weil sein eignes Herz ihm dann die schönste Bürgerkrone bieten muste.
Jndeß, daß es dennoch Fälle geben kann, wo selbst der schönste, edelste aller Wünsche, der Wunsch ein Menschenleben zu retten, Be- schränkung leidet; daß zumal derjenige Sach- walter, der gern jeden Verbrecher, wo mög- lich, vom Tode befreien möchte, in Lagen kom- men kann, wo ihn sein Gewißen für jene Mühe nicht mit Freude belohnt, sondern mit Reue bestraft; auch dies ist unbezweifelt. Unter mehrern Beispielen, die mir desfalls be- kant wurden, wähl' ich nur eines aus; theils weil ich den größten Theil dieser Geschichte aus dem Munde der Hauptperson selbst erfuhr; theils weil sie die nicht ganz allgemeine Ei- genschaft besizt, daß ihr Anfang und Mittel warnt, ihre Schlus-Wendung zur Nachfol- ge aufmuntert.
Jn Kur-S -- und andern teutschen Staa- ten ist es bekante Sitte, daß jungen Ad- vokaten die Vertheidigung eingezogner Ver-
weil ſein eignes Herz ihm dann die ſchoͤnſte Buͤrgerkrone bieten muſte.
Jndeß, daß es dennoch Faͤlle geben kann, wo ſelbſt der ſchoͤnſte, edelſte aller Wuͤnſche, der Wunſch ein Menſchenleben zu retten, Be- ſchraͤnkung leidet; daß zumal derjenige Sach- walter, der gern jeden Verbrecher, wo moͤg- lich, vom Tode befreien moͤchte, in Lagen kom- men kann, wo ihn ſein Gewißen fuͤr jene Muͤhe nicht mit Freude belohnt, ſondern mit Reue beſtraft; auch dies iſt unbezweifelt. Unter mehrern Beiſpielen, die mir desfalls be- kant wurden, waͤhl' ich nur eines aus; theils weil ich den groͤßten Theil dieſer Geſchichte aus dem Munde der Hauptperſon ſelbſt erfuhr; theils weil ſie die nicht ganz allgemeine Ei- genſchaft beſizt, daß ihr Anfang und Mittel warnt, ihre Schlus-Wendung zur Nachfol- ge aufmuntert.
Jn Kur-S — und andern teutſchen Staa- ten iſt es bekante Sitte, daß jungen Ad- vokaten die Vertheidigung eingezogner Ver-
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weil ſein eignes Herz ihm dann die ſchoͤnſte
Buͤrgerkrone bieten muſte.
Jndeß, daß es dennoch Faͤlle geben kann,
wo ſelbſt der ſchoͤnſte, edelſte aller Wuͤnſche,
der Wunſch ein Menſchenleben zu retten, Be-
ſchraͤnkung leidet; daß zumal derjenige Sach-
walter, der gern jeden Verbrecher, wo moͤg-
lich, vom Tode befreien moͤchte, in Lagen kom-
men kann, wo ihn ſein Gewißen fuͤr jene
Muͤhe nicht mit Freude belohnt, ſondern
mit Reue beſtraft; auch dies iſt unbezweifelt.
Unter mehrern Beiſpielen, die mir desfalls be-
kant wurden, waͤhl' ich nur eines aus; theils
weil ich den groͤßten Theil dieſer Geſchichte aus
dem Munde der Hauptperſon ſelbſt erfuhr;
theils weil ſie die nicht ganz allgemeine Ei-
genſchaft beſizt, daß ihr Anfang und Mittel
warnt, ihre Schlus-Wendung zur Nachfol-
ge aufmuntert.
Jn Kur-S — und andern teutſchen Staa-
ten iſt es bekante Sitte, daß jungen Ad-
vokaten die Vertheidigung eingezogner Ver-
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Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 508. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/516>, abgerufen am 23.11.2024.
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