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Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796.

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mich auch nicht! Merkt man, daß ich Sie
warnte, so kostet es mir das Leben. Das
weiß ich, und kont's doch nicht übers Herz
bringen, einen so braven Offizier und so hüb-
schen Herrn gleichsam in seinen Sünden er-
schlagen zu lassen.

To -- ben stuzte bei dieser Rede, wie man
wohl denken kann, gewaltig. Ein Mann von
gemeinen Kopfe hätte sogleich nach der Flucht
sich umgesehn. Er, wiewohl er nur ein Paar
Sekunden Zeit zum Ueberdenken hatte, begrif
doch leicht: daß jeder Versuch zum Entfliehn,
jezt, in der Nacht, in einem stockfremden Lande,
und unter solchen Umständen gleich gefährlich,
wo nicht gefährlicher noch als ruhiges Dablei-
ben sey. Eine fast unglaubliche Gegenwart des
Geistes leitete ihn daher sofort auf ganz andre
Gedanken. Er hielt das Mädchen, das sich
wieder entfernen wollte, schnell beim Arme zu-
rück. -- "Nur noch ein Wort, liebes Kind!
sprach er: Lebt der Wirth einig mit seiner
Frau?" -- Vollkommen! -- "Hat er sie

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mich auch nicht! Merkt man, daß ich Sie
warnte, ſo koſtet es mir das Leben. Das
weiß ich, und kont's doch nicht uͤbers Herz
bringen, einen ſo braven Offizier und ſo huͤb-
ſchen Herrn gleichſam in ſeinen Suͤnden er-
ſchlagen zu laſſen.

To — ben ſtuzte bei dieſer Rede, wie man
wohl denken kann, gewaltig. Ein Mann von
gemeinen Kopfe haͤtte ſogleich nach der Flucht
ſich umgeſehn. Er, wiewohl er nur ein Paar
Sekunden Zeit zum Ueberdenken hatte, begrif
doch leicht: daß jeder Verſuch zum Entfliehn,
jezt, in der Nacht, in einem ſtockfremden Lande,
und unter ſolchen Umſtaͤnden gleich gefaͤhrlich,
wo nicht gefaͤhrlicher noch als ruhiges Dablei-
ben ſey. Eine faſt unglaubliche Gegenwart des
Geiſtes leitete ihn daher ſofort auf ganz andre
Gedanken. Er hielt das Maͤdchen, das ſich
wieder entfernen wollte, ſchnell beim Arme zu-
ruͤck. — „Nur noch ein Wort, liebes Kind!
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[449/0457] mich auch nicht! Merkt man, daß ich Sie warnte, ſo koſtet es mir das Leben. Das weiß ich, und kont's doch nicht uͤbers Herz bringen, einen ſo braven Offizier und ſo huͤb- ſchen Herrn gleichſam in ſeinen Suͤnden er- ſchlagen zu laſſen. To — ben ſtuzte bei dieſer Rede, wie man wohl denken kann, gewaltig. Ein Mann von gemeinen Kopfe haͤtte ſogleich nach der Flucht ſich umgeſehn. Er, wiewohl er nur ein Paar Sekunden Zeit zum Ueberdenken hatte, begrif doch leicht: daß jeder Verſuch zum Entfliehn, jezt, in der Nacht, in einem ſtockfremden Lande, und unter ſolchen Umſtaͤnden gleich gefaͤhrlich, wo nicht gefaͤhrlicher noch als ruhiges Dablei- ben ſey. Eine faſt unglaubliche Gegenwart des Geiſtes leitete ihn daher ſofort auf ganz andre Gedanken. Er hielt das Maͤdchen, das ſich wieder entfernen wollte, ſchnell beim Arme zu- ruͤck. — „Nur noch ein Wort, liebes Kind! ſprach er: Lebt der Wirth einig mit ſeiner Frau?“ — Vollkommen! — „Hat er ſie F f

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Zitationshilfe: Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 449. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/457>, abgerufen am 23.11.2024.