Meisel-Heß, Grete: Weiberhaß und Weiberverachtung. Eine Erwiderung auf die in Dr. Otto Weiningers Buche »Geschlecht und Charakter« geäußerten Anschauungen über »Die Frau und ihre Frage«. Wien, 1904.Und der Arzt? Ist er eine Art verweiblichter Bestie, Auch "schamhaft" ist nur der Mann! Er wisse es! W ist herzlos, nur M besitzt Gemüt. Beweis: "Nichts Ins Unendliche ließen sich diese Aussprüche einer Und der Arzt? Ist er eine Art verweiblichter Bestie, Auch »schamhaft« ist nur der Mann! Er wisse es! W ist herzlos, nur M besitzt Gemüt. Beweis: »Nichts Ins Unendliche ließen sich diese Aussprüche einer <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0048" n="42"/> Und der Arzt? Ist er eine Art verweiblichter Bestie,<lb/> weil er die Schmerzen der Kranken mitansehen kann?<lb/></p> <p>Auch »schamhaft« ist nur der Mann! Er wisse es!<lb/> Als Beweis werden Behauptungen aufgestellt, die vielleicht<lb/> auf Dirnen passen, die ich aber bei anständigen Frauen<lb/> noch nie beobachtet habe .. Auch daß der einzelne Mann<lb/> kein Interesse für die Nacktheit des anderen Mannes hat,<lb/> ist falsch, besonders seit sportliche Betätigung bei allen<lb/> gesunden jungen Leuten überhand genommen hat und sie<lb/> schon deswegen Interesse an der körperlichen Bildung der<lb/> andern haben. Dieses Interesse, respektive die Freude am<lb/> eigenen Körper als Schamlosigkeit zu verdammen, ist eine Anschauung,<lb/> die der fanatischen Mystik des Mittelalters entspricht,<lb/> die nur den »Geist« anerkannte, ohne zu bedenken, daß<lb/> derselbe <hi rendition="#g">in einem elenden Körper</hi> ebenfalls entarten muß.<lb/></p> <p>W ist herzlos, nur M besitzt Gemüt. Beweis: »Nichts<lb/> macht M so glücklich, als wenn ihn ein Mädchen liebt;<lb/> selbst wenn sie ihn nicht von Anbeginn gefesselt hat,<lb/> ist dann doch die Gefahr, Feuer zu fangen, für ihn sehr<lb/> groß.« Rührend! Rührend! Daher die Millionen verlassener<lb/> liebender Mädchen und Frauen! – Es gibt eine Fülle von<lb/> »Symptomen echter Gemeinheit« an der Frau: z. B. der<lb/> Neid der Mütter, wenn die Töchter anderer eher heiraten<lb/> als die eigenen. Nicht die bange, entsetzliche Angst, daß<lb/> die einzige Karte, auf die törichterweise die ganze Zukunft<lb/> gesetzt wurde, verliert, spricht aus diesen Müttern –<lb/> sondern »echte Gemeinheit«.<lb/></p> <p>Ins Unendliche ließen sich diese Aussprüche einer<lb/> kaum glaublichen Verblendung anführen. Aber es drängt<lb/> uns, zur Hauptsache zu kommen, nämlich der famosen Einteilung<lb/> der Frauen in <hi rendition="#g">Mütter</hi> und <hi rendition="#g">Dirnen</hi>. Beide Gattungen<lb/> werden von Weininger gleich bewertet, ja die verächtlichere<lb/> scheint nach seiner Darstellung noch die »Mutter«. Den<lb/> Nachweis, daß jede Frau in eine seiner Kategorien<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [42/0048]
Und der Arzt? Ist er eine Art verweiblichter Bestie,
weil er die Schmerzen der Kranken mitansehen kann?
Auch »schamhaft« ist nur der Mann! Er wisse es!
Als Beweis werden Behauptungen aufgestellt, die vielleicht
auf Dirnen passen, die ich aber bei anständigen Frauen
noch nie beobachtet habe .. Auch daß der einzelne Mann
kein Interesse für die Nacktheit des anderen Mannes hat,
ist falsch, besonders seit sportliche Betätigung bei allen
gesunden jungen Leuten überhand genommen hat und sie
schon deswegen Interesse an der körperlichen Bildung der
andern haben. Dieses Interesse, respektive die Freude am
eigenen Körper als Schamlosigkeit zu verdammen, ist eine Anschauung,
die der fanatischen Mystik des Mittelalters entspricht,
die nur den »Geist« anerkannte, ohne zu bedenken, daß
derselbe in einem elenden Körper ebenfalls entarten muß.
W ist herzlos, nur M besitzt Gemüt. Beweis: »Nichts
macht M so glücklich, als wenn ihn ein Mädchen liebt;
selbst wenn sie ihn nicht von Anbeginn gefesselt hat,
ist dann doch die Gefahr, Feuer zu fangen, für ihn sehr
groß.« Rührend! Rührend! Daher die Millionen verlassener
liebender Mädchen und Frauen! – Es gibt eine Fülle von
»Symptomen echter Gemeinheit« an der Frau: z. B. der
Neid der Mütter, wenn die Töchter anderer eher heiraten
als die eigenen. Nicht die bange, entsetzliche Angst, daß
die einzige Karte, auf die törichterweise die ganze Zukunft
gesetzt wurde, verliert, spricht aus diesen Müttern –
sondern »echte Gemeinheit«.
Ins Unendliche ließen sich diese Aussprüche einer
kaum glaublichen Verblendung anführen. Aber es drängt
uns, zur Hauptsache zu kommen, nämlich der famosen Einteilung
der Frauen in Mütter und Dirnen. Beide Gattungen
werden von Weininger gleich bewertet, ja die verächtlichere
scheint nach seiner Darstellung noch die »Mutter«. Den
Nachweis, daß jede Frau in eine seiner Kategorien
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