Meißner, Alfred: Der Müller vom Höft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 177–274. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Sie haben es mir mit Brandanlegung gelohnt. Ihr sagt, Herr, mir sei keine andere Wahl geblieben. Wenn die drei Knechte davonkommen konnten, konnte ich's nicht auch? Ei, ei! sagte der Schöffe. Wußtet Ihr davon? Habt Ihr gar ihre Flucht begünstigt? ihnen die Mittel geschafft? Sprecht die Wahrheit, denkt des Eides, den Ihr geschworen habt. Ich hab' die Flucht veranlaßt, sagte der Müller ruhig, mit stolz erhobenem Haupte; denn ich kenne die Justiz, und nicht Jeder ist gefaßt und geduldig wie ich. Dies erste Verhör verschlimmerte den Stand der Sache; es blieb nicht das letzte. Wochen lang zog sich der Prozeß hin. Reinbacher blieb immer derselbe. Der Trotz auf seine That war eisern; der Gedanke, sich durch Lügen zu retten, erweckte in ihm einen schäumenden Zorn. Er sah ein schweres Ende heranrücken, ein so schweres, daß er es Anfangs für unmöglich gehalten hätte. Der Winter ging hin, ein langer, harter Winter; endlich kam ein warmer, schöner, sonniger Frühling ins Land. Die Felder standen grün, der Himmel war blau und hell; Reinbacher blickte durch das Gitter seines Fensters und sah die lichten Segel der Schiffe auf der Weser daher kommen, nahen und verschwinden -- jedes wie eine falsche Hoffnung! Da stand er, der einst reiche, wohlangesehene, noch immer stolze Manu, gefangen im selben Schlosse mit Räubern, Dieben und Sie haben es mir mit Brandanlegung gelohnt. Ihr sagt, Herr, mir sei keine andere Wahl geblieben. Wenn die drei Knechte davonkommen konnten, konnte ich's nicht auch? Ei, ei! sagte der Schöffe. Wußtet Ihr davon? Habt Ihr gar ihre Flucht begünstigt? ihnen die Mittel geschafft? Sprecht die Wahrheit, denkt des Eides, den Ihr geschworen habt. Ich hab' die Flucht veranlaßt, sagte der Müller ruhig, mit stolz erhobenem Haupte; denn ich kenne die Justiz, und nicht Jeder ist gefaßt und geduldig wie ich. Dies erste Verhör verschlimmerte den Stand der Sache; es blieb nicht das letzte. Wochen lang zog sich der Prozeß hin. Reinbacher blieb immer derselbe. Der Trotz auf seine That war eisern; der Gedanke, sich durch Lügen zu retten, erweckte in ihm einen schäumenden Zorn. Er sah ein schweres Ende heranrücken, ein so schweres, daß er es Anfangs für unmöglich gehalten hätte. Der Winter ging hin, ein langer, harter Winter; endlich kam ein warmer, schöner, sonniger Frühling ins Land. Die Felder standen grün, der Himmel war blau und hell; Reinbacher blickte durch das Gitter seines Fensters und sah die lichten Segel der Schiffe auf der Weser daher kommen, nahen und verschwinden — jedes wie eine falsche Hoffnung! Da stand er, der einst reiche, wohlangesehene, noch immer stolze Manu, gefangen im selben Schlosse mit Räubern, Dieben und <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="13"> <p><pb facs="#f0085"/> Sie haben es mir mit Brandanlegung gelohnt. Ihr sagt, Herr, mir sei keine andere Wahl geblieben. Wenn die drei Knechte davonkommen konnten, konnte ich's nicht auch?</p><lb/> <p>Ei, ei! sagte der Schöffe. Wußtet Ihr davon? Habt Ihr gar ihre Flucht begünstigt? ihnen die Mittel geschafft? Sprecht die Wahrheit, denkt des Eides, den Ihr geschworen habt.</p><lb/> <p>Ich hab' die Flucht veranlaßt, sagte der Müller ruhig, mit stolz erhobenem Haupte; denn ich kenne die Justiz, und nicht Jeder ist gefaßt und geduldig wie ich.</p><lb/> <p>Dies erste Verhör verschlimmerte den Stand der Sache; es blieb nicht das letzte. Wochen lang zog sich der Prozeß hin. Reinbacher blieb immer derselbe. Der Trotz auf seine That war eisern; der Gedanke, sich durch Lügen zu retten, erweckte in ihm einen schäumenden Zorn. Er sah ein schweres Ende heranrücken, ein so schweres, daß er es Anfangs für unmöglich gehalten hätte.</p><lb/> <p>Der Winter ging hin, ein langer, harter Winter; endlich kam ein warmer, schöner, sonniger Frühling ins Land. Die Felder standen grün, der Himmel war blau und hell; Reinbacher blickte durch das Gitter seines Fensters und sah die lichten Segel der Schiffe auf der Weser daher kommen, nahen und verschwinden — jedes wie eine falsche Hoffnung! Da stand er, der einst reiche, wohlangesehene, noch immer stolze Manu, gefangen im selben Schlosse mit Räubern, Dieben und<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0085]
Sie haben es mir mit Brandanlegung gelohnt. Ihr sagt, Herr, mir sei keine andere Wahl geblieben. Wenn die drei Knechte davonkommen konnten, konnte ich's nicht auch?
Ei, ei! sagte der Schöffe. Wußtet Ihr davon? Habt Ihr gar ihre Flucht begünstigt? ihnen die Mittel geschafft? Sprecht die Wahrheit, denkt des Eides, den Ihr geschworen habt.
Ich hab' die Flucht veranlaßt, sagte der Müller ruhig, mit stolz erhobenem Haupte; denn ich kenne die Justiz, und nicht Jeder ist gefaßt und geduldig wie ich.
Dies erste Verhör verschlimmerte den Stand der Sache; es blieb nicht das letzte. Wochen lang zog sich der Prozeß hin. Reinbacher blieb immer derselbe. Der Trotz auf seine That war eisern; der Gedanke, sich durch Lügen zu retten, erweckte in ihm einen schäumenden Zorn. Er sah ein schweres Ende heranrücken, ein so schweres, daß er es Anfangs für unmöglich gehalten hätte.
Der Winter ging hin, ein langer, harter Winter; endlich kam ein warmer, schöner, sonniger Frühling ins Land. Die Felder standen grün, der Himmel war blau und hell; Reinbacher blickte durch das Gitter seines Fensters und sah die lichten Segel der Schiffe auf der Weser daher kommen, nahen und verschwinden — jedes wie eine falsche Hoffnung! Da stand er, der einst reiche, wohlangesehene, noch immer stolze Manu, gefangen im selben Schlosse mit Räubern, Dieben und
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-15T14:41:19Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2017-03-15T14:41:19Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |