Entschuldigung. Ein andrer Umstand schien es wenigstens einigermaßen zu seyn. Rs. Haus zu H** war, sobald man seine Verhaftung zu Coblenz erfuhr, gerichtlich durchsucht, sein Vermögen in Beschlag genommen, seine Pa- piere versiegelt worden; noch einiges baare Geld hatte man gefunden, aber von den Ju- weelen der Witwe kein Steingen, von ihren Dokumenten kein Blättgen. Als man R. deshalb befragte, spielte er den ganz Unwis- senden, sogar den Erstaunten. -- "Er wisse, sagte er, weder von Schmuck noch von Doku- menten etwas. Es sey dies ein Beweis mehr, daß ganz andre Räuber als er bei der Witwe eingebrochen seyn müßten. Nach seinem Tode vielleicht werde man die wahrhaften Verbrecher entdecken; er, und wenn er heute sterben solle, könne blos mit seiner Unschuld sich trösten." -- Alles Zureden, mild und scharf, blieb frucht- los. Die Akten wurden verschickt. Der Aus- spruch der Fakultät war, wie man voraussehn konte: Peinliche Frage, da Jnquisit sich so höch-
Entſchuldigung. Ein andrer Umſtand ſchien es wenigſtens einigermaßen zu ſeyn. Rs. Haus zu H** war, ſobald man ſeine Verhaftung zu Coblenz erfuhr, gerichtlich durchſucht, ſein Vermoͤgen in Beſchlag genommen, ſeine Pa- piere verſiegelt worden; noch einiges baare Geld hatte man gefunden, aber von den Ju- weelen der Witwe kein Steingen, von ihren Dokumenten kein Blaͤttgen. Als man R. deshalb befragte, ſpielte er den ganz Unwiſ- ſenden, ſogar den Erſtaunten. — „Er wiſſe, ſagte er, weder von Schmuck noch von Doku- menten etwas. Es ſey dies ein Beweis mehr, daß ganz andre Raͤuber als er bei der Witwe eingebrochen ſeyn muͤßten. Nach ſeinem Tode vielleicht werde man die wahrhaften Verbrecher entdecken; er, und wenn er heute ſterben ſolle, koͤnne blos mit ſeiner Unſchuld ſich troͤſten.“ — Alles Zureden, mild und ſcharf, blieb frucht- los. Die Akten wurden verſchickt. Der Aus- ſpruch der Fakultaͤt war, wie man vorausſehn konte: Peinliche Frage, da Jnquiſit ſich ſo hoͤch-
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Entſchuldigung. Ein andrer Umſtand ſchien es
wenigſtens einigermaßen zu ſeyn. Rs. Haus
zu H** war, ſobald man ſeine Verhaftung
zu Coblenz erfuhr, gerichtlich durchſucht, ſein
Vermoͤgen in Beſchlag genommen, ſeine Pa-
piere verſiegelt worden; noch einiges baare
Geld hatte man gefunden, aber von den Ju-
weelen der Witwe kein Steingen, von ihren
Dokumenten kein Blaͤttgen. Als man R.
deshalb befragte, ſpielte er den ganz Unwiſ-
ſenden, ſogar den Erſtaunten. — „Er wiſſe,
ſagte er, weder von Schmuck noch von Doku-
menten etwas. Es ſey dies ein Beweis mehr,
daß ganz andre Raͤuber als er bei der Witwe
eingebrochen ſeyn muͤßten. Nach ſeinem Tode
vielleicht werde man die wahrhaften Verbrecher
entdecken; er, und wenn er heute ſterben ſolle,
koͤnne blos mit ſeiner Unſchuld ſich troͤſten.“
— Alles Zureden, mild und ſcharf, blieb frucht-
los. Die Akten wurden verſchickt. Der Aus-
ſpruch der Fakultaͤt war, wie man vorausſehn
konte: Peinliche Frage, da Jnquiſit ſich ſo hoͤch-
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Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 300. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/308>, abgerufen am 23.11.2024.
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