. Eine Erwiderung auf die in Dr. Otto Weiningers Buche »Geschlecht und Charakter« geäußerten Anschauungen über »Die Frau und ihre Frage«. Wien, 1904.Wesen und Wert der beiden Geschlechter und ihre Beziehungen Wesen und Wert der beiden Geschlechter und ihre Beziehungen <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0011" n="5"/> <div n="1"> <p><hi rendition="#in">W</hi>esen und Wert der beiden Geschlechter und ihre Beziehungen<lb/> zu einander bilden das Hauptthema des<lb/> Buches. Eingeleitet wird dieses Thema durch die Verkündigung<lb/> eines »<choice><sic>neuentdekten</sic><corr>neuentdeckten</corr></choice> Gesetzes« über die Affinität<lb/> der Geschlechter. Dieses Gesetz, nach welchem jene Individuen<lb/> einander anziehen, die gegenseitig die ihnen fehlenden<lb/> Bruchteile an Männlichkeit und Weiblichkeit komplettieren,<lb/> hat zur Voraussetzung die Tatsache, daß kein Mensch ganz<lb/> M (Mann) oder ganz W (Weib) ist, sondern stets auch<lb/> Anlagen vom andern Geschlechte in sich hat. Daß niemand<lb/> aus einem Gusse ist und es ganz einheitliche Exemplare<lb/> irgend einer Art – reine Typen »an sich« – kaum irgendwo<lb/> gibt, ist eine altbekannte Tatsache, und es liegt kein<lb/> Grund vor, sie mit tiefgründiger Beredsamkeit auseinander<lb/> zu setzen, als wäre sie eben erst entdeckt; deswegen aber<lb/> kann man doch nicht – wie Weininger es tut – die<lb/> Gesamtheit der Menschen als »sexuelle Zwischenstufen«<lb/> bezeichnen, da die Geschlechtsmerkmale bei jedem normalen<lb/> Individuum genügend überwiegen, um diese Bezeichnung<lb/> auszuschließen. In fetten Lettern wird auch die uralte Wahrheit<lb/> vorgebracht, daß es nicht jedem Individuum gleichgültig<lb/> sei, mit welchem Individuum des anderen Geschlechtes<lb/> es eine sexuelle Vereinigung eingeht, daß nicht jeder Mann<lb/> für einen anderen Mann, nicht jedes Weib für ein anderes<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [5/0011]
Wesen und Wert der beiden Geschlechter und ihre Beziehungen
zu einander bilden das Hauptthema des
Buches. Eingeleitet wird dieses Thema durch die Verkündigung
eines »neuentdeckten Gesetzes« über die Affinität
der Geschlechter. Dieses Gesetz, nach welchem jene Individuen
einander anziehen, die gegenseitig die ihnen fehlenden
Bruchteile an Männlichkeit und Weiblichkeit komplettieren,
hat zur Voraussetzung die Tatsache, daß kein Mensch ganz
M (Mann) oder ganz W (Weib) ist, sondern stets auch
Anlagen vom andern Geschlechte in sich hat. Daß niemand
aus einem Gusse ist und es ganz einheitliche Exemplare
irgend einer Art – reine Typen »an sich« – kaum irgendwo
gibt, ist eine altbekannte Tatsache, und es liegt kein
Grund vor, sie mit tiefgründiger Beredsamkeit auseinander
zu setzen, als wäre sie eben erst entdeckt; deswegen aber
kann man doch nicht – wie Weininger es tut – die
Gesamtheit der Menschen als »sexuelle Zwischenstufen«
bezeichnen, da die Geschlechtsmerkmale bei jedem normalen
Individuum genügend überwiegen, um diese Bezeichnung
auszuschließen. In fetten Lettern wird auch die uralte Wahrheit
vorgebracht, daß es nicht jedem Individuum gleichgültig
sei, mit welchem Individuum des anderen Geschlechtes
es eine sexuelle Vereinigung eingeht, daß nicht jeder Mann
für einen anderen Mann, nicht jedes Weib für ein anderes
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