Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

halbleise an die Hausthiere. Seine Enkelin,
ein Mädchen von neun oder zehn Jahren, öf-
nete dieselbe. Er stürzte in die Kammer,
wo sein Weib lag und schlief. Mit einem
Stück Holz zerschmetterte er auf einen Schlag
ihr die Hirnschaale; sprengte dann mit ver-
hängten Zügeln nach Brescia, und erschien
dort, schon des andern Morgens um sechs
Uhr, absichtlich in einer Amtsverrichtung, da-
mit Niemand seine Reise muthmaßen könne.
Das Kind, das ihm die Thüre eröfnet, kannte
ihn wirklich nicht. "Ein Räuber sey mit
Gewalt ins Haus gedrungen, und habe die
Großmutter getödtet!" das war dessen ganze
Aussage vor Gericht.

Als dieser Mord in Bresca erscholl, stellte
sich Alibius herzlich betrübt bei der Nachricht;
heirathete aber bald darauf jene junge, schöne
Witwe, die ohne ihr Wissen die Veranlas-
sung von diesem allen war. Er hofte die
Frucht seines Frevels nun in stolzer Ruhe zu
genießen; aber die rächende Hand der allse-

Z 3

halbleiſe an die Hausthiere. Seine Enkelin,
ein Maͤdchen von neun oder zehn Jahren, oͤf-
nete dieſelbe. Er ſtuͤrzte in die Kammer,
wo ſein Weib lag und ſchlief. Mit einem
Stuͤck Holz zerſchmetterte er auf einen Schlag
ihr die Hirnſchaale; ſprengte dann mit ver-
haͤngten Zuͤgeln nach Breſcia, und erſchien
dort, ſchon des andern Morgens um ſechs
Uhr, abſichtlich in einer Amtsverrichtung, da-
mit Niemand ſeine Reiſe muthmaßen koͤnne.
Das Kind, das ihm die Thuͤre eroͤfnet, kannte
ihn wirklich nicht. „Ein Raͤuber ſey mit
Gewalt ins Haus gedrungen, und habe die
Großmutter getoͤdtet!“ das war deſſen ganze
Ausſage vor Gericht.

Als dieſer Mord in Breſca erſcholl, ſtellte
ſich Alibius herzlich betruͤbt bei der Nachricht;
heirathete aber bald darauf jene junge, ſchoͤne
Witwe, die ohne ihr Wiſſen die Veranlaſ-
ſung von dieſem allen war. Er hofte die
Frucht ſeines Frevels nun in ſtolzer Ruhe zu
genießen; aber die raͤchende Hand der allſe-

Z 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0365" n="357"/>
halblei&#x017F;e an die Hausthiere. Seine Enkelin,<lb/>
ein Ma&#x0364;dchen von neun oder zehn Jahren, o&#x0364;f-<lb/>
nete die&#x017F;elbe. Er &#x017F;tu&#x0364;rzte in die Kammer,<lb/>
wo &#x017F;ein Weib lag und &#x017F;chlief. Mit einem<lb/>
Stu&#x0364;ck Holz zer&#x017F;chmetterte er auf einen Schlag<lb/>
ihr die Hirn&#x017F;chaale; &#x017F;prengte dann mit ver-<lb/>
ha&#x0364;ngten Zu&#x0364;geln nach Bre&#x017F;cia, und er&#x017F;chien<lb/>
dort, &#x017F;chon des andern Morgens um &#x017F;echs<lb/>
Uhr, ab&#x017F;ichtlich in einer Amtsverrichtung, da-<lb/>
mit Niemand &#x017F;eine Rei&#x017F;e muthmaßen ko&#x0364;nne.<lb/>
Das Kind, das ihm die Thu&#x0364;re ero&#x0364;fnet, kannte<lb/>
ihn wirklich nicht. &#x201E;Ein Ra&#x0364;uber &#x017F;ey mit<lb/>
Gewalt ins Haus gedrungen, und habe die<lb/>
Großmutter geto&#x0364;dtet!&#x201C; das war de&#x017F;&#x017F;en ganze<lb/>
Aus&#x017F;age vor Gericht.</p><lb/>
          <p>Als die&#x017F;er Mord in Bre&#x017F;ca er&#x017F;choll, &#x017F;tellte<lb/>
&#x017F;ich Alibius herzlich betru&#x0364;bt bei der Nachricht;<lb/>
heirathete aber bald darauf jene junge, &#x017F;cho&#x0364;ne<lb/>
Witwe, die ohne ihr Wi&#x017F;&#x017F;en die Veranla&#x017F;-<lb/>
&#x017F;ung von die&#x017F;em allen war. Er hofte die<lb/>
Frucht &#x017F;eines Frevels nun in &#x017F;tolzer Ruhe zu<lb/>
genießen; aber die ra&#x0364;chende Hand der all&#x017F;e-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Z 3</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[357/0365] halbleiſe an die Hausthiere. Seine Enkelin, ein Maͤdchen von neun oder zehn Jahren, oͤf- nete dieſelbe. Er ſtuͤrzte in die Kammer, wo ſein Weib lag und ſchlief. Mit einem Stuͤck Holz zerſchmetterte er auf einen Schlag ihr die Hirnſchaale; ſprengte dann mit ver- haͤngten Zuͤgeln nach Breſcia, und erſchien dort, ſchon des andern Morgens um ſechs Uhr, abſichtlich in einer Amtsverrichtung, da- mit Niemand ſeine Reiſe muthmaßen koͤnne. Das Kind, das ihm die Thuͤre eroͤfnet, kannte ihn wirklich nicht. „Ein Raͤuber ſey mit Gewalt ins Haus gedrungen, und habe die Großmutter getoͤdtet!“ das war deſſen ganze Ausſage vor Gericht. Als dieſer Mord in Breſca erſcholl, ſtellte ſich Alibius herzlich betruͤbt bei der Nachricht; heirathete aber bald darauf jene junge, ſchoͤne Witwe, die ohne ihr Wiſſen die Veranlaſ- ſung von dieſem allen war. Er hofte die Frucht ſeines Frevels nun in ſtolzer Ruhe zu genießen; aber die raͤchende Hand der allſe- Z 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/365
Zitationshilfe: Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 357. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/365>, abgerufen am 25.11.2024.