dieser Stadt zu dem kleinen Posten eines Kanz- lei-Dieners. Auch hier fuhr er fort, sich als ein Mann von Rechtschaffenheit zu betragen; erwarb sich das Zutrauen aller Nachbarn und Bekannten; und würde wahrscheinlich bis an seinen Tod im beßten Rufe verblieben seyn, hätte nicht diejenige Leidenschaft, die schon manchen braven Mann zum Schelmen, und nur selten diesen Leztern zum redlichen Mann umformte, -- hätte Liebe nicht ihm einen schlimmen Possen gespielt.
Alibius hatte schon seit einiger Zeit Bekannt- schaft mit einer jungen, schönen, bemittelten Wittwe gemacht. Sie gefiel ihm ausnehmend, und troz des merklichen Unterschieds ihrer Jahre hatt' er auch ihr zu gefallen gewußt. Sie zu heirathen, es koste auch, was es wol- le, war sein fester Entschluß; und da seine noch lebende Frau das Haupthindernis bei diesem Vorsaz ausmachte, so suchte er sich derselben auf alle nur mögliche Art zu entle- digen.
dieſer Stadt zu dem kleinen Poſten eines Kanz- lei-Dieners. Auch hier fuhr er fort, ſich als ein Mann von Rechtſchaffenheit zu betragen; erwarb ſich das Zutrauen aller Nachbarn und Bekannten; und wuͤrde wahrſcheinlich bis an ſeinen Tod im beßten Rufe verblieben ſeyn, haͤtte nicht diejenige Leidenſchaft, die ſchon manchen braven Mann zum Schelmen, und nur ſelten dieſen Leztern zum redlichen Mann umformte, — haͤtte Liebe nicht ihm einen ſchlimmen Poſſen geſpielt.
Alibius hatte ſchon ſeit einiger Zeit Bekannt- ſchaft mit einer jungen, ſchoͤnen, bemittelten Wittwe gemacht. Sie gefiel ihm ausnehmend, und troz des merklichen Unterſchieds ihrer Jahre hatt' er auch ihr zu gefallen gewußt. Sie zu heirathen, es koſte auch, was es wol- le, war ſein feſter Entſchluß; und da ſeine noch lebende Frau das Haupthindernis bei dieſem Vorſaz ausmachte, ſo ſuchte er ſich derſelben auf alle nur moͤgliche Art zu entle- digen.
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dieſer Stadt zu dem kleinen Poſten eines Kanz-
lei-Dieners. Auch hier fuhr er fort, ſich als
ein Mann von Rechtſchaffenheit zu betragen;
erwarb ſich das Zutrauen aller Nachbarn und
Bekannten; und wuͤrde wahrſcheinlich bis an
ſeinen Tod im beßten Rufe verblieben ſeyn,
haͤtte nicht diejenige Leidenſchaft, die ſchon
manchen braven Mann zum Schelmen, und
nur ſelten dieſen Leztern zum redlichen Mann
umformte, — haͤtte Liebe nicht ihm einen
ſchlimmen Poſſen geſpielt.
Alibius hatte ſchon ſeit einiger Zeit Bekannt-
ſchaft mit einer jungen, ſchoͤnen, bemittelten
Wittwe gemacht. Sie gefiel ihm ausnehmend,
und troz des merklichen Unterſchieds ihrer
Jahre hatt' er auch ihr zu gefallen gewußt.
Sie zu heirathen, es koſte auch, was es wol-
le, war ſein feſter Entſchluß; und da ſeine
noch lebende Frau das Haupthindernis bei
dieſem Vorſaz ausmachte, ſo ſuchte er ſich
derſelben auf alle nur moͤgliche Art zu entle-
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Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 354. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/362>, abgerufen am 24.11.2024.
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