Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

frieden, daß sie nicht selbst komme, schickte
das Geld zurück, und verlangte: sie soll' es
ihm eigenhändig überbringen. Jn immer
wachsender Verlegenheit glaubte die Unglück-
liche: Gewinn werde ihn besänftigen; und
verdoppelte daher die Summe. Doch eben
dadurch ward das Ungeheuer nur noch mehr
aufgebracht, und er ließ ihr drohen, alles
was er wisse zu entdecken, wenn sie nicht so-
fort sich einstelle. Umsonst sträubte sich die
Bedauernswürdige gegen diesen schmählichen
Gang. Jene alte Kuplerin, die sich nun selbst
seit geraumer Zeit schon mit dem Bedienten
verstand, drang abermals in sie, und sie ging.

Als sie in die Schenke kam, überhäufte sie
der sinnlose Trunkenbold mit den härtesten
Vorwürfen; sie suchte sich auf die sanftmü-
thigste Art bei ihm zu entschuldigen; aber er
hörte nicht drauf, nannte sie eine Hure, und
schlug sie. Dieser Schimpf, in so vieler Per-
sonen Gegenwart, unter den Augen der niedrig-
sten Klasse von Menschen ihr zugefügt, war all-

B

frieden, daß ſie nicht ſelbſt komme, ſchickte
das Geld zuruͤck, und verlangte: ſie ſoll' es
ihm eigenhaͤndig uͤberbringen. Jn immer
wachſender Verlegenheit glaubte die Ungluͤck-
liche: Gewinn werde ihn beſaͤnftigen; und
verdoppelte daher die Summe. Doch eben
dadurch ward das Ungeheuer nur noch mehr
aufgebracht, und er ließ ihr drohen, alles
was er wiſſe zu entdecken, wenn ſie nicht ſo-
fort ſich einſtelle. Umſonſt ſtraͤubte ſich die
Bedauernswuͤrdige gegen dieſen ſchmaͤhlichen
Gang. Jene alte Kuplerin, die ſich nun ſelbſt
ſeit geraumer Zeit ſchon mit dem Bedienten
verſtand, drang abermals in ſie, und ſie ging.

Als ſie in die Schenke kam, uͤberhaͤufte ſie
der ſinnloſe Trunkenbold mit den haͤrteſten
Vorwuͤrfen; ſie ſuchte ſich auf die ſanftmuͤ-
thigſte Art bei ihm zu entſchuldigen; aber er
hoͤrte nicht drauf, nannte ſie eine Hure, und
ſchlug ſie. Dieſer Schimpf, in ſo vieler Per-
ſonen Gegenwart, unter den Augen der niedrig-
ſten Klaſſe von Menſchen ihr zugefuͤgt, war all-

B
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0025" n="17"/>
frieden, daß &#x017F;ie nicht &#x017F;elb&#x017F;t komme, &#x017F;chickte<lb/>
das Geld zuru&#x0364;ck, und verlangte: &#x017F;ie &#x017F;oll' es<lb/>
ihm eigenha&#x0364;ndig u&#x0364;berbringen. Jn immer<lb/>
wach&#x017F;ender Verlegenheit glaubte die Unglu&#x0364;ck-<lb/>
liche: Gewinn werde ihn be&#x017F;a&#x0364;nftigen; und<lb/>
verdoppelte daher die Summe. Doch eben<lb/>
dadurch ward das Ungeheuer nur noch mehr<lb/>
aufgebracht, und er ließ ihr drohen, alles<lb/>
was er wi&#x017F;&#x017F;e zu entdecken, wenn &#x017F;ie nicht &#x017F;o-<lb/>
fort &#x017F;ich ein&#x017F;telle. Um&#x017F;on&#x017F;t &#x017F;tra&#x0364;ubte &#x017F;ich die<lb/>
Bedauernswu&#x0364;rdige gegen die&#x017F;en &#x017F;chma&#x0364;hlichen<lb/>
Gang. Jene alte Kuplerin, die &#x017F;ich nun &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
&#x017F;eit geraumer Zeit &#x017F;chon mit dem Bedienten<lb/>
ver&#x017F;tand, drang abermals in &#x017F;ie, und &#x017F;ie ging.</p><lb/>
          <p>Als &#x017F;ie in die Schenke kam, u&#x0364;berha&#x0364;ufte &#x017F;ie<lb/>
der &#x017F;innlo&#x017F;e Trunkenbold mit den ha&#x0364;rte&#x017F;ten<lb/>
Vorwu&#x0364;rfen; &#x017F;ie &#x017F;uchte &#x017F;ich auf die &#x017F;anftmu&#x0364;-<lb/>
thig&#x017F;te Art bei ihm zu ent&#x017F;chuldigen; aber er<lb/>
ho&#x0364;rte nicht drauf, nannte &#x017F;ie eine Hure, und<lb/>
&#x017F;chlug &#x017F;ie. Die&#x017F;er Schimpf, in &#x017F;o vieler Per-<lb/>
&#x017F;onen Gegenwart, unter den Augen der niedrig-<lb/>
&#x017F;ten Kla&#x017F;&#x017F;e von Men&#x017F;chen ihr zugefu&#x0364;gt, war all-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">B</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[17/0025] frieden, daß ſie nicht ſelbſt komme, ſchickte das Geld zuruͤck, und verlangte: ſie ſoll' es ihm eigenhaͤndig uͤberbringen. Jn immer wachſender Verlegenheit glaubte die Ungluͤck- liche: Gewinn werde ihn beſaͤnftigen; und verdoppelte daher die Summe. Doch eben dadurch ward das Ungeheuer nur noch mehr aufgebracht, und er ließ ihr drohen, alles was er wiſſe zu entdecken, wenn ſie nicht ſo- fort ſich einſtelle. Umſonſt ſtraͤubte ſich die Bedauernswuͤrdige gegen dieſen ſchmaͤhlichen Gang. Jene alte Kuplerin, die ſich nun ſelbſt ſeit geraumer Zeit ſchon mit dem Bedienten verſtand, drang abermals in ſie, und ſie ging. Als ſie in die Schenke kam, uͤberhaͤufte ſie der ſinnloſe Trunkenbold mit den haͤrteſten Vorwuͤrfen; ſie ſuchte ſich auf die ſanftmuͤ- thigſte Art bei ihm zu entſchuldigen; aber er hoͤrte nicht drauf, nannte ſie eine Hure, und ſchlug ſie. Dieſer Schimpf, in ſo vieler Per- ſonen Gegenwart, unter den Augen der niedrig- ſten Klaſſe von Menſchen ihr zugefuͤgt, war all- B

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/25
Zitationshilfe: Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/25>, abgerufen am 23.11.2024.