Meisel-Heß, Grete: Weiberhaß und Weiberverachtung. Eine Erwiderung auf die in Dr. Otto Weiningers Buche »Geschlecht und Charakter« geäußerten Anschauungen über »Die Frau und ihre Frage«. Wien, 1904.Gibt es Verkehrtheiten und Verlästerungen in dem Buche, Nur wer nie ein Weib in Liebe gewonnen, sondern Gibt es Verkehrtheiten und Verlästerungen in dem Buche, Nur wer nie ein Weib in Liebe gewonnen, sondern <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0056" n="50"/> <div n="1"> <p><hi rendition="#in">G</hi>ibt es Verkehrtheiten und Verlästerungen in dem Buche,<lb/> die eines humoristischen Beigeschmackes nicht entbehren,<lb/> so daß man sie mitunter recht heiter finden<lb/> kann, so gibt es hingegen auch Ausführungen darin, wo aller<lb/> Humor schweigt, wo einem eine starre Entrüstung das Blut<lb/> stocken macht. Ein wilder Haß gegen alles Natürliche, eine<lb/> bösartige Verdächtigung und Verfolgung jeder sinnlichen<lb/> Daseinsfreude, eine auf Kosten alles Körperlich-Fröhlichen<lb/> entartete Geistigkeit, die den Leib und seine Pflege verachtet,<lb/> eine schier bankerotte Phantasie, die sich in Verleumdung und<lb/> Verleugnung alles Irdisch-Sinnlichen ergeht und sich gleichzeitig<lb/> im Übersinnlichen zu den willkürlichsten Hypothesen<lb/> versteigt, zeitigen ihre Blüten in den Anschauungen, die sie<lb/> verkünden: So hätte zum Beispiel für den höherstehenden<lb/> Mann das Mädchen, das er begehren, und das Mädchen,<lb/> das er »lieben, aber nie begehren könnte« (?) eine ganz<lb/> verschiedene Gestalt! Ein schmachvoller Dualismus, will<lb/> mir scheinen! Ferner: Es gibt <hi rendition="#g">überhaupt nur</hi> platonische<lb/> Liebe! »Was sonst noch Liebe genannt wird, gehört in das<lb/> Reich der Säue!«<lb/></p> <p>Nur wer nie ein Weib in Liebe gewonnen, sondern<lb/> es nur unter den Schauern der Prostitution besessen hat,<lb/> wer überhaupt nie ein Weib gekannt hat, sondern nur sein<lb/> Zerrbild, – die Dirne, – nur wer sich eines krankhaften<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [50/0056]
Gibt es Verkehrtheiten und Verlästerungen in dem Buche,
die eines humoristischen Beigeschmackes nicht entbehren,
so daß man sie mitunter recht heiter finden
kann, so gibt es hingegen auch Ausführungen darin, wo aller
Humor schweigt, wo einem eine starre Entrüstung das Blut
stocken macht. Ein wilder Haß gegen alles Natürliche, eine
bösartige Verdächtigung und Verfolgung jeder sinnlichen
Daseinsfreude, eine auf Kosten alles Körperlich-Fröhlichen
entartete Geistigkeit, die den Leib und seine Pflege verachtet,
eine schier bankerotte Phantasie, die sich in Verleumdung und
Verleugnung alles Irdisch-Sinnlichen ergeht und sich gleichzeitig
im Übersinnlichen zu den willkürlichsten Hypothesen
versteigt, zeitigen ihre Blüten in den Anschauungen, die sie
verkünden: So hätte zum Beispiel für den höherstehenden
Mann das Mädchen, das er begehren, und das Mädchen,
das er »lieben, aber nie begehren könnte« (?) eine ganz
verschiedene Gestalt! Ein schmachvoller Dualismus, will
mir scheinen! Ferner: Es gibt überhaupt nur platonische
Liebe! »Was sonst noch Liebe genannt wird, gehört in das
Reich der Säue!«
Nur wer nie ein Weib in Liebe gewonnen, sondern
es nur unter den Schauern der Prostitution besessen hat,
wer überhaupt nie ein Weib gekannt hat, sondern nur sein
Zerrbild, – die Dirne, – nur wer sich eines krankhaften
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