Meißner, Alfred: Der Müller vom Höft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 177–274. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.mir Beifall zujauchzen, daß ich die Erde von solch einer Bestie befreit! Da geriet der Müller wieder in die volle vorige Wuth und rief, indem er mit dem Fuß nach der Leiche stieß: Ihn noch verscharren? Heimlich? Bin ich ein Mörder? Hat er nicht an mir ein Verbrechen begangen? Es war nicht Strafe genug, ihn nur todt zu schlagen -- hinauf muß er wieder, woher er kam, wohin er gehört, wo ich ihn hätte hängen lassen sollen -- fort mit ihm, wieder an den Galgen! Schrecklich! flüsterte Wendelin, und, wieder zu Athem kommend, fügte er bei: Aber es ist das Gerathenste und Beste. Aber schnell, befahl der Müller, die Nacht ist halb vorbei. Verwische die Blutspuren, fange die Pferde ein und dann fort! Eine Viertelstunde später war das Gesagte gethan. Die Pferde waren angespannt und führten den Müller, Wendelin und den Leichnam in die Nacht hinaus. Niemand im Hause war wach geworden. Der Sturm hatte sich gelegt, die Sterne flimmerten da und dort zwischen bewegten Wolkenknäueln, der Mond, seiner Völle nah, ging hinter dem Buschwald unter. Der Müller, in seinen Mantel gehüllt, saß neben der Leiche. Er schwieg. Von Zeit zu Zeit wischte er sich den Schweiß von der Stirne. mir Beifall zujauchzen, daß ich die Erde von solch einer Bestie befreit! Da geriet der Müller wieder in die volle vorige Wuth und rief, indem er mit dem Fuß nach der Leiche stieß: Ihn noch verscharren? Heimlich? Bin ich ein Mörder? Hat er nicht an mir ein Verbrechen begangen? Es war nicht Strafe genug, ihn nur todt zu schlagen — hinauf muß er wieder, woher er kam, wohin er gehört, wo ich ihn hätte hängen lassen sollen — fort mit ihm, wieder an den Galgen! Schrecklich! flüsterte Wendelin, und, wieder zu Athem kommend, fügte er bei: Aber es ist das Gerathenste und Beste. Aber schnell, befahl der Müller, die Nacht ist halb vorbei. Verwische die Blutspuren, fange die Pferde ein und dann fort! Eine Viertelstunde später war das Gesagte gethan. Die Pferde waren angespannt und führten den Müller, Wendelin und den Leichnam in die Nacht hinaus. Niemand im Hause war wach geworden. Der Sturm hatte sich gelegt, die Sterne flimmerten da und dort zwischen bewegten Wolkenknäueln, der Mond, seiner Völle nah, ging hinter dem Buschwald unter. Der Müller, in seinen Mantel gehüllt, saß neben der Leiche. Er schwieg. Von Zeit zu Zeit wischte er sich den Schweiß von der Stirne. <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="5"> <p><pb facs="#f0042"/> mir Beifall zujauchzen, daß ich die Erde von solch einer Bestie befreit!</p><lb/> <p>Da geriet der Müller wieder in die volle vorige Wuth und rief, indem er mit dem Fuß nach der Leiche stieß:</p><lb/> <p>Ihn noch verscharren? Heimlich? Bin ich ein Mörder? Hat er nicht an mir ein Verbrechen begangen? Es war nicht Strafe genug, ihn nur todt zu schlagen — hinauf muß er wieder, woher er kam, wohin er gehört, wo ich ihn hätte hängen lassen sollen — fort mit ihm, wieder an den Galgen!</p><lb/> <p>Schrecklich! flüsterte Wendelin, und, wieder zu Athem kommend, fügte er bei: Aber es ist das Gerathenste und Beste.</p><lb/> <p>Aber schnell, befahl der Müller, die Nacht ist halb vorbei. Verwische die Blutspuren, fange die Pferde ein und dann fort!</p><lb/> <p>Eine Viertelstunde später war das Gesagte gethan. Die Pferde waren angespannt und führten den Müller, Wendelin und den Leichnam in die Nacht hinaus. Niemand im Hause war wach geworden.</p><lb/> <p>Der Sturm hatte sich gelegt, die Sterne flimmerten da und dort zwischen bewegten Wolkenknäueln, der Mond, seiner Völle nah, ging hinter dem Buschwald unter.</p><lb/> <p>Der Müller, in seinen Mantel gehüllt, saß neben der Leiche. Er schwieg. Von Zeit zu Zeit wischte er sich den Schweiß von der Stirne.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0042]
mir Beifall zujauchzen, daß ich die Erde von solch einer Bestie befreit!
Da geriet der Müller wieder in die volle vorige Wuth und rief, indem er mit dem Fuß nach der Leiche stieß:
Ihn noch verscharren? Heimlich? Bin ich ein Mörder? Hat er nicht an mir ein Verbrechen begangen? Es war nicht Strafe genug, ihn nur todt zu schlagen — hinauf muß er wieder, woher er kam, wohin er gehört, wo ich ihn hätte hängen lassen sollen — fort mit ihm, wieder an den Galgen!
Schrecklich! flüsterte Wendelin, und, wieder zu Athem kommend, fügte er bei: Aber es ist das Gerathenste und Beste.
Aber schnell, befahl der Müller, die Nacht ist halb vorbei. Verwische die Blutspuren, fange die Pferde ein und dann fort!
Eine Viertelstunde später war das Gesagte gethan. Die Pferde waren angespannt und führten den Müller, Wendelin und den Leichnam in die Nacht hinaus. Niemand im Hause war wach geworden.
Der Sturm hatte sich gelegt, die Sterne flimmerten da und dort zwischen bewegten Wolkenknäueln, der Mond, seiner Völle nah, ging hinter dem Buschwald unter.
Der Müller, in seinen Mantel gehüllt, saß neben der Leiche. Er schwieg. Von Zeit zu Zeit wischte er sich den Schweiß von der Stirne.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-15T14:41:19Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2017-03-15T14:41:19Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |