Meißner, Alfred: Der Müller vom Höft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 177–274. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.sich, von seinem ganzen Hausgesinde bewillkommt, auf die Steinbank im Hofe. Seine Hunde sprangen herbei, liebkos'ten ihn und krochen an ihm empor, daß er sich ihrer gewaltsam erwehren mußte. Wie sich doch, dachte er, als er wieder allein war, wie sich doch Eins an das Andere knüpft, um eine grausige Kette zu bilden! Zuerst der Raub des Gerichteten, dann sein Todtschlag. Hierauf die lange, schwere, böse Kerkerhaft, und unerwartet, da der Tod schon vor Augen stand, die gewaltsame Befreiung. Nun ist der Krieg da gegen die bestehende Gewalt. Die Sache wächs't aus einem kleinen Funken, wie wenn Teufel hineingeblasen hätten. Ist man nicht oft versucht, zu glauben, der Mensch mit seinem ganzen Streben werde manchmal der Spielball unheimlicher Mächte? Ich habe tadellos gelebt, und werde vielleicht wie ein Verbrecher umkommen. Zum Guten ist's nimmermehr zu wenden; wie aber beugt man dem ganz Schlimmen vor? Dazwischen fühlte er es doch noch wie eine Freude, da zu sein, den blauen Himmel und die in Gold untergehende Sonne zu sehen, die reine Luft zu athmen und seinen treuen, nur allzu raschen Wendelin vor sich zu haben. Ich zürne dir nicht, sprach er ihn an, ob die Dinge auch nur durch dich so arg wurden. Du glaubtest mein Leben gefährdet und hast, von einem edlen Drange geleitet, fest entschlossen mich zu retten, das sich, von seinem ganzen Hausgesinde bewillkommt, auf die Steinbank im Hofe. Seine Hunde sprangen herbei, liebkos'ten ihn und krochen an ihm empor, daß er sich ihrer gewaltsam erwehren mußte. Wie sich doch, dachte er, als er wieder allein war, wie sich doch Eins an das Andere knüpft, um eine grausige Kette zu bilden! Zuerst der Raub des Gerichteten, dann sein Todtschlag. Hierauf die lange, schwere, böse Kerkerhaft, und unerwartet, da der Tod schon vor Augen stand, die gewaltsame Befreiung. Nun ist der Krieg da gegen die bestehende Gewalt. Die Sache wächs't aus einem kleinen Funken, wie wenn Teufel hineingeblasen hätten. Ist man nicht oft versucht, zu glauben, der Mensch mit seinem ganzen Streben werde manchmal der Spielball unheimlicher Mächte? Ich habe tadellos gelebt, und werde vielleicht wie ein Verbrecher umkommen. Zum Guten ist's nimmermehr zu wenden; wie aber beugt man dem ganz Schlimmen vor? Dazwischen fühlte er es doch noch wie eine Freude, da zu sein, den blauen Himmel und die in Gold untergehende Sonne zu sehen, die reine Luft zu athmen und seinen treuen, nur allzu raschen Wendelin vor sich zu haben. Ich zürne dir nicht, sprach er ihn an, ob die Dinge auch nur durch dich so arg wurden. Du glaubtest mein Leben gefährdet und hast, von einem edlen Drange geleitet, fest entschlossen mich zu retten, das <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="11"> <p><pb facs="#f0070"/> sich, von seinem ganzen Hausgesinde bewillkommt, auf die Steinbank im Hofe. Seine Hunde sprangen herbei, liebkos'ten ihn und krochen an ihm empor, daß er sich ihrer gewaltsam erwehren mußte.</p><lb/> <p>Wie sich doch, dachte er, als er wieder allein war, wie sich doch Eins an das Andere knüpft, um eine grausige Kette zu bilden! Zuerst der Raub des Gerichteten, dann sein Todtschlag. Hierauf die lange, schwere, böse Kerkerhaft, und unerwartet, da der Tod schon vor Augen stand, die gewaltsame Befreiung. Nun ist der Krieg da gegen die bestehende Gewalt. Die Sache wächs't aus einem kleinen Funken, wie wenn Teufel hineingeblasen hätten. Ist man nicht oft versucht, zu glauben, der Mensch mit seinem ganzen Streben werde manchmal der Spielball unheimlicher Mächte? Ich habe tadellos gelebt, und werde vielleicht wie ein Verbrecher umkommen. Zum Guten ist's nimmermehr zu wenden; wie aber beugt man dem ganz Schlimmen vor?</p><lb/> <p>Dazwischen fühlte er es doch noch wie eine Freude, da zu sein, den blauen Himmel und die in Gold untergehende Sonne zu sehen, die reine Luft zu athmen und seinen treuen, nur allzu raschen Wendelin vor sich zu haben.</p><lb/> <p>Ich zürne dir nicht, sprach er ihn an, ob die Dinge auch nur durch dich so arg wurden. Du glaubtest mein Leben gefährdet und hast, von einem edlen Drange geleitet, fest entschlossen mich zu retten, das<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0070]
sich, von seinem ganzen Hausgesinde bewillkommt, auf die Steinbank im Hofe. Seine Hunde sprangen herbei, liebkos'ten ihn und krochen an ihm empor, daß er sich ihrer gewaltsam erwehren mußte.
Wie sich doch, dachte er, als er wieder allein war, wie sich doch Eins an das Andere knüpft, um eine grausige Kette zu bilden! Zuerst der Raub des Gerichteten, dann sein Todtschlag. Hierauf die lange, schwere, böse Kerkerhaft, und unerwartet, da der Tod schon vor Augen stand, die gewaltsame Befreiung. Nun ist der Krieg da gegen die bestehende Gewalt. Die Sache wächs't aus einem kleinen Funken, wie wenn Teufel hineingeblasen hätten. Ist man nicht oft versucht, zu glauben, der Mensch mit seinem ganzen Streben werde manchmal der Spielball unheimlicher Mächte? Ich habe tadellos gelebt, und werde vielleicht wie ein Verbrecher umkommen. Zum Guten ist's nimmermehr zu wenden; wie aber beugt man dem ganz Schlimmen vor?
Dazwischen fühlte er es doch noch wie eine Freude, da zu sein, den blauen Himmel und die in Gold untergehende Sonne zu sehen, die reine Luft zu athmen und seinen treuen, nur allzu raschen Wendelin vor sich zu haben.
Ich zürne dir nicht, sprach er ihn an, ob die Dinge auch nur durch dich so arg wurden. Du glaubtest mein Leben gefährdet und hast, von einem edlen Drange geleitet, fest entschlossen mich zu retten, das
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-15T14:41:19Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2017-03-15T14:41:19Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |