aufzuraffen und an irgend einem Gegenstande seine Mordgier auszulassen. Diese Kräfte stellten sich wieder ein; er stand auf; obschon noch halb taumelnd; das Zimmer öfnete sich; er sah bei dem herausschimmernden Lichte, -- denn die Flur war dunkel, -- einen ihm völ- lig unbekannten und an seinem Unfalle ganz Unschuldigen hertreten. Er fühlte Begierde auf ihn los zu gehen; aber eh' er noch sich dazu entschließen konnte, war die Gelegenheit schon vorüber.
Unmittelbar drauf trat ein Andrer, an sei- nen Schmerzen eben so unschuldig als jener, hervor. Jndeß, da er, wie vorhin, in seinem Entschlusse noch hin und herschwankte, fiel ihm ein: daß vor vielen Jahren die Mutter dieses Menschen mit seiner Mutter einen Zank gehabt, und solcher Unrecht gethan habe; seine Rache in eben dem Augenblicke war entschieden; er ging auf ihn los, und stieß ihm das Messer ins Eingeweide.
aufzuraffen und an irgend einem Gegenſtande ſeine Mordgier auszulaſſen. Dieſe Kraͤfte ſtellten ſich wieder ein; er ſtand auf; obſchon noch halb taumelnd; das Zimmer oͤfnete ſich; er ſah bei dem herausſchimmernden Lichte, — denn die Flur war dunkel, — einen ihm voͤl- lig unbekannten und an ſeinem Unfalle ganz Unſchuldigen hertreten. Er fuͤhlte Begierde auf ihn los zu gehen; aber eh' er noch ſich dazu entſchließen konnte, war die Gelegenheit ſchon voruͤber.
Unmittelbar drauf trat ein Andrer, an ſei- nen Schmerzen eben ſo unſchuldig als jener, hervor. Jndeß, da er, wie vorhin, in ſeinem Entſchluſſe noch hin und herſchwankte, fiel ihm ein: daß vor vielen Jahren die Mutter dieſes Menſchen mit ſeiner Mutter einen Zank gehabt, und ſolcher Unrecht gethan habe; ſeine Rache in eben dem Augenblicke war entſchieden; er ging auf ihn los, und ſtieß ihm das Meſſer ins Eingeweide.
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[142/0150]
aufzuraffen und an irgend einem Gegenſtande
ſeine Mordgier auszulaſſen. Dieſe Kraͤfte
ſtellten ſich wieder ein; er ſtand auf; obſchon
noch halb taumelnd; das Zimmer oͤfnete ſich;
er ſah bei dem herausſchimmernden Lichte, —
denn die Flur war dunkel, — einen ihm voͤl-
lig unbekannten und an ſeinem Unfalle ganz
Unſchuldigen hertreten. Er fuͤhlte Begierde
auf ihn los zu gehen; aber eh' er noch ſich
dazu entſchließen konnte, war die Gelegenheit
ſchon voruͤber.
Unmittelbar drauf trat ein Andrer, an ſei-
nen Schmerzen eben ſo unſchuldig als jener,
hervor. Jndeß, da er, wie vorhin, in ſeinem
Entſchluſſe noch hin und herſchwankte, fiel
ihm ein: daß vor vielen Jahren die Mutter
dieſes Menſchen mit ſeiner Mutter einen
Zank gehabt, und ſolcher Unrecht gethan
habe; ſeine Rache in eben dem Augenblicke war
entſchieden; er ging auf ihn los, und ſtieß ihm
das Meſſer ins Eingeweide.
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Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/150>, abgerufen am 23.11.2024.
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