Der junge Mann, ganz versunken in sei- ner Leidenschaft, glaubte blindlings was sie sagte, und würde den für seinen Todfeind er- klärt haben, der an der Wahrheit des gering- sten dieser Worte gezweifelt hätte. Er fuhr fort, sein kleines Vermögen zu Bestechungen für die übrigen Verwandten, zu Geschenken für seine Geliebte, -- die gern Geschenke nahm -- und zu seinem eignen Lebensunterhalte zu verwenden; schlug manches andre vortheil- hafte Anerbieten zu seiner Glücksverbesserung aus; vermied jedes Geschäfte, das ihn von hier entfernen konnte, und sah sich endlich mit seiner Kasse nach ein paar Jahren da, wo man sich gewöhnlich zu sehen pflegt, wenn man viel ausgiebt, ohne wieder verhältnißmäßig einzunehmen.
Da er ihr aus nichts auf der Welt ein Ge- heimniß machte, so wußte sie dies alles gar wohl; und ihre Geschicklichkeit, ihm günstige Hoffnung zu machen, blieb sich so lange voll- kommen gleich, bis nun auch das lezte kleine
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Der junge Mann, ganz verſunken in ſei- ner Leidenſchaft, glaubte blindlings was ſie ſagte, und wuͤrde den fuͤr ſeinen Todfeind er- klaͤrt haben, der an der Wahrheit des gering- ſten dieſer Worte gezweifelt haͤtte. Er fuhr fort, ſein kleines Vermoͤgen zu Beſtechungen fuͤr die uͤbrigen Verwandten, zu Geſchenken fuͤr ſeine Geliebte, — die gern Geſchenke nahm — und zu ſeinem eignen Lebensunterhalte zu verwenden; ſchlug manches andre vortheil- hafte Anerbieten zu ſeiner Gluͤcksverbeſſerung aus; vermied jedes Geſchaͤfte, das ihn von hier entfernen konnte, und ſah ſich endlich mit ſeiner Kaſſe nach ein paar Jahren da, wo man ſich gewoͤhnlich zu ſehen pflegt, wenn man viel ausgiebt, ohne wieder verhaͤltnißmaͤßig einzunehmen.
Da er ihr aus nichts auf der Welt ein Ge- heimniß machte, ſo wußte ſie dies alles gar wohl; und ihre Geſchicklichkeit, ihm guͤnſtige Hoffnung zu machen, blieb ſich ſo lange voll- kommen gleich, bis nun auch das lezte kleine
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Der junge Mann, ganz verſunken in ſei-
ner Leidenſchaft, glaubte blindlings was ſie
ſagte, und wuͤrde den fuͤr ſeinen Todfeind er-
klaͤrt haben, der an der Wahrheit des gering-
ſten dieſer Worte gezweifelt haͤtte. Er fuhr
fort, ſein kleines Vermoͤgen zu Beſtechungen
fuͤr die uͤbrigen Verwandten, zu Geſchenken
fuͤr ſeine Geliebte, — die gern Geſchenke nahm
— und zu ſeinem eignen Lebensunterhalte zu
verwenden; ſchlug manches andre vortheil-
hafte Anerbieten zu ſeiner Gluͤcksverbeſſerung
aus; vermied jedes Geſchaͤfte, das ihn von
hier entfernen konnte, und ſah ſich endlich
mit ſeiner Kaſſe nach ein paar Jahren da,
wo man ſich gewoͤhnlich zu ſehen pflegt,
wenn man viel ausgiebt, ohne wieder
verhaͤltnißmaͤßig einzunehmen.
Da er ihr aus nichts auf der Welt ein Ge-
heimniß machte, ſo wußte ſie dies alles gar
wohl; und ihre Geſchicklichkeit, ihm guͤnſtige
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Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/31>, abgerufen am 23.11.2024.
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