"eben dieselben Strumpfbänder, die ihre eigne "Tochter gestickt, und sie jenem verkauft habe. "Wenn man den Menschen frage: wie er zu "diesem Kleidungsstücke gekommen sei,so wür- "de sich vielleicht mehr ergeben." -- Man trug anfangs Bedenken, auf die ganze Anzeige zu achten. Strumpfbänder sehn sich gleich. Daß der Mörder grade nach Wien kommen, grade auf demselben Flecke sich einfinden solle, wo sie vorher den Ermordeten angetroffen, schien so romanenhaft, daß man es eben deshalb für gänzlich unwahrscheinlich hielt. Dennoch, da sie immer drauf bestand: die Strumpfbänder wären es! so entschlos man sich endlich einen Versuch zu machen; den Fremden zu verhaften, und ihn genau zu befragen: Wer er sei? Woher er komme? und so weiter. Es ge- schah. Gleich bei der Verhaftung entsezte er sich gewaltig; als bei dieser Gelegenheit auch seine Kleider durchsucht wurden, fand man blutige Wäsche, ein Stilet, mehrere Taschen- puffer, und einen Rock, den man im Gasthof
„eben dieſelben Strumpfbaͤnder, die ihre eigne „Tochter geſtickt, und ſie jenem verkauft habe. „Wenn man den Menſchen frage: wie er zu „dieſem Kleidungsſtuͤcke gekommen ſei,ſo wuͤr- „de ſich vielleicht mehr ergeben.“ — Man trug anfangs Bedenken, auf die ganze Anzeige zu achten. Strumpfbaͤnder ſehn ſich gleich. Daß der Moͤrder grade nach Wien kommen, grade auf demſelben Flecke ſich einfinden ſolle, wo ſie vorher den Ermordeten angetroffen, ſchien ſo romanenhaft, daß man es eben deshalb fuͤr gaͤnzlich unwahrſcheinlich hielt. Dennoch, da ſie immer drauf beſtand: die Strumpfbaͤnder waͤren es! ſo entſchlos man ſich endlich einen Verſuch zu machen; den Fremden zu verhaften, und ihn genau zu befragen: Wer er ſei? Woher er komme? und ſo weiter. Es ge- ſchah. Gleich bei der Verhaftung entſezte er ſich gewaltig; als bei dieſer Gelegenheit auch ſeine Kleider durchſucht wurden, fand man blutige Waͤſche, ein Stilet, mehrere Taſchen- puffer, und einen Rock, den man im Gaſthof
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„eben dieſelben Strumpfbaͤnder, die ihre eigne
„Tochter geſtickt, und ſie jenem verkauft habe.
„Wenn man den Menſchen frage: wie er zu
„dieſem Kleidungsſtuͤcke gekommen ſei,ſo wuͤr-
„de ſich vielleicht mehr ergeben.“ — Man trug
anfangs Bedenken, auf die ganze Anzeige zu
achten. Strumpfbaͤnder ſehn ſich gleich. Daß
der Moͤrder grade nach Wien kommen, grade
auf demſelben Flecke ſich einfinden ſolle, wo
ſie vorher den Ermordeten angetroffen, ſchien
ſo romanenhaft, daß man es eben deshalb fuͤr
gaͤnzlich unwahrſcheinlich hielt. Dennoch, da
ſie immer drauf beſtand: die Strumpfbaͤnder
waͤren es! ſo entſchlos man ſich endlich einen
Verſuch zu machen; den Fremden zu verhaften,
und ihn genau zu befragen: Wer er ſei?
Woher er komme? und ſo weiter. Es ge-
ſchah. Gleich bei der Verhaftung entſezte er
ſich gewaltig; als bei dieſer Gelegenheit auch
ſeine Kleider durchſucht wurden, fand man
blutige Waͤſche, ein Stilet, mehrere Taſchen-
puffer, und einen Rock, den man im Gaſthof
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Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/259>, abgerufen am 23.11.2024.
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