bat er um Gotteswillen nur damit einzuhalten, weil er gern alles gestehen wolte; und was keine körperliche Qual von ihm erpreßt hatte, erpreßte Liebe in der ersten Minute.
Jn einem Briefe von C. datirt, ohne Un- terschrift, erhielt ich diese Anekdote. "Sie sei, "sagte der Briefschreiber, aus einer damals "öffentlich gedruckten, aktenmäßigenNachricht, "und buchstäblich wahr." -- Da ich diese ge- druckte Nachricht nie sah, so kan ich freilich die Anekdote selbst auch nur unter der Bürgschaft liefern, mit welcher ich sie empfing. Wenn sie aber pünktlich wahr ist, wie mir aus Angabe der Namen, des Orts und der Jahrzahl scheint, so ist sie immer kein ganz unverächtlicher Bei- trag, nicht etwa zur Macht der Liebe, selbst über rohe Seelen, -- denn diese Macht ist längst unbezweifelt! -- sondern auch zu der traurigen Wahrheit: wie ungerecht oft Richter verfahren können, indem sie der Gerechtigkeit einen Dienst zu leisten glauben.
bat er um Gotteswillen nur damit einzuhalten, weil er gern alles geſtehen wolte; und was keine koͤrperliche Qual von ihm erpreßt hatte, erpreßte Liebe in der erſten Minute.
Jn einem Briefe von C. datirt, ohne Un- terſchrift, erhielt ich dieſe Anekdote. „Sie ſei, „ſagte der Briefſchreiber, aus einer damals „oͤffentlich gedruckten, aktenmaͤßigenNachricht, „und buchſtaͤblich wahr.“ — Da ich dieſe ge- druckte Nachricht nie ſah, ſo kan ich freilich die Anekdote ſelbſt auch nur unter der Buͤrgſchaft liefern, mit welcher ich ſie empfing. Wenn ſie aber puͤnktlich wahr iſt, wie mir aus Angabe der Namen, des Orts und der Jahrzahl ſcheint, ſo iſt ſie immer kein ganz unveraͤchtlicher Bei- trag, nicht etwa zur Macht der Liebe, ſelbſt uͤber rohe Seelen, — denn dieſe Macht iſt laͤngſt unbezweifelt! — ſondern auch zu der traurigen Wahrheit: wie ungerecht oft Richter verfahren koͤnnen, indem ſie der Gerechtigkeit einen Dienſt zu leiſten glauben.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0502"n="494"/>
bat er um Gotteswillen nur damit einzuhalten,<lb/>
weil er gern alles geſtehen wolte; und was<lb/>
keine koͤrperliche Qual von ihm erpreßt hatte,<lb/>
erpreßte Liebe in der erſten Minute.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><p>Jn einem Briefe von C. datirt, ohne Un-<lb/>
terſchrift, erhielt ich dieſe Anekdote. „Sie ſei,<lb/>„ſagte der Briefſchreiber, aus einer damals<lb/>„oͤffentlich gedruckten, aktenmaͤßigenNachricht,<lb/>„und buchſtaͤblich wahr.“— Da ich dieſe ge-<lb/>
druckte Nachricht nie ſah, ſo kan ich freilich die<lb/>
Anekdote ſelbſt auch nur unter der Buͤrgſchaft<lb/>
liefern, mit welcher ich ſie empfing. Wenn ſie<lb/>
aber puͤnktlich wahr iſt, wie mir aus Angabe<lb/>
der Namen, des Orts und der Jahrzahl ſcheint,<lb/>ſo iſt ſie immer kein ganz unveraͤchtlicher Bei-<lb/>
trag, nicht etwa zur <hirendition="#g">Macht der Liebe</hi>,<lb/>ſelbſt uͤber rohe Seelen, — denn dieſe Macht iſt<lb/>
laͤngſt unbezweifelt! —ſondern auch zu der<lb/>
traurigen Wahrheit: wie ungerecht oft Richter<lb/>
verfahren koͤnnen, indem ſie der Gerechtigkeit<lb/>
einen Dienſt zu leiſten glauben.</p></div><lb/></div></body></text></TEI>
[494/0502]
bat er um Gotteswillen nur damit einzuhalten,
weil er gern alles geſtehen wolte; und was
keine koͤrperliche Qual von ihm erpreßt hatte,
erpreßte Liebe in der erſten Minute.
Jn einem Briefe von C. datirt, ohne Un-
terſchrift, erhielt ich dieſe Anekdote. „Sie ſei,
„ſagte der Briefſchreiber, aus einer damals
„oͤffentlich gedruckten, aktenmaͤßigenNachricht,
„und buchſtaͤblich wahr.“ — Da ich dieſe ge-
druckte Nachricht nie ſah, ſo kan ich freilich die
Anekdote ſelbſt auch nur unter der Buͤrgſchaft
liefern, mit welcher ich ſie empfing. Wenn ſie
aber puͤnktlich wahr iſt, wie mir aus Angabe
der Namen, des Orts und der Jahrzahl ſcheint,
ſo iſt ſie immer kein ganz unveraͤchtlicher Bei-
trag, nicht etwa zur Macht der Liebe,
ſelbſt uͤber rohe Seelen, — denn dieſe Macht iſt
laͤngſt unbezweifelt! — ſondern auch zu der
traurigen Wahrheit: wie ungerecht oft Richter
verfahren koͤnnen, indem ſie der Gerechtigkeit
einen Dienſt zu leiſten glauben.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 494. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/502>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.