Ellen herab ist für einen Menschen von meiner Lage eine Kleinigkeit. Daß dort draußen jezt Niemand Acht giebt, hof' ich. Die Kapelle steht einzeln; ein Wald ist nicht ferne; daß ich dann laufen wolte, so weit mich meine Füße tragen, weiß ich."
Der arme Sünder machte hier eine Pause. Der Priester, indem er sich diese abentheuer- liche Leiter und den Plan des Ganzen still- schweigend überdachte, konte sich eines un- wilkührlichen Lächelns nicht enthalten; zwang sich aber sofort wieder, und entgegnete:
Vortreflich! Und dazu solt' ich helfen? Solte mit meiner eignen großen Gefahr einen Straßenräuber wieder in Stand sezzen, Bö- ses zu thun? Alle Räubereien, die du künf- tig begingest. -
"Nein, Hochwürdiger Herr, ich beginge sicher keine mehr! Was Stehlen nach sich zieht, weiß ich nun. Zu nahe ist mir diesmal der Galgen gekommen, als daß ich ihm künf- tig nicht ausbeugen solte, so viel ich nur weiß
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Ellen herab iſt fuͤr einen Menſchen von meiner Lage eine Kleinigkeit. Daß dort draußen jezt Niemand Acht giebt, hof' ich. Die Kapelle ſteht einzeln; ein Wald iſt nicht ferne; daß ich dann laufen wolte, ſo weit mich meine Fuͤße tragen, weiß ich.“
Der arme Suͤnder machte hier eine Pauſe. Der Prieſter, indem er ſich dieſe abentheuer- liche Leiter und den Plan des Ganzen ſtill- ſchweigend uͤberdachte, konte ſich eines un- wilkuͤhrlichen Laͤchelns nicht enthalten; zwang ſich aber ſofort wieder, und entgegnete:
Vortreflich! Und dazu ſolt' ich helfen? Solte mit meiner eignen großen Gefahr einen Straßenraͤuber wieder in Stand ſezzen, Boͤ- ſes zu thun? Alle Raͤubereien, die du kuͤnf- tig begingeſt. -
„Nein, Hochwuͤrdiger Herr, ich beginge ſicher keine mehr! Was Stehlen nach ſich zieht, weiß ich nun. Zu nahe iſt mir diesmal der Galgen gekommen, als daß ich ihm kuͤnf- tig nicht ausbeugen ſolte, ſo viel ich nur weiß
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Ellen herab iſt fuͤr einen Menſchen von meiner
Lage eine Kleinigkeit. Daß dort draußen jezt
Niemand Acht giebt, hof' ich. Die Kapelle
ſteht einzeln; ein Wald iſt nicht ferne; daß ich
dann laufen wolte, ſo weit mich meine Fuͤße
tragen, weiß ich.“
Der arme Suͤnder machte hier eine Pauſe.
Der Prieſter, indem er ſich dieſe abentheuer-
liche Leiter und den Plan des Ganzen ſtill-
ſchweigend uͤberdachte, konte ſich eines un-
wilkuͤhrlichen Laͤchelns nicht enthalten; zwang
ſich aber ſofort wieder, und entgegnete:
Vortreflich! Und dazu ſolt' ich helfen?
Solte mit meiner eignen großen Gefahr einen
Straßenraͤuber wieder in Stand ſezzen, Boͤ-
ſes zu thun? Alle Raͤubereien, die du kuͤnf-
tig begingeſt. -
„Nein, Hochwuͤrdiger Herr, ich beginge
ſicher keine mehr! Was Stehlen nach ſich
zieht, weiß ich nun. Zu nahe iſt mir diesmal
der Galgen gekommen, als daß ich ihm kuͤnf-
tig nicht ausbeugen ſolte, ſo viel ich nur weiß
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Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 433. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/441>, abgerufen am 24.11.2024.
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