Meisel-Heß, Grete: Weiberhaß und Weiberverachtung. Eine Erwiderung auf die in Dr. Otto Weiningers Buche »Geschlecht und Charakter« geäußerten Anschauungen über »Die Frau und ihre Frage«. Wien, 1904.Element, welches formenbildend und artenändernd wirksam Die Behauptung, "der echte Jude wie das echte Weib Element, welches formenbildend und artenändernd wirksam Die Behauptung, »der echte Jude wie das echte Weib <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0060" n="54"/> Element, welches formenbildend und artenändernd wirksam<lb/> ist, ersichtlich, die große Rolle, die ihm bei allen Vorgängen<lb/> und Erscheinungen zufällt, wird geleugnet und alles auf<lb/> eine Art metaphysischer Bestimmung zurückgeführt.<lb/></p> <p>Die Behauptung, »der echte Jude wie das echte Weib<lb/> leben beide nur in der Gattung, nicht als Individualitäten«,<lb/> wird durch das Wörtchen »echt«, mit dem sie sich<lb/> vorsichtig verklausuliert, als das empfunden, was gewöhnlich<lb/> als »jüdische Dreherei« bezeichnet wird, besonders, da<lb/> schon auf der nächsten Seite die Bemerkung folgt, »es<lb/> gibt einen absoluten Juden so wenig als einen absoluten<lb/> Christen« (und ein »absolutes« Weib). »Nur seichteste Oberflächlichkeit«<lb/> könne glauben, »daß der Mensch durch seine<lb/> Umgebung gebildet werde«. Nur seichteste Oberflächlichkeit<lb/> kann <hi rendition="#g">leugnen</hi>, daß der Mensch durch seine Umgebung<lb/> zumindest beeinflußt wird, und daß diese Beeinflussung oftmals<lb/> zu Bildungen, Neubildungen, Herausbildungen führt!<lb/> Wer dies leugnet, <hi rendition="#g">leugnet alle Entwicklungsmöglichkeit</hi>.<lb/> Warum gibt es denn eben keinen »absoluten« Juden<lb/> oder Christen, keinen »echten« Mann oder kein »echtes«<lb/> Weib? Weil eben äußere Eindrücke beständig erziehlich<lb/> wirksam sind. Aus eben diesem Grunde konnte auch der<lb/> Jude kein »Monadologe« werden (wie ihm Weininger vorhält),<lb/> so lange er im Ghetto lebte; darum ward er – was<lb/> richtig ist – ein »Grenzverwischer«, darum seine »Gemeinsamkeit«,<lb/> sein »Zusammenhalten« auch in der Familie: es<lb/> erklärt sich all dies historisch dadurch, daß gleichgestellte<lb/> Existenzen, die unter Ausnahmsgesetzen in fremdem Land<lb/> leben, auf engen Anschluß untereinander angewiesen sind.<lb/> Warum das jüdische Volk keine Aristokratie besitzt, daher<lb/> keinen grenzenfixierenden Sinn beweist?! Erstlich besaß es<lb/> sie, so lange es im eigenen Lande als freies Volk lebte.<lb/> Zweitens kann man nicht mehr von einem »Volk« reden,<lb/> wenn es sich um Angehörige einer Nation handelt, die durch<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [54/0060]
Element, welches formenbildend und artenändernd wirksam
ist, ersichtlich, die große Rolle, die ihm bei allen Vorgängen
und Erscheinungen zufällt, wird geleugnet und alles auf
eine Art metaphysischer Bestimmung zurückgeführt.
Die Behauptung, »der echte Jude wie das echte Weib
leben beide nur in der Gattung, nicht als Individualitäten«,
wird durch das Wörtchen »echt«, mit dem sie sich
vorsichtig verklausuliert, als das empfunden, was gewöhnlich
als »jüdische Dreherei« bezeichnet wird, besonders, da
schon auf der nächsten Seite die Bemerkung folgt, »es
gibt einen absoluten Juden so wenig als einen absoluten
Christen« (und ein »absolutes« Weib). »Nur seichteste Oberflächlichkeit«
könne glauben, »daß der Mensch durch seine
Umgebung gebildet werde«. Nur seichteste Oberflächlichkeit
kann leugnen, daß der Mensch durch seine Umgebung
zumindest beeinflußt wird, und daß diese Beeinflussung oftmals
zu Bildungen, Neubildungen, Herausbildungen führt!
Wer dies leugnet, leugnet alle Entwicklungsmöglichkeit.
Warum gibt es denn eben keinen »absoluten« Juden
oder Christen, keinen »echten« Mann oder kein »echtes«
Weib? Weil eben äußere Eindrücke beständig erziehlich
wirksam sind. Aus eben diesem Grunde konnte auch der
Jude kein »Monadologe« werden (wie ihm Weininger vorhält),
so lange er im Ghetto lebte; darum ward er – was
richtig ist – ein »Grenzverwischer«, darum seine »Gemeinsamkeit«,
sein »Zusammenhalten« auch in der Familie: es
erklärt sich all dies historisch dadurch, daß gleichgestellte
Existenzen, die unter Ausnahmsgesetzen in fremdem Land
leben, auf engen Anschluß untereinander angewiesen sind.
Warum das jüdische Volk keine Aristokratie besitzt, daher
keinen grenzenfixierenden Sinn beweist?! Erstlich besaß es
sie, so lange es im eigenen Lande als freies Volk lebte.
Zweitens kann man nicht mehr von einem »Volk« reden,
wenn es sich um Angehörige einer Nation handelt, die durch
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … gutenberg.org: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in HTML.
(2012-11-06T13:54:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus gutenberg.org entsprechen muss.
Austrian Literature Online: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-11-06T13:54:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von HTML nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-11-06T13:54:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |