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Meisel-Heß, Grete: Weiberhaß und Weiberverachtung. Eine Erwiderung auf die in Dr. Otto Weiningers Buche »Geschlecht und Charakter« geäußerten Anschauungen über »Die Frau und ihre Frage«. Wien, 1904.

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stärkere männliche Genies gegeben als weibliche. Aber sie
gingen auch anders gerüstet, von anderen Voraussetzungen
und Anforderungen der Mitwelt geleitet, in den Kampf! Was
beim Manne als seine selbstverständliche Aufgabe gefordert
wurde, daß er sich Stellung und Bedeutung in der Welt erringe,
tauchte bei der weiblichen Erziehung vergangener Jahrhunderte
nicht einmal als Erwägung auf, und weibliche Ausnahmswesen
mußten einen entsetzlichen, erbitterten Kampf gegen Familie,
Herkommen, Sitte, Gesellschaft - ganze Berge wegverrammelnder
Traditionen - bestehen, um nur überhaupt auf
den Platz zu kommen, auf dem sie beginnen konnten,
um nur überhaupt jenen Boden unter die Füße zu bekommen,
der für den Mann, als ihm gebührend, selbstverständlich
da war. Daß nur wenige diesen gewaltsamen
Sprung aus den tausend Fesseln, mit denen man ihr Geschlecht
umschloß, vollführen konnten - nur die Überragendsten
- daß auch diese Wenigen nicht die Höhe der
größten Männer erreichten, erklärt sich ersichtlich genug
daraus, daß sie eben schon mit erschöpften Kräften am
Kampfplatz anlangten, daß eine Unmenge Energie für die
Vorarbeiten verbraucht werden mußte. Und daß das
Anwachsen des weiblichen Genies auf jenen Gebieten, die
ihm wahrhaft freigemacht wurden, mit jenem der Männer
gleichen Schritt hält, beweisen die großen weiblichen Dichternamen,
welche in den letzten kaum fünfzig Jahren, da dies
Gebiet für die Frauen durch Zulaß zu Bildungsstätten gangbarer
gemacht wurde, auftauchten, beweisen die Namen der
genialen Schauspielerinnen, welche von denen der männlichen
Kollegen nicht überstrahlt werden, obzwar man auch
für diesen Beruf die Frau für unbefähigt hielt,
Weiberrollen von Männern spielen ließ und sie ihn erst seit
kaum drei Jahrhunderten ausübt, in welcher Zeit sie seine
höchsten bisher erreichten Gipfel, vollwertig und gleichwertig
mit dem Manne, erklommen hat.

stärkere männliche Genies gegeben als weibliche. Aber sie
gingen auch anders gerüstet, von anderen Voraussetzungen
und Anforderungen der Mitwelt geleitet, in den Kampf! Was
beim Manne als seine selbstverständliche Aufgabe gefordert
wurde, daß er sich Stellung und Bedeutung in der Welt erringe,
tauchte bei der weiblichen Erziehung vergangener Jahrhunderte
nicht einmal als Erwägung auf, und weibliche Ausnahmswesen
mußten einen entsetzlichen, erbitterten Kampf gegen Familie,
Herkommen, Sitte, Gesellschaft – ganze Berge wegverrammelnder
Traditionen – bestehen, um nur überhaupt auf
den Platz zu kommen, auf dem sie beginnen konnten,
um nur überhaupt jenen Boden unter die Füße zu bekommen,
der für den Mann, als ihm gebührend, selbstverständlich
da war. Daß nur wenige diesen gewaltsamen
Sprung aus den tausend Fesseln, mit denen man ihr Geschlecht
umschloß, vollführen konnten – nur die Überragendsten
– daß auch diese Wenigen nicht die Höhe der
größten Männer erreichten, erklärt sich ersichtlich genug
daraus, daß sie eben schon mit erschöpften Kräften am
Kampfplatz anlangten, daß eine Unmenge Energie für die
Vorarbeiten verbraucht werden mußte. Und daß das
Anwachsen des weiblichen Genies auf jenen Gebieten, die
ihm wahrhaft freigemacht wurden, mit jenem der Männer
gleichen Schritt hält, beweisen die großen weiblichen Dichternamen,
welche in den letzten kaum fünfzig Jahren, da dies
Gebiet für die Frauen durch Zulaß zu Bildungsstätten gangbarer
gemacht wurde, auftauchten, beweisen die Namen der
genialen Schauspielerinnen, welche von denen der männlichen
Kollegen nicht überstrahlt werden, obzwar man auch
für diesen Beruf die Frau für unbefähigt hielt,
Weiberrollen von Männern spielen ließ und sie ihn erst seit
kaum drei Jahrhunderten ausübt, in welcher Zeit sie seine
höchsten bisher erreichten Gipfel, vollwertig und gleichwertig
mit dem Manne, erklommen hat.

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[21/0027] stärkere männliche Genies gegeben als weibliche. Aber sie gingen auch anders gerüstet, von anderen Voraussetzungen und Anforderungen der Mitwelt geleitet, in den Kampf! Was beim Manne als seine selbstverständliche Aufgabe gefordert wurde, daß er sich Stellung und Bedeutung in der Welt erringe, tauchte bei der weiblichen Erziehung vergangener Jahrhunderte nicht einmal als Erwägung auf, und weibliche Ausnahmswesen mußten einen entsetzlichen, erbitterten Kampf gegen Familie, Herkommen, Sitte, Gesellschaft – ganze Berge wegverrammelnder Traditionen – bestehen, um nur überhaupt auf den Platz zu kommen, auf dem sie beginnen konnten, um nur überhaupt jenen Boden unter die Füße zu bekommen, der für den Mann, als ihm gebührend, selbstverständlich da war. Daß nur wenige diesen gewaltsamen Sprung aus den tausend Fesseln, mit denen man ihr Geschlecht umschloß, vollführen konnten – nur die Überragendsten – daß auch diese Wenigen nicht die Höhe der größten Männer erreichten, erklärt sich ersichtlich genug daraus, daß sie eben schon mit erschöpften Kräften am Kampfplatz anlangten, daß eine Unmenge Energie für die Vorarbeiten verbraucht werden mußte. Und daß das Anwachsen des weiblichen Genies auf jenen Gebieten, die ihm wahrhaft freigemacht wurden, mit jenem der Männer gleichen Schritt hält, beweisen die großen weiblichen Dichternamen, welche in den letzten kaum fünfzig Jahren, da dies Gebiet für die Frauen durch Zulaß zu Bildungsstätten gangbarer gemacht wurde, auftauchten, beweisen die Namen der genialen Schauspielerinnen, welche von denen der männlichen Kollegen nicht überstrahlt werden, obzwar man auch für diesen Beruf die Frau für unbefähigt hielt, Weiberrollen von Männern spielen ließ und sie ihn erst seit kaum drei Jahrhunderten ausübt, in welcher Zeit sie seine höchsten bisher erreichten Gipfel, vollwertig und gleichwertig mit dem Manne, erklommen hat.

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Zitationshilfe: Meisel-Heß, Grete: Weiberhaß und Weiberverachtung. Eine Erwiderung auf die in Dr. Otto Weiningers Buche »Geschlecht und Charakter« geäußerten Anschauungen über »Die Frau und ihre Frage«. Wien, 1904, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meiselhess_weiberhass_1904/27>, abgerufen am 21.11.2024.