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Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796.

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er könne; denn sie besorgte sonst, daß er zu
spät kommen dürfe.

Jhre Sorge war nicht ohne Grund. So
sehr jene unglückliche Halbwittwe und auch die
Prinzessin sich gefördert hatten, so war doch
eine ziemliche Frist darüber hingegangen, und
der Zug zum Hochgericht indeß fortgesezt wor-
den. Das ganze Volk, das mit hinausströmte,
bedauerte den Weber; selbst diejenigen,die sonst
auf sein hartnäckigesLägnen geschmält hatten,
schlossen nun aus seinem Betragen auf seine
Unschuld, und wünschten seine Befreiung. Der
Weg zum Hochgericht war fern; man suchte
ihn noch zu verlängern, so viel man konte. Man
ward immer lauter, immer unwilliger, jemehr
man sich dem Ort der Hinrichtung nahte. Jm-
mer glaubte man: jezt oder jezt werde Hülfe
kommen. Sie kam nicht, und man war end-
lich an der unglücklichen Stelle. Der Prie-
ster hatte bereits seine lezte Schuldigkeit ge-
than, und der arme Sünder stieg oder wankte
vielmehr die Leiter hinauf. Jezt, indem er

er koͤnne; denn ſie beſorgte ſonſt, daß er zu
ſpaͤt kommen duͤrfe.

Jhre Sorge war nicht ohne Grund. So
ſehr jene ungluͤckliche Halbwittwe und auch die
Prinzeſſin ſich gefoͤrdert hatten, ſo war doch
eine ziemliche Friſt daruͤber hingegangen, und
der Zug zum Hochgericht indeß fortgeſezt wor-
den. Das ganze Volk, das mit hinausſtroͤmte,
bedauerte den Weber; ſelbſt diejenigen,die ſonſt
auf ſein hartnaͤckigesLaͤgnen geſchmaͤlt hatten,
ſchloſſen nun aus ſeinem Betragen auf ſeine
Unſchuld, und wuͤnſchten ſeine Befreiung. Der
Weg zum Hochgericht war fern; man ſuchte
ihn noch zu verlaͤngern, ſo viel man konte. Man
ward immer lauter, immer unwilliger, jemehr
man ſich dem Ort der Hinrichtung nahte. Jm-
mer glaubte man: jezt oder jezt werde Huͤlfe
kommen. Sie kam nicht, und man war end-
lich an der ungluͤcklichen Stelle. Der Prie-
ſter hatte bereits ſeine lezte Schuldigkeit ge-
than, und der arme Suͤnder ſtieg oder wankte
vielmehr die Leiter hinauf. Jezt, indem er

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[172/0180] er koͤnne; denn ſie beſorgte ſonſt, daß er zu ſpaͤt kommen duͤrfe. Jhre Sorge war nicht ohne Grund. So ſehr jene ungluͤckliche Halbwittwe und auch die Prinzeſſin ſich gefoͤrdert hatten, ſo war doch eine ziemliche Friſt daruͤber hingegangen, und der Zug zum Hochgericht indeß fortgeſezt wor- den. Das ganze Volk, das mit hinausſtroͤmte, bedauerte den Weber; ſelbſt diejenigen,die ſonſt auf ſein hartnaͤckigesLaͤgnen geſchmaͤlt hatten, ſchloſſen nun aus ſeinem Betragen auf ſeine Unſchuld, und wuͤnſchten ſeine Befreiung. Der Weg zum Hochgericht war fern; man ſuchte ihn noch zu verlaͤngern, ſo viel man konte. Man ward immer lauter, immer unwilliger, jemehr man ſich dem Ort der Hinrichtung nahte. Jm- mer glaubte man: jezt oder jezt werde Huͤlfe kommen. Sie kam nicht, und man war end- lich an der ungluͤcklichen Stelle. Der Prie- ſter hatte bereits ſeine lezte Schuldigkeit ge- than, und der arme Suͤnder ſtieg oder wankte vielmehr die Leiter hinauf. Jezt, indem er

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Zitationshilfe: Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/180>, abgerufen am 23.11.2024.