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Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796.

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men an einen recht artigen Meierhof; ein jun-
ges, hübsches Weib schien an der Hofthüre
schon auf ihren Mann zu warten, und ging
ihm einige Schritte, mit einem Knaben auf
dem Arm, und einem Mädchen, das hinter
drein hüpfte, entgegen. Auch den Geistlichen,
der ihr als ein Gast bis morgen früh ange-
meldet wurde, empfing sie freundlich. Nach-
dem sie sich im Zimmer -- das für eine Land-
Wohnung recht sauber war -- ein wenig
ausgewärmt hatten, rief der Bauer sein Weib
bei Seite, kam nach einigen Minuten wieder,
und sprach mit einer gewissen frohen Hastig-
keit: "Nein Margarethe, ich irre mich nicht.
Er ist es! Mit mir zugleich falle nieder und
laß uns dankbar die Knie meines ehmaligen
Schuzengels umfassen!" -- Sie thaten es.
Der Pater stuzte nicht wenig. Was diesen
beiden guten Leuten einfalle, war ihm unbe-
greiflich. Er wolte sie aufheben, wolte fra-
gen: was sie begehrten? als sein Wirth aus-
rief:

E e 4

men an einen recht artigen Meierhof; ein jun-
ges, huͤbſches Weib ſchien an der Hofthuͤre
ſchon auf ihren Mann zu warten, und ging
ihm einige Schritte, mit einem Knaben auf
dem Arm, und einem Maͤdchen, das hinter
drein huͤpfte, entgegen. Auch den Geiſtlichen,
der ihr als ein Gaſt bis morgen fruͤh ange-
meldet wurde, empfing ſie freundlich. Nach-
dem ſie ſich im Zimmer — das fuͤr eine Land-
Wohnung recht ſauber war — ein wenig
ausgewaͤrmt hatten, rief der Bauer ſein Weib
bei Seite, kam nach einigen Minuten wieder,
und ſprach mit einer gewiſſen frohen Haſtig-
keit: „Nein Margarethe, ich irre mich nicht.
Er iſt es! Mit mir zugleich falle nieder und
laß uns dankbar die Knie meines ehmaligen
Schuzengels umfaſſen!“ — Sie thaten es.
Der Pater ſtuzte nicht wenig. Was dieſen
beiden guten Leuten einfalle, war ihm unbe-
greiflich. Er wolte ſie aufheben, wolte fra-
gen: was ſie begehrten? als ſein Wirth aus-
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[439/0447] men an einen recht artigen Meierhof; ein jun- ges, huͤbſches Weib ſchien an der Hofthuͤre ſchon auf ihren Mann zu warten, und ging ihm einige Schritte, mit einem Knaben auf dem Arm, und einem Maͤdchen, das hinter drein huͤpfte, entgegen. Auch den Geiſtlichen, der ihr als ein Gaſt bis morgen fruͤh ange- meldet wurde, empfing ſie freundlich. Nach- dem ſie ſich im Zimmer — das fuͤr eine Land- Wohnung recht ſauber war — ein wenig ausgewaͤrmt hatten, rief der Bauer ſein Weib bei Seite, kam nach einigen Minuten wieder, und ſprach mit einer gewiſſen frohen Haſtig- keit: „Nein Margarethe, ich irre mich nicht. Er iſt es! Mit mir zugleich falle nieder und laß uns dankbar die Knie meines ehmaligen Schuzengels umfaſſen!“ — Sie thaten es. Der Pater ſtuzte nicht wenig. Was dieſen beiden guten Leuten einfalle, war ihm unbe- greiflich. Er wolte ſie aufheben, wolte fra- gen: was ſie begehrten? als ſein Wirth aus- rief: E e 4

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Zitationshilfe: Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 439. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/447>, abgerufen am 24.11.2024.